Wie allsamstäglich frühstückte Herr Sathom so um 13:15 und goutierte dabei die Wiederholung der ausgezeichneten Sendung quer des BR, moderiert von Christoph Süß, doch diesmal wollt’s ihm nicht so recht schmecken: nach der Einspielung eines frauenfeindlichen Bonmots Herrn Silvio Berlusconis, der sich dahingehend einließ, daß seine parteipolitische Modelparade wenigstens nicht so schlecht rieche und angezogen sei wie die im Europaparlament vertretenen „Personen“ anderer Parteien, das Herrn Sathom noch hämisch grinsen ließ über den Staatsmann, erfuhr man nämlich von einem vom US-amerikanischen Sender ABC verbreiteten Foltervideo, in welchem offenbar ein Scheich Issa Bin Said al-Nahjan, Mitglied der Herrscherfamilie Abu Dhabis, einen afghanischen Getreidehändler foltert, weil dieser ihn beschubst haben soll. Dabei wird der Unglückselige nicht nur gepeitscht und mit einem Nagelbrett geschlagen, sondern auch mit einem Geländewagen überfahren, was er immerhin schwerverletzt überlebt. Was das Ganze – das sich bereits 2004 zutrug – aktuell mit Bayern zu tun hat? Nun, selbiger Scheich gönnt sich einen schmucken Zweitwohnsitz in einem bayerischen Wohnflecken auf dem Lande, und interessant ist’s schon, was dessen Einwohner zu dem Tun ihres Gemeindemitglieds, als das sie den exotischen Herrn betrachten und dies auch stolz zum Ausdruck bringen (O-Ton der Bürgermeisterin wie auch einer Gemeinderätin: „Unser Scheich“), zu sagen haben. Man müsse zusammenhalten, meint ein Herr, gerade in sein Auto einsteigend, und sie habe noch keine Bestätigung „von Amts wegen“, daß der Täter wirklich „unser Scheich“ sei, die Bürgermeisterin; „Andere Länder, andere Sitten“, meint ein wackerer Einwohner, und eine ältere Dame findet, auf die erkennbare Identität des Scheichs im Video hingewiesen: „Ja, aber des geht uns nix o“, und etwas später: „Des is doch net unsere Sach, was der da drunten macht, bei ihm daheim.“ Klar, schließlich vergibt der Scheich Bauaufträge; also hängen da auch Arbeitsplätze dran, wie eine Einwohnerin klarstellt (wobei aus dem Interviewausschnitt hier nicht hervorgeht, ob sie dies nicht kritisch oder wenigstens nicht als Rechtfertigung meint, was anhand ihrer Mimik und Gestik durchaus denkbar ist). Ein mehrfach vom Scheich beauftragter Zimmerermeister fühlt sich trotz solchen Geschäftsgebarens jedenfalls sicher: „Also i hob jetz nix zum Befürchten, muß i ganz ehrlich sagn, weil ich hab’n nicht beschissen.“ So ist’s recht, meint Herr Sathom, das ist hierzulande des braven Bürgers Verständnis von Menschrechten und dem ganzen Kram: der soll da irgendwie geschummelt haben, der Getreidehändler, da sind a paar Watschn schon angebracht, denn wer sich nichts zuschulden kommen läßt, dem kann so was ja nicht passieren. Und schlimm is eh net, weil’s war ja net hier, sondern woanders. So sieht’s der gesetzestreue deutsche Bürger, nicht nur der Bayer, nämlich gern: tanzt wer aus der Reihe, gibt’s ein paar auf’s Maul, selbst schuld, man würde ja vielleicht selber gern, aber so kann man nur sich dran freuen, wenn mal einer richtig durchgreift, der nicht wie man selbst sich an Gesetze und Klagewege und so halten muß. Das augenzwinkernde Einverständnis des „kleinen Mannes (und der „kleinen Frau“) auf der Straße“ mit Praktiken, denen man als Bürger eines demokratischen Rechtsstaates eigentlich abhold sein müßte, ist hierzulande ja nichts Neues, das Ignorieren und Beschönigen, selbst wenn man nicht einverstanden sein sollte, auch nicht.
