:: Gedanken zur aktuellen „Bild“-Werbekampagne

Herr Sathom hatte sich ja bereits zu deren Beginn einmal ereifert über die immer noch laufende Werbekampagne einer gewissen Postille, darin schamlose Gestalten, Prominente genannt, ihre Meinung zu dem Blatte äußern und dies dazu sogar noch kritischerweise tun dürfen sollen (wie „kritisch“ diese Meinungen dann noch sein können, zeigte bisher unter Anderem der reichlich lauwarme Versuch des Herrn Kerner, nicht zu reden von ähnlichem Scheitern Gregor Gysis oder Thomas Gottschalks); damals fragte Herr Sathom, moralinsauer altmodisch wie er ist, wie sie nur können, und sann über mögliche Erklärungen nach.

Gründe für solch schändliche Zusammenarbeit, bei welcher eine Hand die andere wäscht und sich darob erst recht beschmutzt, zeigte ja bereits dereinst der Herr Wallraff in seinem „Aufmacher“ auf, und auch hier findet man Antworten auf diese Frage, noch ergänzt um den Hinweis, daß manche auch aus purer Not mit den Wölfen der Regenbogenpresse heulen müssen (oder zu müssen meinen), so sie nicht das Rückgrat haben, sich gegen an Erpressung grenzende Methoden oder eigenen Interessendruck, gerichtet auf das Bedürfnis nach wohlgesonnener Presse, zu verwahren (was ironischerweise genau das ist, womit die „Bild“ in der aktuellen Werbekampagne auch noch arrogant prahlt, wenn manche ihrer prominenten Propagandisten davon schwadronieren, daß man an dem Blatt eben nicht vorbei käme; denn so sicher ist man sich der eigenen, verhängnisvollen Medienmacht, daß man sie so burschikos wie skrupellos auch noch demonstrativ als Vorzug herauskehrt). Da kann’s schnell passieren, daß wie im Falle einer Frau Sibel Kekilli nach verweigertem Interview das Bildungsblatt einem das Familienleben zu zerstören sucht, oder daß einer Frau Charlotte Roche mit schlechter Presse gedroht wird, so sie nicht Einzelheiten über tragische innerfamiliäre Ereignisse ausplaudert, wie insgesamt hier nachzulesen ist.

Jedoch, nachdem Zeit ins Land gegangen und eine Promimeinung der nächsten gefolgt ist, drängt sich Herrn Sathom eine ganz andere Frage auf. Neulich im Bus (wie Don Martin gesagt hätte), wie schon seit Tagen und Wochen zum wiederholten Male vorbeifahrend an den allüberall ausgehängten Elaboraten einer Frau Schöneberger, eines Herrn Schweiger, eines Pseudo-Goth, Bill Kaulitz geheißen, und eines Herrn Philipp Lahm (welch ein Name für einen Sportler), drängte sich Herrn Sathom ein ungeheuerlicher Verdacht auf.

Sind, so fragte er sich, viele dieser Meinungen einander nicht auf unheimliche Weise ähnlich bezüglich ihres Stils, allzumal ihres seltsam uniformen, aalglatten werbetypisch smarten „Humors“, der aus allen Meinungsäußerungen trieft gleich Eiter aus einer üblen Pustel? Wohnt ihnen nicht fast allen der gleiche, dem Zeitgeist entsprechend gewollt witzige, dabei kokett selbstironische Unterton inne, gepaart mit selbstbewußtem Understatement, das beinahe schon wieder in Angeberei umschlägt, so viel Gleichartiges, als seien sie wohl ausgefeilt worden nach den neuesten Erkenntnissen der Werbepsychologie, ja, klingen sie nicht, als stammten sie alle letztendlich aus einer Hand – als spräche aus ihnen allen derselbe industriell massenproduzierte, pseudo-ironische und auf verschmitzt getrimmte, kesse Sinn für Plastik-Witzigkeit, der einem in der Werbung allerorten begegnet?

Und was für Zufälle: soll Herr Sathom glauben, daß Herr Lahm, der mit leicht süffisanter Selbstironie seiner Aussage, an „Bild“ käme man ebenso wenig vorbei wie an ihm, noch im Nachsatz den Namen eines Konkurrenten hinterher schiebt, der vielleicht doch an ihm vorbeikäme, sich diese feine Pointe selbst ausgedacht hat? Wo der Herr Sathom doch die Eloquenz der Fußballerzunft kennt! Und soll’s Herr Sathom für zufällig erachten, daß Herr Lahm, ebenso wie in einer früheren Anzeige Herr Gottschalk, die Unvermeidlichkeit der „Bild“ betont, so als würde hier ein ganz bestimmtes Thema wiederholt in einer Symphonie unheiliger Kakophonien, auf daß es sich als Naturgesetz verankere im Bewußtsein der Leser? Und letztlich, soll es den Betrachter nicht seltsam dünken, daß Herr Lahm und Frau Schöneberger auf die gleiche niedliche Idee kamen, ihrer Botschaft ein gekritzeltes Emoticon hintanzufügen?

