Es scheint, daß der Sender arte die bereits vor längerer Zeit schon einmal angekündigte, damals aus unklaren – einigen Quellen zufolge rechtlichen, jedoch nicht näher benannten – Gründen nicht gesendete Dokumentation Christopher Lee – Gentleman des Grauens nun doch ausstrahlt – passend zu Halloween am Sonntag, dem 31.10.2010 um 21:40 Uhr.
Der Titel könnte nicht besser gewählt sein – ist Lee, zusammen mit Peter Cushing und Vincent Price einst einer der dunklen Prinzen des B-Films (wobei Cushing sehr viel häufiger auch den grimmig entschlossenen, furchtlosen Widerpart der dunklen Mächte geben durfte) doch der letzte lebende Repräsentant einer Spezies Schauspieler, die man mit Fug und Recht als Gentlemen im besten, durchaus positiven Sinne bezeichnen konnte. So wie Cushing auf der Leinwand allein durch bloße Präsenz beeindruckend, charismatisch, dabei im realen Leben (soweit dokumentiert und z.B. in Interviews wahrnehmbar) überaus liebenswürdig, humorvoll, durch britisches Understatement ebenso gekennzeichnet wie durch gute Manieren alteuropäischer Schule, die an diesem Manne deswegen lobenswert, weil keineswegs nur Manierismen, sondern vielmehr Charakterzug und -stärke sind, ist Lee eine sympathische Ikone des populären Films, der man das späte Comeback der letzten Jahre einfach nur gönnen kann. Wie seinen Mitstreitern gelang es ihm in jungen Jahren, selbst den billigsten Trash-Film noch zu veredeln, während er als Darsteller im „großen Kino“ (wo in Lucas’ Star Wars einst auch schon Cushing und ein anderer Gentleman des Films, wenn auch nicht des unheimlichen, nämlich Sir Alec Guinness, zu so wohlverdienter Ehre kamen) keinen Vergleich zu scheuen braucht.
Eingebettet ist das Ganze übrigens in eine Verfilmung des Hundes von Baskerville, dem es um 20:15 Uhr ans Nietenhalsband geht, wobei neben Herrn Lee auch Herr Cushing (als Shockin’ Sherlock Holmes himself) zu bewundern ist, und die nachfolgende Dokumentation Monsterland (22:40 Uhr), die Herr Sathom schon einmal gesehen hat und sie, soweit er sich ihrer erinnert, mit gewissen Einschränkungen empfehlen kann. (für die Zeitangaben übernimmt Herr Sathom keine Gewähr; dem aktuellen arte-Text zufolge treffen sie zu, verstehen sich allerdings natürlich vorbehaltlich kurzfristiger Programmänderungen). Und da arte meist alles mehrfach wiederholt und es zudem die wunderbaren modernen Aufzeichnungstechnologien gibt, braucht all dies auch nicht zu verpassen, wer am kommenden WE tüchtig Halloween-Party macht. Übrigens: Auf 3sat kann man ab Mitternacht direkt im Anschluß an das arte-Tryptichon Vincent Price in Der grauenvolle Mr. X (schon bei diesem Titel bleibt kein Auge trocken) bewundern.