Es geht Herrn Sathom übrigens beileibe nicht darum, ob der genannte Scheich es nun war oder nicht – sondern um die Einstellung, die das Handeln als solches beschönigt oder billigt, es auch verniedlichen oder billigen würde, wär’s ein Brauereibaron von um die Ecke gewesen, und die offenbar immer noch zur Grundausstattung vieler biederer Bürger unserer toleranten und humanen, und gar so aufgeklärten Gesellschaft gehört.
Übertreibt der Herr Sathom, braven Bürgers- und Bauersleuten derlei Einstellung zuzuschreiben, wiewohl er solcherlei Gerede schon des Öfteren vernahm? Flugs schaut er über den Zaun zum Nachbarn Österreich, woselbst er in einem Blog ähnliche Ausbrüche humanistischer Gesinnung findet: „der wird des scho verdient haben“, heißt es da, oder: „Die nehmen es halt noch selber in die Hand“, und ein anderer meint: „ausserdem wer weiss was der angestellt hat“, und versteigt sich zu der Annahme, der Gefolterte könne ja ein Bombenleger sein. An sich egal, irgendwas muß einer, der mißhandelt wird, ja angestellt haben, zumal wenn ein Mächtiger einen Schwachen haut, wer Keile kriegt, hat die auch verdient, so denkt der aufgeklärte, zivilisierte westliche Bürger eben. Und findet’s gut, und deswegen meint Herr Sathom: würde am Ende bei so was wahrscheinlich sogar selbst mitmischen, das wär ja auch nichts Neues. Wie solche Leute sich verhalten würden, wäre die Demokratie ernsthaft in Gefahr und eine Diktatur dräute oder etablierte sich, ist dem Herrn Sathom eine unheilvolle Vorstellung.
Man kann das sicher nicht auf alle Einwohner des betreffenden Örtchens verallgemeinern, äußert sich doch immerhin ein Nachbar kritisch zum Tun des Scheichs (aber siehe da, selbiger und dessen Gäste haben den Nachbarn auch mit ihrem Fahrverhalten erzürnt, das ist natürlich schon wieder was anderes – so benimmt man sich hier nicht, da paßt’s ja, daß der auch anderweitig ein Schubiak ist), und schließlich sind ja nicht alle Ortsansässigen vom Fernsehteam einvernommen worden. Und in demselben österreichischen Blog finden sich, glücklicherweise, auch andere Stimmen, so daß man auch nicht davon ausgehen braucht, alle dächten überall so. Doch daß sich solch eine Einstellung umgekehrt nicht auf Bayern beschränkt, sondern leider noch allzuoft gutbürgerliches Allgemeingut ist, scheint dem Herrn Sathom auch unleugbar.
Übrigens noch zu oben verlinktem Blog: wie die „Diskussion“ auch von Seiten mancher (wiederum: glücklicherweise nicht aller), welche die Folterung mißbilligen, munter weitergeführt wird, ist bei soviel geballter bürgerlich-aufgeklärter Mündigkeit natürlich ebenfalls abzusehen: kommen doch einige zu dem Schluß, daß alles natürlich am Islam läge, und reingefallen auf einen falschen Post eines angeblichen Islamisten, der so offensichtlich ein Fake ist, daß die Scheiben klirren, versteigt man sich flugs zu Äußerungen wie der, daß nicht jeder Moslem Terrorist, aber jeder Terrorist Moslem sei (Häh?!?) und läßt Phantasien über Seuchen, welche alle religiösen Leute ausrotten, folgen (damn, da gab’s doch neulich eine gute Folge von Battlestar Galactica genau zu dem Thema, fällt Herrn Sathom ein, können die hellsehen?). Das ist nun zwar eine andere Form von Hirnerweichung als die zuvor demonstrierte perfide Zustimmung zum menschenverachtenden Verhalten Mächtiger, aber als Meinungsausbruch angeblich zivilisierter Abendländer auch nicht besser.