Oder, um auf den genannten Herrn Kaulitz zurückzukommen: sollt’s möglich sein, daß dieser über solch scheinbar verschmitzten, doch letztlich platten Humor, welcher sein Statement auszeichnet, in der Tat verfügt? Zumal jener spaßige Spruch – Herr Sathom wiederholt’s – dem Humor der anderen Meinungsäußerungen in Stil und Tonfall durchaus ähnelt, nämlich dahingehend, daß sie alle wirken, als seien sie von professioneller Hand, gemäß zeitgeist- und werbeüblicher Lustigkeitsklischees, gekünstelt auf Keß konstruiert? Konstruiert von einem oder mehreren, deren Sinn für’s Lustige sich seltsam gleicht, oder wenn nicht ihr Sinn, dann die Mechanismen zur treffsicheren Erzeugung ulkiger Erheiterung, auf die zurückgegriffen wird? Herr Sathom zweifelt; nagend schleicht es sich in sein kleines, naiv den Menschen und an das Gute in ihnen glauben wollendes Herz.

Denn abgesehen von den stilistischen Übereinstimmungen und einer gewissen inhaltlichen Redundanz – Herr Sathom, der es an sich schon schwierig findet, sich vorzustellen, der Herr Schweiger etwa habe sich den ulkigen Jux mit der aus Zeitungsschnipseln zusammengebastelten Meldung über seine frauenbeglückenden Vorzüge selbst ausdenken können, findet’s auch frappant, wie exakt jener Jux dem Image entspricht, welches die Image- und Werbeindustrie allgemein vom Herrn Schweiger zeichnet: dem einer Mischung aus lausbübischem kleinem Jungen und machohaftem Womanizer (der, wie aktuell die Fernsehreklame lehrt, ja sogar von wilden Lederweibern nicht etwa zu dem Zweck entführt wird, ihm zünftig die Lausbüberei auszutreiben und ihn zu entmannen entschärfen vor dem Altar des radikalfeministischen Manifests, sondern um mit ihm zu schmusen, gut rasiert wie er ist).

Und auch die übrigen Meinungsäußerungen entsprechen, findet jedenfalls Herr Sathom, ganz verblüffend dem Image der jeweiligen Welchen, vermittels dessen sie vermarktet werden und sich selbst vermarkten. So auch des Herrn Kaulitz Sprüchlein: wirkt’s nicht durchaus dem Klischee von Tokio Hotel als einer Bande lustiger Rabauken angemessen konstruiert?

Kurzum! Herr Sathom gewann den Eindruck – wobei er sich auch täuschen kann, weshalb er nicht behauptet, daß sein Eindruck stimme, sondern an ihn lediglich andere, an dieses Artikels Ende gestellte Überlegungen anknüpft – daß doch eigenartig uniform die augenzwinkernd-gekünstelte Witzigkeit der Aussagen daherkommt, weniger wirkend wie die humoristische Eloquenz Einzelner, die seltsamerweise eines recht gleichförmigen Humors sich androidenhaft genormt bedienen, als vielmehr wie zusammengebastelt aus Versatzstücken, wie man sie man wohl finden mag im Sprachbaukasten professioneller Sprücheschmiede, die eines ganz bestimmten, branchentypischen „Humors“ (so man dies so nennen will) sich befleißigen. So mag er denn den Gedanken nicht länger von sich schieben, sei auch noch so häßlich die Fratze der Wahrheit, die ihm dann ins Gesicht starre: kann es sein, flüstert ihm eine mephistotelische Stimme leis ins Ohr, daß zumindest einige wenige der zitierten Promis hier gar nicht „ihre“ Meinung zu „Bild“ kund tun, wie’s die Kampagne frech behauptet, zumindest nicht ganz spontan und ohne marketinggeschulte Hilfe, sondern vielmehr nur ihr Konterfei für Aussagen hergeben, welche die veranstaltende Werbeagentur in der Hexenküche ihres neurolinguistischen Versuchslabors aus Imagefetzchen der Stars, versetzt mit unterschwelligen Botschaften über das beworbene Objekt, zusammengebraut hat? Dies zum Zwecke, das übel dampfende Elaborat dann den Teilnehmern als deren eigen eitel Gold in den Mund zu legen? Wär’s das, wär’ diese Karikatur des hehren Strebens der alten Alchemisten, aus der eklen materia prima den Stein der Weisen zu züchten, was den allgemein ähnlich gestylten und sorgsam gedrechselten Stil aller Meinungskundgaben, den branchentypisch kecken Ton derselben erklärt? Erklärt, daß die kund getanen Meinungen bestimmte Inhalte wie den, daß man um die „Bild“ eben nicht herumkäme, in Variationen wiederholen, als wollten sie eine bestimmte Aussage im Bewußtsein der Adressaten der Kampagne als Tatsache installieren? Herr Sathom will es wie gesagt nicht einfach so behaupten, und unterfing darob sich, den Eindruck, der ihn traf, entweder zu plausibilisieren oder zu falsifizieren.

Zum Einen: daß die „Bild“ vermittels der Möglichkeit, sich auch kritisch zu ihr zu äußern, zeigen wolle, daß sie „“mutig und offen” mit kritischen Stimmen umgehe“, kündete zu Beginn der Kampagne per Pressemitteilung des Blattes Werbeleiter; Herr Sathom hört die Hühner lachen, so er’s liest, hat er doch bereits bei seiner ersten Erörterung des Reklamefeldzugs schon gezeigt, was diese mutige Offenheit eigentlich meint: die demonstrative Kundgebung, daß man sich um Kritik nicht zu scheren brauche, sicher wie man im Sattel sitzt, ja, daß selbst Kritik sich für einen nur zum eigenen Frommen wende, dieweil eitle Gefoppte sie einem als Mittel zur Eigenwerbung zur Verfügung stellen. Dennoch, so scheint ihm, klingen gerade die „kritischen“ (soweit sie das zaghaft antäuschen, ohne durchzuziehen) Äußerungen schon immerhin authentisch, authentischer jedenfalls als einige andere. So wie auch des Herrn Udo Lindenberg ganz unkritische Meinungsäußerung – wodurch der Umstand, daß er hier mittat, keineswegs verzeihlicher wird – doch durchaus eines für sich in Anspruch nehmen kann: daran, daß der Sänger immerhin das Bild zu seiner Aussage selber gemalt hat, zweifelt der Herr Sathom zumindest keine Sekunde lang.

