:: Habt euch nicht so oder: Sexismus, issen ditte?

Wir haben ja derzeit mal wieder eine feine Sexismus-Debatte, teils anläßlich des vor Jahresfrist stattgehabten, nun im Stern berichteten Interview-Verhaltens eines FDP-Politikers. Daß der Bericht erst jetzt erscheint (wofür die Journalistin, die das Interview damals führte, oder zu führen versuchte, wohlgemerkt eher nichts kann), ist eines; was man einmal mehr an Gegenrede oder abwiegelnden Bemerkungen hört von Leuten, denen die ganze Aufregung übertrieben erscheint, ein ganz anderes.

Daher kurz dies: Herr Sathom findet es immer wieder so lächerlich wie reichlich dreist, wenn Mannsbilder sich kompetent fühlen, für Frauen zu beurteilen und zu entscheiden, ob diese sich in bestimmten Situationen bedrängt oder belästigt fühlen dürfen. Ja, dürfen. Wenn sie sich anmaßen, den Damen vorzuschreiben, ob deren Empfinden gerechtfertigt sei (und meistenteils finden, es sei nicht); letztlich meinen, der Mann entscheide als Realitätsprüfer, ob weibliche Wahrnehmung zugelassen werden könne. Eben noch ganz die Herren der Schöpfung, und der Deutungshoheit obendrein.

Vergleichbares Verhalten: Sie treten jemand in den Allerwertesten; begehrt er auf, sagen Sie: Was stellen Sie sich so an, das tut doch gar nicht weh; ich weiß es genau, habe doch schließlich am eigenen Arsch auch nichts gespürt.

Oder, um den Spieß mal umzudrehen: jemand kippt Ihnen Bier über die Hose. Sie ereifern sich, er lacht jovial und sagt: Hab dich mal nicht so, Freundchen, Ihnen generös auf die Schulter klopfend. Mach doch nicht so’n Gescheiß, bist doch überempfindlich (denn: ist ja nicht meine Hose).

Die also jetzt wieder einmal tönen, da würde übertrieben, beweisen damit pausbäckige Unverfrorenheit: weil der eigene innere Dickhäuter nichts merkt, gilt ihm das Fühlen der Betroffenen als Überempfindlichkeit. So können sie denn lässig – mach dich mal locker, Baby – konstatieren, daß weder direkt Betroffene, noch deren empörte Geschlechtsgenossinnen Anlaß zur Klage hätten. So, als hätten sie dies für jene zu entscheiden, könnten das Empfinden Dritter als albern oder deplaziert abkanzeln, statt auch nur zu versuchen, es wenigstens zu respektieren (wenn man’s schon nicht kapiert).

Nebenbei noch eines: der Stern-Bericht über besagtes Interview wird teilweise angegriffen mit der Frage, weshalb er erst jetzt erscheine, und nicht schon im letzten Jahr. Die der Frage innewohnende Unterstellung, bei der Wahl des Veröffentlichungszeitpunktes spiele Kalkül gegen die FDP, oder gegen eines ihrer Mitglieder eine Rolle, ist heuchlerisch.

Denn sie verkürzt die Wahrnehmung eines allgemeinen Mißstands, den der Stern durchaus nicht auf das Verhalten des FDP-Spitzenkandidaten reduziert, auf eben solchen Einzelfall; womit sie zweierlei erreicht. Erstens, die Berichterstatter als unlauter zu diskreditieren, und zweitens, den verbreiteten Mißstand des Sexismus durch Darstellung des Berichts als Intrige/Sensationsmache/Wasimmer gleich mit zu entsorgen, völlig aus dem Blick zu entfernen: aus dem, was allzuviele Möchtergern-Alphamännchen tun, wird ein medialer Anschlag auf einen Einzelnen. Fall erledigt, mehr zu fragen gibt es nicht. So wird, was ein gesellschaftlich relevantes Thema ist, umgedeutet zu vereinzelter Dreckwerferei, und vom größeren Zusammenhang entkoppelt. Dabei müssen die Parteigenossen in der FDP nicht einmal so weit denken, versuchen vielleicht nur, ihren Fraktionschef zu schützen; andere, die ihm beispringen, interpretieren die Affäre womöglich bloß vor dem Hintergrund ihrer eigenen, stereotypen Denkklischees (oder fürchten um eigene schöpfungsherrliche Verhaltensprivilegien an Tagen, an denen sie auch mal lustig sind). So oder so greifen sie, bewußt oder unbewußt, auf ein klar definiertes, aus Herrschaftsverhältnissen hervorgehendes Interpretationsmuster zurück; eines, das männliches Urteil über weibliches, weibliches hingegen aus Prinzip in Frage stellt. Und so reihen sich diese Verteidigungsversuche hervorragend in die drei Abwehrstrategien, die das Blog der Frau Dingens aufzählt: Beschuldigung des Opfers, Ablenkung, Darstellung des Täters als Opfer.

Mehr zum Thema:

Frau Dingens
Frankfurter Rundschau
Stern
Süddeutsche Zeitung

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