A propos: die Amis wollen ja von ihren Guantanamo-Häftlingen ein paar loswerden, auch an die Bundesrepublik, diesmal geht’s um einige Uiguren; Innenminister Schäuble meint dazu, die Voraussetzungen dafür seien noch nicht erfüllt, und sein Staatsekretär, ein Herr Hanning, warnt vor einer „potenziellen abstrakten Gefährlichkeit“ der Betreffenden. Sie seien Mitglieder einer Rebellengruppe, die den Westen Chinas in ein Kalifat umwandeln wolle, souffliert Springers Welt, und einer habe zu Protokoll gegeben, in Afghanistan den Umgang mit dem AK 47 – der guten alten Kalaschnikowa – erlernen wollen zu haben. Komisch nur, daß die USA diesbezügliche Verdachtsmomente bereits fallen ließen (was die USA aber nicht daran hindert, dennoch die Einreise zu verweigern). Herr Sathom findet es komisch eigentlich, wie zugleich ein Scheich einen Persilschein ausgestellt bekommt von seinen Mitbürgern. Die einen dürfen alles, die anderen sollen erstmal beweisen, daß sie nicht würden oder haben, oder vielleicht hätten. Ob das was damit zu tun hat, daß die Uiguren nicht säckeweise Petrodollars haben und hier bestimmt keine schicken Residenzen gründen? Daß sie, wie der gefolterte Händler, nur irgendwelche irgendwers sind, die einem wurscht sein können, und keine morgenländischen Eminenzen, in deren Ruhm man sich sonnen könnte?
Nun – Grund für das Zögern könnte da wohl eher sein, daß es sich niemand mit China vermasseln will, denn ratet mal, wer uns gepetzt hat, 7 der Uiguren seien Terroristen? Richtig, die chinesische Regierung, jenes Bollwerk der Menschenrechte. Bestimmt sind die von ihr gelieferten Angaben, denen zufolge es sich um Terroristen handle, korrekt, na dann (siehe dazu, was diese „Beweise“ taugen, hier mehr – es handelt sich, nebenbei bemerkt, um genau jene Behauptungen des Regimes, welche die „Welt“ anscheinend wiederkäut). Aber – was irgendein Uigure in Guantanamo oder sonstwo zu Protokoll gab von wegen Schießen lernen wollen… mag er es etwa unter der Folter „gestanden“ haben? Ach ja, hat Herr Sathom vergessen: solche Angaben hält unser Bundesinnenminister ja für verwertbar.
Außenminister Steinmeier, welcher der Aufnahme der Uiguren Mitte 2008 jedenfalls nicht wohlwollend gegenüberstand, scheint seine Meinung allerdings Ende des Jahres immerhin in Bezug auf Guantanamo-Häftlinge als solche geändert zu haben, wenn auch in recht ambivalenter Weise; ob dies wirklich auch die Uiguren betrifft, konnte Herr Sathom leider nicht feststellen, wiewohl der oben verlinkte Welt-Artikel dies zumindest suggeriert.
Wie auch immer, denkt sich Herr Sathom, eines steht fest: Volkes und Politikers Stimme im demokratischen Rechtsstaat, sie lassen einen sich gruseln.
Gegruselt hab auch ich mich bei dem Welt-Artikel. Von Humanität ist in den Kommentaren dort nicht viel zu sehen.
Ich danke den Herrn Sathom sehr für diesen Blogeintrag.
Herr Sathom dankt seinerseits; es war ihm ein Bedürfnis.
Die Sendung „quer“ (welche momentan allerdings anscheinend sommerpausiert) kann er übrigens jederzeit empfehlen.