Wahrhaftig, Herr Sathom sieht’s zwiespältig: er findet den Stil der meisten Aussagen zu gelackt und professionell, vor Allem jedoch zu sehr unisono einem gewissen  overall feeling der Kampagne ebenso angepaßt wie dem Plastikhumor der ganzen Werbebranche, zweifelt jedoch andererseits bei einigen Statements, eben denen der Herren Lindenberg, Gysi und Kerner, deren Echtheit als eigene Aussagen der Betreffenden nicht an. Die Crux, daran Herr Sathom leidet: Herren wie Gysi oder Kerner hält er durchaus für intelligent genug, ihre Meinungen selbst formuliert zu haben, zumal sie durchaus authentisch klingen; bei anderen Befragten kommt’s ihm komisch vor, daß sie soll’n sein zu solcher Rede fähig, bei der Frau Schöneberger weiß er’s nicht (auch hier kokettiert’s Sprüchlein mit der Dame Image, jedoch scheint sie selbst schlagfertig genug für so gewitzte Auskunft). Bei vielen der Befragten, Intelligenz hin oder her, scheinen Herrn Sathom die Meinungsäußerungen jedoch recht sehr dem üblichen Stil in Rede und Pseudohumor zu entsprechen, dessen die Zunft der Werbeschwindler sich allgemein befleißigt.

Andererseits: die Pressemitteilung des Axel-Springer-Verlages verkündet, die Prominenten hätten allesamt ihre Motive selbst gestaltet und „handschriftlich, originell und beziehungsreich“ mitgeteilt; die „Testimonials“ seien, so die Gesamtwerbeleiterin der „Bild“, „authentisch“ (was immer das heißt, wunderbar dehnbar der Begriff, dazu unten mehr). Auch wurde dem NDR-Medienmagazin Zapp mitgeteilt, daß die Prominenten frei entscheiden konnten, was sie sagen wollen, und es keine Vorgaben gegeben habe, wie hier nachzulesen ist. Das alles muß Herr Sathom als Statement zur Kenntnis nehmen und mangels Gegenbeweis natürlich als zunächst einmal glaubhaft gelten lassen, was er auch tut. Verwunderlich andererseits, daß die Prominenten selbst – ebenso wie Vertreter der „Bild“ – dem Zapp-Team durch die Bank keine Interviews geben wollten; weshalb auch immer, äußern zu seiner Beteiligung (oder sich kritischer Nachfrage aussetzen) möchte man/frau sich jedenfalls nicht. Wie „authentisch“ die Äußerungen Prominenter nebenbei bemerkt allerdings sein können, demonstriert zwar ein Herr Spießer Alfons vortrefflich anläßlich einer  angeblichen Interview-Aussage Blacky Fuchsbergers in der „Bild“, des Herrn Fuchsbergers neues Hörgerät betreffend, in Wahrheit für dieses Reklame schiebend, doch ob Ähnliches im vorliegenden Fall gegeben ist, vermag Herr Sathom nicht zu sagen, ist er doch allein auf seinen subjektiven Eindruck angewiesen, welchem die Aussagen der Macher entgegenstehen. Immerhin eines jedoch weiß er auch: daß die für die Kampagne verantwortliche Werbeagentur Jung / von Matt  keinerlei Skrupel kennt, wie etwa dieses Machwerk zeigt, das vom selben Hause zu verantworten ist, darin ein Hund eine Frau – aber man sehe selbst (und verstehe dabei Herrn Sathom nicht falsch – er ist keineswegs prüde, was ihn an der betreffenden Reklame stört, ist nicht, was den Herrn Spießer Alfons aufregt und pfui baba rufen läßt (wiewohl über  die Frauenfeindlichkeit der Anzeige sich trefflich streiten ließe – Herr Sathom sähe eine solche weniger von der Sache her gegeben als abhängig von der Frage, welchem Publikum die Werbung gilt, doch dies zu erörtern, führte hier zu weit ab). Sondern ihn ärgert vornehmlich, daß die Macher durch sie beweisen, daß ihnen selbst die Abgründe der Dekadenz nicht heilig sind, da sie nicht von sogar deren Verwurstung für schnöde Zwecke absehen; sie zeigen dadurch, daß sie weder die gesellschaftliche Konvention, noch deren Bruch achten, sondern ihnen alles gleichermaßen nur auszuschlachtendes Material für die profansten Zwecke ist, kurzum, daß sie vor nichts zurückschrecken, vielmehr sogar das Abgründige selbst, so wie auch alles andere, mit ihren vulgären, fummeligen Ramschhändlergriffeln besudeln. Ob Beethovens Neunte, ob trivialster Trash – was ihnen in die Finger fällt, verkommt gleich welcher Abkunft zum Instrument erbärmlichster Interessen. Daß sie überhaupt für „Bild“ Werbung machen, findet Herr Sathom viel schlimmer – zwar ist der Werbemensch an sich schon ein ethisch fragwürdiges Individuum, doch zu bewerben, was schon so viel Leid verursacht hat, ist dem Herrn Sathom die Tat allerniedrigster charakterlicher Verworfenheit).

