Der Herr Sathom hat am Wochenende noch mehr TV geguckt, und dabei einiges Verpaßte nachgeholt, das ihm bis dahin durch die Lappen gegangen war; unter Anderem die Wiederholung der ausgezeichneten Sendung quer mit dem hochwohllöblichen Christoph Süß vom Donnerstag letzter Woche. Und was muß der Herr Sathom da hören? In Deutschland diskutiert man derzeit die Aufnahme wohl unschuldiger (nun ja, soweit man weiß) Insassen des Straflagers Guantanamo, das der Herr Obama jetzt auflösen läßt – und der deutsche Innenminister Schäuble glänzt wieder einmal durch eine ganz besondere Auffassung von Recht und Menschenrechten, wie Herr Süß in anhand eines Interview-Ausschnitts mit dem Herrn Bundesinnenminister vorführt.
Was gibt’s da eh eigentlich überhaupt zu diskutieren, fragt sich der Herr Sathom, was der Herr Obama grad macht, ist doch, wovon alle immer sauer auf den Herrn Bush waren, daß er es nicht gemacht hat, und wenn die Leute nachweislich unschuldig sind, ja was soll’s dann? Zumal es sich um Personen handelt, die in ihren Heimatländern Folter oder Verfolgung erwartet? Und die USA zwar damit die Folgen ihres Tuns ein bißchen auslagern, na gut, aber andererseits bittet man uns ja nur, bei etwas mitzuhelfen, das wir immer verlangten, gell. Nun, unser Innenminister weiß es zu erklären.
Und zwar geht es gar nicht darum, ob die Betreffenden wirklich Terroristen sind oder eben – unschuldig. Oder besser: gerade wenn sie unschuldig wären, um so schlimmer. Herr Schäuble weist nämlich seinen Interviewpartner darauf hin, daß man gerade dann, wenn man unschuldig im Gefängnis säße, wohl einige Aggression aufstaue, weshalb er offenbar meint, daß es dann eventuell genau deswegen nicht ratsam sei, einen freizulassen.
Das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, findet der Herr Sathom: daß jemand unschuldig im Gefängnis saß, ist also ein Argument dagegen, ihn überhaupt je wieder frei herumlaufen zu lassen (jedenfalls im eigenen Land). Ist der Herr Schäuble sich eigentlich bewußt, daß er mit dieser Auffassung ein mehr als verdrehtes Verhältnis zum Recht überhaupt äußert – denn nach dieser Logik dürfte man ja auch deutsche Staatsbürger, die in Deutschland unschuldig in Haft waren, gerade aufgrund ihrer nachträglich erwiesenen Unschuld nie wieder freilassen (und zwar wirklich nie wieder: denn wenn nicht, was dann – soll man sie noch einmal 5 Jahre brummen lassen, damit sie sich wieder abkühlen?). Oder meint der Herr Schäuble das gar nicht so, sondern hat nur auf die Schnelle eine ziemlich mißglückte Ausrede konstruieren wollen?
Der Herr Sathom ist sich nicht sicher; erinnert er sich doch, daß unser Innenminister auch einstmalen schon der Ansicht war, unter der Folter erzwungene Geständnisse dürften von deutschen Sicherheitsbehörden verwendet werden, wenn man nur halt nicht selbst gefoltert habe, sondern Andere. Womit Herr Schäuble ja im Grunde gesagt hat, daß er der mittelalterlichen Rechtsauffassung zuneigt, unter der Folter zustande gekommene Aussagen seien irgendwie beweiskräftig (und in Strafprozessen verwendbar, worum es hier allerdings nicht einmal ging. Was für Prozesse denn überhaupt, nicht wahr). Eine Auffassung, von der sich das zivilisierte Abendland mit gutem Grund abgewandt hat – wegen des Leids, das die Folter verursacht, aber auch, weil Gefolterte eben alles gestehen, was der Folterer hören will, und ihre Aussagen letztlich eben keine andere „Realität“ widerspiegeln als die, die die Folterknechte gerne so-und-so hätten. Herr Schäuble meinte aber damals offenbar, daß, was jemand unter der Folter gesteht, doch irgendwie verwertbar sei – sonst machte dessen Verwendung durch deutsche Behörden ja keinen Sinn (von wo es nur noch ein kurzer Schritt ist zu der Frage, wieso man dann denn eigentlich nicht selber foltert). Der Herr Sathom wunderte sich damals schon, weshalb Herr Schäuble als Innenminister eines demokratischen Rechtsstaates damit nicht als untragbar empfunden wurde. Er wundert sich jetzt wieder. Auch darüber, daß Herr Schäuble immerhin in einem taz-Interview – online gestellt am 14.10.2008 – meinte, den Rechtsstaat mache aus, daß Unschuldige wieder frei kommen. Ja was denn nun, fragt Herr Sathom.
Schön, schön Herr Sathom. Das gefällt. Die Sprache, aber auch das Rechtsverständnis. Die Abneigung gegen lamentierende Paranoiker nicht zuletzt 🙂
Der Herr Sathom dankt und freut sich sehr über das Lob 🙂 (auch über das der Sprache, fürchtete er doch schon, diese könnte auch die Wackersten erschrecken 😉 ).