Wer übrigens meint, Herr Sathom habe in seiner Aufzählung der Gentlemen oder der Charismatiker den einen oder anderen vergessen, sei getrost: nicht vergessen hat Herr Sathom etwa den großartigen Boris Karloff, den man im wahren Leben sicherlich auch als Gentleman und zudem als häufig unterschätzten (weil mit einigen fulminanten Ausnahmen in die Dauerrolle des klotzfüßigen Monsters gebannten), von ausgeprägtem Berufsethos durchdrungenen Darsteller betrachten darf, oder auf Seiten der durch große Ausstrahlung präsenten Helden des B-Films etwa den unvergleichlichen Lee „The Face“ Van Cleef. Während letzterer jedoch den Colt schwang und nicht das Grimoire, dieweil hier ja von den Heroen des Unheimlichen die Rede war, würde Herr Sathom Herrn Karloff als Vertreter eines noch einmal anderen Typus betrachten – weniger als zur Abwechslung einmal im positiven Sinne wohltuend abendländischen gentilhomme, sondern eher als dessen bodenständige, weit bürgerlichere, jedoch durch ähnliche Vorzüge (etwa den der Bescheidenheit) ausgezeichnete Variante. Dies bedeutet durchaus nicht weniger – im Falle Herrn Karloffs unter anderem auch, daß das Bürgerliche, hier in seiner amerikanischen Variante mit Migrations- und gelungenem Integrationshintergrund, nicht immer schlecht sein muß (nämlich dann, wenn es wie oben das distinguierte keine bigotte Maskerade, sondern „echt“ ist) – allein Herr Sathom wollte ihm hier entsprechende Gerechtigkeit widerfahren lassen und das, was ihn auszeichnete, nicht plump und oberflächlich mit den Vorzügen der anderen Erwähnten in denselben Zauberkessel werfen. Und ebenso wenig vergessen hat Herr Sathom den unglücklichen Bela Lugosi, dem er bereits früheren Zeitpunktes einen Artikel widmete, der jedoch wiederum eine tragische Figur ganz eigener Art darstellt.
Fest steht – es gibt noch einige echte Charakterköpfe aus der guten alten Zeit, so den putzmunteren, ganz und gar ungentlemanhaften (und darin wiederum auf seine Art wohltuenden) Franco „Django“ Nero, den ebenfalls enorm sympathischen Clint Eastwood (und um die ernsthaft-seriösen Cineasten endgültig zu schockieren, nimmt Herr Sathom einfach noch den lausbübischen Mario „Terence Hill“ Girotti, seinen Buddy Spencer und den unerreichten Tomás Milián mit in die Liste auf), doch im Genre des Unheimlichen wie auch im Film allgemein sind sie alle bis auf Herrn Lee und ggf. noch Herrn Sean Connery (und als Faces noch Donald Sutherland und Jeff Goldblum, über die Herr Sathom jenseits ihrer Filmrollen aber nichts weiß) dahin: die Großen des Trash-Movies, die Erstklassigen auch des Zweitklassigen, vor Allem aber die echten Charaktere, die Persönlichkeiten in einem Heer gesichtsloser Ramschprotagonisten, die selbst in einer Branche, darin dies immer schon kaum möglich war, sich etwas eigenständiges bewahrt haben – und die Gentlemen im klassischen wie im übertragenen Sinne (ein Überlebender im weiteren Feld der Populärkultur vielleicht noch Patrick Macnee). Mit ihnen endet ein Zeitalter – wenn sie zuletzt auch noch schwinden, wird der Stab übergeben, die Epoche der Individuen endgültig abgelöst sein durch die der gesichtslosen, trendkonformen, produktmarketingtechnisch den einprogrammierten Idealen eines den kleinsten gemeinsamen Nenner teilenden Publikums angepaßten Darstellungsandroiden.
P.S.: Ebenfalls nicht vergessen hat Herr Sathom die grandes actrices – sie bleiben nur darum unerwähnt, weil’s hier um Gentlemen ging. Vielleicht schreibt Herr Sathom aber Gelegenheit noch etwas über sie.
„Darstellungsandroid“… köstlich 🙂
Na stimmt doch *g*
Btw. muß Herr Sathom sich unbedingt dieses Rhapsody-Teil mit des Zauberers Traum besorgen. Mr. Lees Stimme war wirklich – im positiven Sinne – gänsehauttauglich. Zwar scheint er immer schon über Talent zum Singen verfügt zu haben (in dem nur kurz als Plakat sichtbaren, parodistischen Superhelden-Musical „Captain Invincible“ sang er ebenfalls), doch bedenkt man, daß er dies nie professionell betrieben hat und diese Heavy Metal-Ballade in einem Alter einsang, in dem andere schon nach Luft ringen, kaum daß sie die Zeitung aus dem Briefkasten geholt haben, muß Herr Sathom sagen: Respekt, und zwar nicht nur angesichts der Tat an sich, sondern auch bezüglich des Könnens. Einfach mehr als beeindruckend, der Mann.