So bleibt Herr Sathom irritiert; manche der Meinungsäußerungen traut er den Betreffenden durchaus zu, und unabweisbar (und vorsorglich vorab) sagen die Macher selbst, alle Äußerungen seien „authentisch“; viele Meinungen jedoch scheinen ihm sprachlich in Duktus, Stil und Ton zu stromlinienförmig gemäß der gängigen Werbemethoden und –klischees geklont, und den Werbefuzzies traut er alles zu, will jedoch nichts unterstellen, was er nicht genau weiß. Immerhin Herr Lindenberg hat sich, er sicher sogar ohne fremde Hilfe, und Herr Schweiger müßte sich zumindest beim Schnippeln richtig Mühe gegeben haben, der eine mehr, der andere weniger, was sogar noch schlimmer ist: Schande über soviel Engagement zu so erbärmlichem Zweck (überhaupt: wenn etwa Herrn Schweigers Anzeige authentisch ist, hat er dann das Foto von sich, mit lausbübischem Gesichtsausdruck, mit dem Selbstauslöser zu Hause geschossen? Respekt vor so viel Einsatz, wär’s nicht zu solch elendem Ende).

Was mag’s also sein, irrt Herr Sathom betreffs dessen, was ihm an Tonfall, Diktion und Inhalt der Meinungsäußerungen uniform und schablonenhaft, und so künstlich wie professionell erscheint? Oder liegt die Wahrheit in der Mitte – sind alle Meinungen „authentisch“ etwa insofern, daß sie in einem wie auch immer vagen Zusammenhang mit ursprünglichen Äußerungen der Prominenten stehen, von diesen gutgeheißen wurden oder im Kern noch auf selbst gemachte Aussagen zurückgehen? Wer die Journaille kennt, weiß ja, daß selbst in Interviews es üblich ist, das Gesagte (nicht immer zur Freude der Interviewten) „sinngemäß zusammenzufassen“, weshalb also sollte ausgerechnet das Werbevolk sich dessen schämen?

Wurden vielleicht die Meinungsäußerungen mancher Promis gemeinsam mit den Profis von der Werbeagentur, sagen wir mal, „überarbeitet“, die weniger Sprachbegabten bei der Formulierung unterstützt, beraten, auf daß ihre Aussagen dem zeitgeisttypischen Reklametonfall entsprechen? Erhielten die Ansichten einiger Teilnehmer lediglich von cleveren Wortfuchsern noch einigen Feinschliff, um dann zwecks Absegnung zurückgereicht zu werden? Schwierig ist es zu ergründen, wo mehr als intuitiver Eindruck fehlt.

Stammen vielleicht auch  die Pamphlete aller Teilnehmer zwar wirklich von ihnen selbst, sind jedoch einige davon keine spontanen und ehrlichen Meinungsäußerungen, sondern setzten die Befragten sich auf den Hosenboden und wurden richtig fleißig, grübelten und schafften, um auch ja was der beworbenen Zeitung Gefälliges abzuliefern, zugleich bestrebt, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen und sich selbst imagegetreu darzustellen? Kurzum, ist die Meinung zwar von ihnen, jedoch eben nicht ihre wahrhaftige – Meinung? Sondern vielmehr nur eine opportunistische Gefälligkeitsäußerung? Griff, wo die Statements heiter mit der Befragten Image spielen, manch einer von ihnen vielleicht auf eigene Imageberater oder andere professionelle Hilfe (wiewohl nicht therapeutische) zurück, um’s auch ja richtig schick zu machen? Auch dies plausibel, aber weiß man’s?

Oder gab’s mehrere Varianten – verhielt es sich bei dem Einen so, beim Anderen so, je nach sprachlichem Vermögen und Intelligenz der Teilnehmer, oder wandte man bei Dritten eine Mixtur der oben genannten Verfahren an? Vielleicht, spekuliert Herr Sathom, rührt das allzu Professionelle der Meinungen, die sie so gar nicht spontan erscheinen lassen, ja sogar daher, daß die zum Wohle von „Bild“ paradierenden Namen und Gesichter selbst schon so abgezockt sind, daß sie glatt Geschliffenes, welches sowohl das beworbene Produkt als auch sie selbst im rechten Licht erscheinen läßt, bereits alleine produzieren können wie Reklameautomaten. So ausgekocht, daß sie selber schon glitschig Werbetaugliches von sich zu geben wissen wie jene Pseudokreativen, die ihren Einfallsreichtum an die üblen Zwecke des Reklamebusiness vergeuden in eitler Verschwendung von Talent.

