:: Herr Sathom muß die Fernsehwerbung schelten

Was ist der Herr Sathom nicht alles von der Reklame im Fernsehen gewohnt. Die Werbepause ist ja als solche zwecks Finanzierung der bunten Kasperlbilder durchaus hinzunehmen und gerechtfertigt, zumal sich der Ton ja abschalten läßt und sie einem ermöglicht, zum Kühlschrank oder zur Toilette zu schweifen; daß die aufdringlichen Manipulationsversuche sich dreist in die laufende Sendung schieben, hingegen weit weniger tragbar. Besonders tut sich hier immer wieder der Sender RTL II hervor, der dem Herrn Sathom in den vergangenen Jahren schon Einiges zugemutet hat: Werbung, die sich während der großartigen Serie Battlestar Galactica genau dort materialisierte, wo sich das Gesicht eines gerade sprechenden Schauspielers befand, die sich gar bei anderen Gelegenheiten anheischig machte, fast den gesamten Bildschirm ausfüllen zu wollen; und einmal mehr hatte Herr Sathom nun Gelegenheit, sich von der wenig respektvollen Einstellung der Programmgestalter gegenüber dem ausgestrahlten kreativen Werk, dessen Integrität sie jederzeit pekuniären Erwägungen zu opfern bereit sind, zu überzeugen (was dem Herrn Sathom um so undankbarer erscheint, als das Werk es ja ist, das den Machern qua seiner Popularität die Ausbreitung ihres eigentlichen Anliegens, der Reklame nämlich, vor dem Publikum überhaupt erst ermöglicht).

In einer spannend sein wollenden Szene des am Freitag, den 13.02. (ein Omen?) gesendeten Films Brennpunkt L.A. / Lethal Weapon II (ab 22:15, erste von insgesamt drei Wiederholungen an jenem WE, ein einfallsreiches Programmschema) nämlich wucherten daselbst plötzlich Eiskristalle ins Bild hinein, den Bildschirm mit Rauhreif überziehend und dem Herrn Sathom die Sicht benehmend; und während er sich noch fragte, was das nun wieder solle, strebte auch prompt von unten her – gleich einem Pilzgewächs sprießend – eine Flasche anregenden Getränks ins Bild, und eine Schrift verkündete, man erlebe gerade eiskalte Spannung mit dem derart angepriesenen Wodka. Eiskalt rann es dem Herrn Sathom tatsächlich über den Rücken – nicht wegen des Wodka selbst, der Manchem ein leckeres Getränk sein mag, Herr Sathom hat zwar schon Wodka getrunken, er weiß aber nicht mehr welchen und entschied damals, Wodka sage ihm nicht zu; auch nicht ob des Versuchs dieses und ähnlicher Spots, einen symbiotischem Zusammenhang zwischen dem jeweils Angepriesenen und dem Filmgenuß zu suggerieren. Wovon ihm das Blut gefror war anderes, sah er sich doch einmal mehr in seiner These bestätigt, daß Werbeleute, wiewohl sie doch so gern als Kreative geachtet sein wollen, ihrerseits dem Werk anderer Kreativer nicht im Geringsten Achtung zollen. Denn obwohl sie sich gern die gesellschaftlich als positiv hochgeschätzten Eigenschaften des phantasievollen, einfallsreichen und schöpferischen Kreativen an die Brust heften, zeigen sie einen schamlosen Mangel an Respekt vor fremdem Werk, indem sie in selbiges nach Belieben eingreifen, es verändern, seinen eigentlichen Zweck und das Wollen seiner Macher mißachtend Spannungsbögen zerstören, schauspielerische Leistungen dem Blick entziehen, Atmosphäre und Schnitt mit Füßen treten. Sie gleichen darin solchen, die, ließe man sie denn, auch das Original der Mona Lisa mit Strichmännchen beschmieren würden, um zu zeigen, daß sie auch malen können (und was die zur Tat benutzten nicht abwaschbaren Filzstifte, die im Dunkeln leuchten und Klingeltöne abspielen können, so kaufenswert macht). Sie benutzen das Resultat der kreativen Arbeit Anderer als Plattform und Plakatwand, um vermittels der künstlerischen Leistung jener, deren Werk sie damit zugleich verschandeln, ihre eigenen erbärmlichen kleinen Machwerke der Öffentlichkeit aufzudrängen. Daß sie damit in den Genuß des Filmfreundes eingreifen, kümmert sie ebenso wenig wie des verschandelten Werkes Integrität – und so beweisen sie als Zweites, daß sie auch ihr anvisiertes Zielpublikum nicht respektieren (so dieses das hinnimmt, hat es allerdings vielleicht auch nichts Besseres verdient).

Man verstehe Herrn Sathom dabei nicht falsch: er hält die Lethal Weapon-Filme sicher nicht für Meilensteine der Filmgeschichte; tatsächlich war er von der Arbeit müde, zeitgleich laufenden grimmen Dokus über Finanzkrise und Afghanistan daher abhold, und zugleich dank der allgemeinen Programmplanung anderer leichter Unterhaltung nicht habhaft, und guckte bloß deshalb kurz in den 80er-Jahre-Klamauk, dieweil er sein Abendbrot kaute. Allein hier geht es ums Prinzip; darum, daß es zum selbstgestrickten Mythos der Werbemacher gehört, Kreative zu sein, mit all dem Brimborium, das diesem mystifizierten Begriff anhaftet, während sie tatsächlich weniger denn sonst jemand auch nur ansatzweise respektieren, was Kreativität sei. Denn sie achten sie nicht, so sie ihnen von anderer Seite entgegentritt.