Herr Sathom vermag’s letztendlich nicht zu entscheiden, was hier vorliegt, und ob seine Wahrnehmung des uniformen Tons vieler der „Bild“-freundlichen Verlautbarungen ihn täusche oder nicht, und da er anders als gewisse Presseorgane nichts behaupten mag, das er nicht weiß, tut er’s auch nicht. Er sagt nur, er schildere hier seinen subjektiven Eindruck, stellt fest, die Macher stellen’s anders dar, und läßt deren Rede von der Authentizität der Meinungen, da nicht empirisch überprüfbar, als für den Augenblick unwiderlegbar gelten. Betont zumal, daß seine Überlegungen betreffs des Zustandekommens jener Meinungen insoweit Spekulation sind, geboren aus dem Versuch, den eigenen Eindruck und die zuwiderlaufende Darstellung der Kampagne und ihrer Macher über’s ockhamsche Rasiermesser zu scheren. Aber auch, daß er an dem Ganzen, rein subjektiv und irrational, schon ausgesprochene Zweifel hegt.

Zumal noch zu beachten ist, daß die regieführende Agentur (auch verantwortlich für die „Du bist Deutschland“-Kampagne unseligen Angedenkens) immerhin dem Credo anhängt, daß die Idee (einer Werbung) das Prinzip des trojanischen Pferdes pflegen solle: daß die offensichtliche Botschaft, welche lustig, provokant oder überraschend vorgetragen wird, gar nicht die eigentliche zu sein habe, sondern daß die wirkliche Message dem Rezipienten unbemerkt, von jenen Mitteln transportiert, von hinten durch die Brust ins Auge einzupflanzen sei. Ist jene Agentur hierin sich treu geblieben auch bei dieser Kampagne, so müßte man fragen, was diese eigentliche, wahre Botschaft sei: denn daß „Bild“ kritiktolerant sei, Prominente ungefiltert ihre Meinung sagen lasse (die, oh Wunder, öfter positiv den kritisch ausfällt), wie es die Pressemitteilung verkündet, wäre dann ja folgerichtig gar nicht, wie behauptet, die wirkliche Botschaft. Sondern diese demonstrative Meinungsfreiheit nur des Odysseus hölzerner Gaul, darin die tatsächlichen Inhalte hausen, die dem Publikum untergejubelt werden (die da heißen könnten: „Bild“ ist was für Leute mit Humor, „Bild“ ist keß, unausweichlich, usw.). Gewiß: auch die Kritiktoleranz und Offenheit selbst, der Mut zur eventuell auch unfreundlichen Meinung, sind Teil der Botschaft; daß die Meinungen selbst aber in jedem Fall „authentisch“ seien, was ja zum Beweis jenes Teils der Botschaft (also des Mutes gegenüber der Kritik) nötig ist, wäre dann des trojanischen Pferdes Fachwerkleib, so wie auch Sprache, Formulierung, Gestus und Habitus, vermittels derer die Meinungen verkündet werden. Denn wenn sich’s Herr Sathom genau überlegt, fragt er sich: wär’s gemäß dieser Trojaner-Ideologie undenkbar, oder nicht vielmehr sogar logisch, daß die Pressemitteilung, welche Motiv und Absicht der Kampagne darlegt, selbst Teil der Kampagne ist? Und da die Werbung üblicherweise die Tatsachen, nun sagen wir, ein wenig interpretiert, wär’s da nicht plausibel, daß eben die Kundgabe der vorgeblichen Absicht der Kampagne selbst ein wenig trojanisch ist? Entweder dem Zweck dient, Werbebotschaften als scheinbar authentische Meinungsäußerungen zu verhökern, oder aber dem, Prominente dazu zu bringen, die Kampagne als vermeintliches Sprachrohr ihrer eigenen Ansichten mißzuverstehen – oder beides, bezüglich mancher Befragter Ersteres, und anderer Letzteres?

Herr Sathom bedenkt all dies, nichts davon als Fakt behauptend, und stellt plötzlich fest: daß, so verblüffend es nach all diesen umfangreichen Erwägungen als Ergebnis nun wirken mag, es sogar auch gleichgültig sei, ob all die Meinungen in welchem Sinne auch immer „echt“ sind oder nicht. Denn Herrn Sathom erkannte etwas Anderes, das aus seiner Beobachtung und seinen Grübeleien sich ergab. Sind es wahrhaftig der Stars und Sternchen ungefilterte Meinungen, die wir hier erfahren, sind andere zwar von ihnen, doch nach erhaltenem Feinschliff seitens der Profis ihnen zurückgesandt zwecks Abfassung in der Betreffenden handschriftlicher Klaue, sind manche ganz und gar gewachsen auf dem Mist eines Reklamedichters? Wurscht ist’s, befand Herr Sathom, denn: die Grenze zwischen Wahrheit und Dichtung ist, so ward ihm klar, dank des Fehlinfotainments und der genormten, auf Stereotypen und Verstärker zurückgreifenden Sprache, mit welchem die Werbebranche die Öffentlichkeit dauerberieselt, ohnehin längst weich wie in Fäulnis übergegangener Camembert, ja, sie ist inexistent geworden, kaum bis gar nicht wahrnehmbar, und nur noch für unentwegte Romantiker wie Herrn Sathom von Belang.

So lautet des Herrn Sathom provokante These: daß selbst dann, wenn alle Meinungsäußerungen, welche die Kampagne verbreitet, in lauterer Wahrheit von der Kernaussage bis zur Ausführung alleiniges Werk der Prominenten wären, diese ein lügnerisches Blendwerk frecher Gleißner sei. Weshalb, gedenkt er auszuführen.

Man nehme zunächst den Inhalt dessen, was von den Werbewichteln generell mit Hilfe Prominenter präsentiert wird. Will man glauben, daß Frau Schöneberger wirklich Nestlé-Produkte so gern (oder überhaupt welche) ißt wie in der Werbung, daß Steffi Graf und Familie wirklich einen italienischen Koch als Kumpel haben, der ihnen, selbst an seinem freien Tag aus dem Schlaf gerissen, jederzeit gern die beworbene Pastasorte serviert, anstatt sie zum Teufel zu jagen, wie ob der gestohl’nen Freizeit sie’s verdienten, glauben, daß X sich wirklich mit diesem Produkt rasiert und Y jene Haarkolorierung präferiert und auch telefonisch ihrer Mutti davon vorschwärmt? Ist’s nicht so, daß man es insgeheim nicht, irgendwie aber doch glaubt in schizoider Weise? Identifiziert man sich trotz besseren Wissens mangels eigener Identität so gern mit einem Produkt oder eben einem Prominenten, daß man, im Bestreben, sich Letzterem anzuähneln, einfach kauft oder gut findet, was dieser gut zu finden, zu verwenden behauptet, und dabei geschickt das Image ins Feld führt, das man für sein authentisches Selbst hält, und das einem so gefällt? Daß man gar die „Bild“ gut findet, weil einem der Humor gefällt, der aus den Anzeigen spricht (und noch einmal betont Herr Sathom, daß ihm zumindest der Humor aller Anzeigen doch recht schablonenhaft produziert und uniform erscheint), und man selbst qua „Bild“-Erwerb teilzuhaben meint an der Elite jener, die über solch kecken Sinn für Spaß verfügen?

Was uns, dem geneigten Publikum, da als „Welt“ vorgegaukelt wird, ist vor Allem Eines: irreal. Wir wissen’s auch, reagieren jedoch oft genug auf das Gaukelspiel, als wüßten wir es nicht; identifizieren uns mit jenen Promis, die uns vortäuschen, diese oder jene Persönlichkeit zu haben, gehen en masse auf Pilgerfahrt, weil ein Hape Kerkeling mal weg war, aber leider wiederkam und über das Erlebte sich erging, kaufen auch artig seinen Selbstfindungsschmöker – und halten die Prominenten eben auch gern für die gewitzten Wortspieler, als welche sie sich uns – oder andere sie uns – in jener schnuckeligen Kampagne präsentieren, und denken, haha, wie lustig, der Schweiger hat Humor, der Kaulitz, der Lahm und die Schöneberger auch, und alle noch denselben, wow, „Bild“ hat wohl auch diesen total geilen Humor wie die, ich geh hin und kauf’ sie. Daß wir selbst dann, wenn alle Befragten in der „Bild“-Kampagne ihre Wortmeldungen wirklich selbst formuliert, mit Schere und Kleister gebastelt und ausgetüftelt haben, keinesfalls ihre wirklich persönliche, private Meinung (und schon gar keine objektiven Fakten) über das Moritatenblatt erfahren, kommt uns kaum in den Sinn; daß Prominentenmeinung an sich noch keine qualitativ hochwertige Aussage ist, und daß sie der Selbstdarstellung des Blattes dient, welches im Übrigen drauf pfeift, was die – vielleicht sogar „Kritisches“ – erzählen, ebenso wenig.

Denn Authentizität ist etwas, das vorgetäuscht wird von der Werbebranche; man kennt die Stereotypen und Klischees, nach welchen das Publikum die Echtheit einer Sache beurteilt, hat sogar selbst sie installiert, und kann auf sie zurückgreifen, um den Anschein des Authentischen zu wecken: das Image eines Herrn Schweiger, einer Frau Schöneberger, eines jedweden der Teilnehmer ist lang schon etabliert, bei Einigen sogar von der „Bild“ selbst, und gebärden sie sich in einer Anzeige wie demzufolge von ihnen erwartet, schwupp: wirken sie authentisch. Ob da nun Dritte diese Authentizität hingedrechselt haben, oder ob die Befragten selbst, genau wissend, was man von ihnen erwartet, sich so geben, ändert an der Unechtheit der Sache nichts. Was jeweils der Fall ist, kann anhand sonst demonstrierter Intelligenz und Eloquenz der Betreffenden nur gemutmaßt werden.

Ironischerweise hat sich ja in der Kulturanthropologie die (nicht ganz unrichtige) Auffassung breitgemacht, Authentizität sei nichts als eben ein Schwindel (s. u.); ein Anschein von Echtheit, der dadurch erzeugt wird, daß Gegenstände oder Personen so präsentiert werden, wie die Betrachter es anhand bereits vorhandener Denkstereotypen von ihnen erwarten. Meinungen Prominenter, die so geäußert werden, daß es dem vorinstallierten Image der Betreffenden sowie dem Bild des Prominenten allgemein entspricht, wären demzufolge gerade dann „authentisch“, würden jedenfalls so wahrgenommen, wenn sie geschickt auf Klischees zurückgreifen und bestimmte, erwartete Eigenschaften wie locker-flockigen Humor etc. vortäuschen. So gesehen könnte – und hierin liegt die Ironie – die Pressemitteilung zur Kampagne behaupten, die Aussagen seien „authentisch“, ohne dabei zu schwindeln, selbst wenn diese absichtsvoll am Reißbrett kreiert wurden (und Herr Sathom wiederholt: ob von den Prominenten selbst oder von eilfertigen Heinzelmännchen, macht dabei keinen Unterschied).