Wohlgemerkt – Herr Sathom wendet sich hier nicht gegen die Verwendung kreativer Werke zur Schaffung eigenständiger, neuer Dinge, auch solcher, die sich vielleicht – sei es kritisch, als Hommage oder anderweitig – auf die Originale beziehen; diese – ggf. auszugsweise – Nutzung zu kreativen und künstlerischen Zwecken, wie sie etwa ein Künstler in einer Collage zeigen mag, stört den Herrn Sathom nicht, ermöglicht sie doch die Schaffung neuer Werke oder den kreativen Kommentar. Selbst ein eigenständiger, auf diese Art clever gemachter Werbespot vermag dem Herrn Sathom Anerkennung abzuringen. Ihn stört der zerstörerische Eingriff in bestehende Werke zum Zwecke, diese als Medium für irgendwelchen Unfug zu verwenden, ohne Rücksichtnahme auf deren Integrität (dazu zählt auch das Kürzen, um sie für angeblich relevante Zielgruppen goutierbar zu machen oder ins Sendeschema zu pressen, auch hier unter dem Diktat des unbedingten Vorrangs der Werbung). Ihn stört zudem der so leider allzu häufig entstehende Eindruck, Dauerwerbesendungen beizuwohnen, die gelegentlich von Filmschnipseln unterbrochen werden, anstatt umgekehrt.

Als Beispiel eines solchen Sakrilegs erinnert sich Herr Sathom auch mit Grausen eines Anschlags von Pro7 auf den ersten Mister Bean-Film vor langen Jahren, in welchem plötzlich im Abspann Herr Stefan Raab erschien, den dort noch herumalbernden Mr. Bean vertrieb und penetrant für eine eigene Sendung warb (welche, das hat der diesmal segensreiche Mechanismus der Verdrängung dem Herrn Sathom in gnädiges Dunkel getaucht; daß es während der Free-TV-Premiere des Films geschah, mag aber ein Anhaltspunkt für Nachforschungen sein). Hier handelte es sich zwar nun nicht um Fremdwerbung, doch letztlich um dasselbe Prinzip – der viel weniger Talentierte, in der Hauptsache von anderen noch weniger Talentierten allein wegen seiner Dreistigkeit bejubelt, der bei tatsächlicher physischer Präsenz des begnadeten Rowan Atkinson eigentlich zerbröseln müßte wie ein Vampir im Sonnenlicht, zerstört das filmische Werk, macht sich anheischig, des viel besseren Komödianten Werk zu verhunzen für seine schändlichen Zwecke; er, der es dem Herrn Atkinson nicht gleichtun könnte, würde er Äonen alt wie Cthulhu, will sich wenigstens Aufmerksamkeit verschaffen, indem er sich an dessen Popularität anhängt und sich wenigstens durch die eigene Frechheit einen Namen macht. Derlei ist, was den Herrn Sathom ergrimmt.

Übrigens: Herr Sathom, der sich selbst gern kreativen Unterfangen hingibt, will seine Rede hier nicht in die komplizierten Definitionsversuche und die wissenschaftliche Diskussion der Kreativität ausschweifen lassen, einer menschlichen Möglichkeit, welche Psychologen, Erziehungswissenschaftler, Neurobiologen und Sonstigeologen zwar bisher begrifflich immer mehr einzugrenzen, aber noch nicht völlig zu fassen vermochten (wohinter sich neben ehrenwerten Anliegen auch vor Allem das Bestreben verbirgt, das Freigeistige der Kreativität zu zähmen und insbesondere wirtschaftlich nutzbar zu machen). Er möchte jedoch gern Folgendes festhalten: Kreativität als solche ist zunächst eine Fähigkeit, die neben schöpferischer Phantasie auch die Aufgabe konventioneller, und die Anwendung ungewöhnlicher Sicht- und Herangehensweisen zum Zwecke der Darstellung oder der Problemlösung umfaßt, wie auch die unkonventionelle Idee, Herangehensweise oder Phantasie an sich. Insofern ist sie zunächst wertfrei, nämlich zur Schaffung von Kunstwerken wie auch zum Basteln von Atombomben gleich geeignet. Wird sie nun als alleiniges positives Kriterium an sich gehandelt, das jede andere Erwägung ausschließt oder irrelevant macht, insofern also auch den Respekt vor dem kreativen Werk Dritter, oder kann sich gar jeder, der nur irgendwas in die Gegend krähen will, das Etikett „kreativ“ anheften und damit der positiven Besetzungen des Begriffs teilhaftig werden, dann kommt eben so was dabei raus. Oder daß man Leni Riefenstahl gut findet. Auch nicht schön, auch weit verbreitet.

Herr Sathom, der damit schließt und sich des darob erleichterten Aufatmens seines von Bandwurmsätzen gepeinigten Publikums gewiß ist, möchte zu guter Letzt noch fragen, weshalb die Werbeleute solchermaßen erzwungenen Eintritt in eine laufende Sendung überhaupt für notwendig halten. Um so mehr, als Studien zufolge die Akzeptanz der Werbung in der Bevölkerung ja angeblich hoch sein soll, wie man gelegentlich hört. Demzufolge müßte man ja das Publikum nicht zwingen, einen Werbespot wahrzunehmen, denn anders als Herr Sathom dürfte es ja dann in der Werbepause nicht wegzappen, den Ton abschalten oder sich anderswohin begeben. Der aufgezwungene Spot ist nach Herrn Sathoms Auffassung ein Armutszeugnis, bedeutet er doch, daß man dem Spot in der Werbepause nicht traut, eingesteht, daß die dortselbst gebotene Reklame das Publikum nicht erreiche oder feßle, daß also das eigene Werk – die Werbung – nicht durch sich selbst ob seiner Qualität wirke, sondern dem ausweichwilligen Betrachter untergejubelt werden muß, so wie auch im Internet durch immer neue Tricks.

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