Was die Sprache nun betrifft, vielleicht ist’s das, was Herrn Sathom so irritierte, ihn schwanken ließ, ob jene Meinungen wahrhaftig die der Prominenten seien oder nicht, und ob die lustig-muntere Sprache dies verriete; und zugleich auch das, was ihn wiederum die Seltsamkeit des sprachlichen Stils der „Bild“-Kampagne so spät bemerken ließ: man ist eben nicht nur längst auf der inhaltlichen Ebene gewöhnt, daß einem Prominente wie auch Werbespot-Nobodies alles Mögliche erzählen, das man eh nicht glaubt und davon weiß, daß es erfunden ist, und das doch ihre eigene Meinung oder Erfahrung sein soll, nein, es klingt auch alles immer gleich – so durchgestylt wie eben auch viele der Meinungsäußerungen zur „Bild“. Denn diese Sprache, selbstidentisch in Duktus, Tonfall, Stereotypen und Humorersatzstoffen, ist längst so allgemein geworden, daß sie nicht mehr auffällt ob ihrer durchkonstruierten Künstlichkeit, daß sie echte Information und Kommunikation zwar nicht ist, aber von dieser, die ohnehin selten geworden, nicht mehr zu unterscheiden ist dank der Gewöhnung, die ihre Omnipräsenz mit sich bringt. So geschickt heuchelt sie Humor, Hintersinn, Verschmitztheit, jederlei sonstige Charaktereigenschaft, immer drauf geeicht, diese Eigenschaften an ein Produkt zu koppeln, daß der vorgetäuschte vom gefaketen Eindruck des Sprechenden nicht mehr zu scheiden ist, und für Habitus, Mimik und Körpersprache der Redenden, Schreibenden oder durch den Werbspot Tanzenden gilt dasselbe (um noch einmal auf den lausbübisch guckenden Herrn Schweiger zurückzukommen). So daß die Botschaft ins Gehirn sickert, dieweil mit Aussagen, die ein Gegengewicht in der Realität haben, sie verwechselt wird. Weil von Kindesbeinen an wir drauf dressiert sind, auf Trigger zu reagieren, welche Spaß, Keßheit, Spontaneität und anderen gefälschten Tand signalisieren, darin gleich des Herrn Pawlow Hunden, die zu sabbern begannen, sobald das Glöcklein schellte. Weil der reale Hintergrund des Gesagten zurücksteht in seiner Bedeutung hinter unserer Reaktion auf suggerierte Gefühle, Authentizität, Urteil und Humor derjenigen, welche uns diesen oder jenen Scheiß ans Herz legen, und mit denen wir vermittels Erwerb des jeweiligen Krams uns gemein zu machen trachten.

Also: die Aufhebung der Grenze zwischen Trug und Schein betrifft auch die Sprache selbst; denn irgendwie klingt jeder Reklametext gleich, greift zurück auf die selben Mechanismen, und es fällt nicht mehr auf, daß der kesse Spruch aus der „Bild“-Kampagne den selben Mustern folgt wie jede blöde Saufen-macht-sexy-Werbung in der Glotze. Und wenn es auffällt, so what – kann man wissen, ob die Meinung zu „Bild“ deswegen aus dem Sprüchebaukasten eines Reklameschmierfinken stammt, oder ob der Befragte wirklich selbst spricht, sich aber intuitiv oder bewußt bereits perfekt den Mustern jener Sprache anpaßt? Ob sie den öffentlichen Ikonen in den Mund gelegt wurde, oder ob diese selbst die mediale Plastiksprache schon so perfekt beherrschen, daß sie sich wirklich dergestalt zu äußern vermögen (sofern man von Vermögen sprechen will und nicht von Verarmung)? Denn schließlich: die Werbesprache verhökert Gelogenes als Authentisches, indem sie auf per Imagepflege bereits installierte Klischees zurückgreift, welche das Publikum als Ausweis für Authentizität erwartet; und was sind Prominente, wenn nicht letzten Endes Selbstverhökerungsprofis?

Somit ist das Eigentliche, wird Herrn Sathom klar: daß es nicht einmal mehr eine Rolle spielt, ob die Meinungsäußerungen zu „Bild“ tatsächlich der Prominenten eigene Formulierungen sind, weil dies sie keinen Deut glaubwürdiger machen würde. Denn die Aussagen sind – außer möglicherweise im Falle Einiger, die drauf reinfielen und Gelegenheit zur Kritik sahen, oder sich ob der Frage nach ihrer Meinung geschmeichelt fühlten – ja doch nur Lobhudelei für „Bild“, gepaart mit Selbstpromotion, entstanden eben gemäß jenem erwähnten Motto, daß eine Hand die andere wasche, und daß hier eine Gelegenheit dazu sei. Sind geplant-gezieltes Marketing selbst dann, wenn sie denn von den Betreffenden ganz allein, ohne jegliche Hilfe, erfunden wurden – denn mal ehrlich, Leute: daß Prominente, gewohnt, sich zu repräsentieren, öffentlich im Rahmen einer Werbekampagne (einer WERBE-Kampagne, folks) ihre authentische Privatmeinung preisgeben, das zu glauben verlangt doch einige Naivität; und wenn sie es hier in Einzelfällen doch tun, wieviel perverser noch, dieses Eigene in den Dienst solch eines Blattes zu stellen, von welchem Mangel an Verantwortungsgefühl, Bewußtheit oder Selbstachtung zeugte dies.

Ganz gleich, was eine professionellere Analyse der Sprache und der Stilmittel jener Kampagne, als Herr Sathom sie zu leisten vermag, erbrächte – ob die Prominenten ihre Meinungen selbst und ganz allein verfaßten oder nicht, spielt aus genannten Gründen höchstens eine marginale Rolle. Wir Rezipienten werden tagein, tagaus mit soviel vorgefilterter, manipulierter, die Fakten an beliebige Interessen anpassender Fehlinformation bombardiert, daß wir längst gewöhnt sind an „Informationen“, „Meinungen“, „Fakten“ und „bewiesen durch klinische Studien“, die allesamt in Wirklichkeit überhaupt nichts aussagen über die Sache, der zu gelten sie vorgeben; und ebenso wie jene Werbeaussagen ist auch die, man habe es hier mit authentischen Meinungen zu tun, denen „Bild“ sich tapfer stelle, schlicht unüberprüfbar für das Publikum; die Behauptung gerade deswegen aber per se als Information wertlos. Und auf der sprachlichen Ebene sind wir an die glattpolierte Sprache rhetorisch versierter Kommunikationstrickser so gewöhnt, daß wir uns an ihr nicht mehr stoßen, ihre verlogene Zweckhaftigkeit nicht mehr als merkwürdig empfinden – wiewohl wir es sollten, egal, ob jene Sprache den befragten Prominenten oder anderen Leuten aus der Feder quoll. Denn der Schwindel liegt in Sprache und Präsentation, nicht in der Frage, ob wirklich die Befragten selbst, oder professionelle Dritte sprechen. Wobei es sogar unwesentlich wird, ob die Prominenten bewußt und geplant ihrem Image entsprechend reden und dabei Lob der Zeitung hudeln, oder rein intuitiv und reflexartig gemäß der Maske, der sie sich mimetisch angeglichen, sobald sie an die Öffentlichkeit sich wenden; sich imagekonform darzustellen und zugleich gut zu positionieren dem mächtigen Meinungsblatte gegenüber, ist so oder so ihr Begehr.

Kurzum – ob die Meinungen zu „Bild“ wahrhaftig die der Befragten seien oder nicht, spielte eine Rolle, wenn dies einen Unterschied machte betreffs der Frage, ob hier die Adressaten der Kampagne manipuliert werden sollen oder nicht; und eben dieser Unterschied ist nicht gegeben. Wären aber all jene Adressaten aufgeklärter und weniger von Medienidolen abhängig in ihrer Meinungsbildung, dann wären der Prominenten authentische Meinungen für die eigene Wahrnehmung der „Bild“ ebenso irrelevant wie manipulierte Aussagen, die Kampagne also sinnlos – ein schöner Traum.

P.S.: angesichts des hier viel strapazierten Begriffs der Authentizität will Herr Sathom nicht in die Gefilde der komplexen Diskussion des Terminus abschweifen, von welcher man sich etwa in diesem PDF, einer kulturanthropologischen Untersuchung anläßlich der Enttarnung eines YouTube-Fakes, einen Eindruck verschaffen kann. Wiewohl er jene Diskussion unbedingt erhellend, in Teilen jedoch auch insofern unreflektiert findet, als sie die Produktion vermeintlicher Echtheit qua Inszenierung in Anlehnung an stereotype Erwartungen der Rezipienten zwar beschreibt, jedoch die dazu verwandten dramaturgischen Aufbereitungsprozesse eher als unabdingbar akzeptiert denn hinterfragt, oder sie zur kritischen Diskussion ihrer gesellschaftlichen Bedingungen und Funktionen nutzt, muß Herr Sathom dennoch dem zuvor Gesagten ergänzend hinzufügen: ist Authentizität Ergebnis einer dramaturgischen Inszenierung, wie die Theorie es will, dann sind alle Äußerungen der Prominenten, die ihrem vom Publikum erwarteten, bereits installierten Image entsprechen, tatsächlich so gesehen authentisch, diese Klassifizierung ihrer Testimonials also sogar ohne Bewußtsein des Publikums von diesen Mechanismen der Theorie gemäß zutreffend, ganz gleich, ob die Prominenten wirklich ihre eigene Meinung zu „Bild“ sagen oder nur eine gefällige Äußerung gebastelt haben, um sich mit dem Fragesteller gut zu stellen, und nebenbei sich selbst zu produzieren. Sogar von Dritten dem Gesichtspunkt mutmaßlicher Publikumserwartungen zusammengebraute Elaborate wären dann „authentisch“. Doch läge dann eine Täuschung zwar nicht in der Sache, jedoch bereits im Prozeß der Begriffsbildung vor: denn wenn manche Kulturanthropologen die Aushandlung dessen, was Rezipienten als authentisch akzeptieren, als Vertragsschluß bezeichnen, dann täuscht diese Begriffswahl eine bewußte Zustimmung der Rezipienten zu diesen Mechanismen vor und entzieht die Manipulation von deren Empfinden damit der rationalen Kritik. Es wäre dann also der zugrundeliegende Begriff von Authentizität, der einer Kritik unterzogen werden – oder um die Erkenntnis, daß Authentizität immer Schein und kritikbedürftig sei, ergänzt – müßte. Die Vertragsanalogie selbst jedenfalls ist, so meint Herr Sathom, ihrerseits schon euphemistischer Trug.

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