Herr Sathom hat jetzt monatelang nichts von sich hören lassen, da er beruflich so eingebunden war, daß ihm für nichts anderes mehr Zeit blieb; kaum aus den Augen gucken konnte er, der Herr Sathom. Er hat fast ein wenig Selbstmitleid (man sage ihm nichts gegen das Selbstmitleid: heißt es doch, daß man selbst zu erledigen imstande ist, wobei die Umwelt kläglich versagt).
Dabei ist gerade letztens ja so Einiges passiert, das man hätte kommentieren können, sollen, müssen. In der arabischen Welt ist ganz schön was los, hei, da wird auf die Straße gegangen, sich mit Despoten angelegt und für Demokratie gekämpft; Herr Sathom gratuliert den Ägyptern (vorerst, mal sehen, wie’s weitergeht mit diesen Muslimbrüdern da) und hält allen anderen wackeren Revolutionären die Daumen, etwa den Libyern – denen man angesichts der aktuellen Lage auch die Daumen drücken muß (übrigens Libyer: Herr Sathom fragt sich doch, wann bundesdeutschen Nachrichtensprechern, Kommentatoren und sonstigen Journalisten endlich mal auffallen wird, daß das verdammte Land L*i*byen heißt (mit dem i vor dem y, dammich) und nicht L*y*bien (oder „Lübjen“, wie es allenthalben aus der Glotze klingt). Was ist eigentlich mit Euch los, Leute? Die österreichischen Kollegen kriegen’s doch auch hin, und es ist ja nicht so, daß das Teil erst seit gestern auf der Landkarte prangt und da auch so geschrieben steht).
Mehr als gedrückte Daumen und gute Worte haben sie wohl derzeit auch kaum zu erwarten. Es wäre wohl obsolet, wollte Herr Sathom nach unzähligen Anderen einmal mehr darauf hinweisen, daß der demokratische Westen jedwedem Diktator den Arsch küßt, so lang es dem eigenen ökonomischen oder politischen Nutzen zu frommen scheint. Um etwa auf Ägypten zurückzukommen – sogar davon, den Herrn Mubarak (vom Herrn Westerwelle vor noch nicht allzu langer Zeit „weise“ geheißen) in Deutschland aufzunehmen, war noch letzthin die Rede. Was Herrn Sathom doch zu der ganz sachlichen Frage veranlaßt: LOCH IM KOPP?
Nein wirklich; wenn man’s schon mit den eigenen Idealen und Werten nicht so ernst nimmt, sollte man doch wenigstens gelernt haben, daß man sich mit derlei selbst ins Knie schießt. Im Iran hat der Westen vergangenes Jahrhundert jahrelang den Schah dabei unterstützt, die säkulare Opposition quasi physisch auszurotten; erst in das so entstandene Vakuum konnte der Ayatollah aller Ayatollahs stoßen, die Unzufriedenen, jedoch politisch weniger Aufgeweckten hinter seinem Banner scharen und so den Grundstein zur Mullahkratie legen, über die sich dann auch wieder alle aufregten. Und so weiter und so fort.
Dann will man aber gern, daß sich hiesige Migranten die westlichen Werte aneignen und auch die Völker des nahen und mittleren Ostens sie schätzen mögen – nachdem man ihnen immerzu wieder aufs Schönste beweist, wie ernst man’s selbst damit nimmt. Macht einen auch vor den Eingeborenen im eigenen Land – ob mit oder ohne Migrationshintergrund – unsagbar glaubwürdig. Was soll man den Politikern da noch anderes sagen als: Zieht doch mal den Kopf aus dem Klo, Folks. Bekommt Ihr immer noch nicht genug Geld, um wenigstens eine einzige Gehirnzelle anzuschmeißen?
Vielleicht kommt Ihr aber auch einfach nicht von alten Traditionen los: immerhin fand man bundesrepublikanischerseits im erwähnten vergangenen Jahrhundert auch die spanische Faschodiktatur geil, so lang sie währte und halt bloß in der NATO war. Und was Kehren im eigenen Haus angeht, macht die EU ja auch keine wirklichen Anstalten, dem Herrn Berlusconi mal das Eine oder Andere zu seinen Regierungsmethoden zu sagen – und wer weiß, schicken Neoliberalen gefällt’s vielleicht sogar ganz gut, wie sich da ein gewiefter Geschäftsmann dank Medienimperium eine Demokratie als persönlichen Selbstbedienungsladen unter den Nagel gerissen hat.
Inwieweit europäischen Politikern – zumindest einigen – die Demokratie als Ideal und Prinzip des bürgerlichen Staates eh mehr bedeutet als irgendeinem Kaiser Ming (außer, daß sie sie vielleicht für einen opportunen Trick halten, der weniger Radau macht als Panzer), darüber will Herr Sathom mal lieber gar nicht spekulieren.
Tatsächlich kann sich Herr Sathom – um mal wieder nach Deutschland zurückzukehren – des Eindrucks nicht erwehren, daß den hiesigen Politicos (und das dürfte auch auf ihre Lobbykumpels zutreffen) eher unwohl zumute ist bei dem Gedanken, daß die örtlichen Diktaturen ins Wanken geraten und sich gleich Dominosteinen gegenseitig über den Haufen zu schmeißen beginnen – da wollen einem unterstützende Floskeln halt nicht so vollmundig von den Lippen gehen, wie man manchen derzeitigen Verlautbarungen anmerkt. Ist aber auch unschön: bereits jetzt steigt der Ölpreis, die Börse schmollt, und unsere Knarren will zumindest für eine Übergangszeit vielleicht auch keiner mehr kaufen, um sie auf die eigene Bevölkerung zu richten. Eben scheiße, wenn der Pöbel da unten unser Freiheitsgeschwafel auf einmal ernst nimmt – wie war’s bei uns doch ehedem mit Diktatoren so bequem, den Heinzelmännchen des globalen Monetenmachens.
Na anyway. Herr Sathom is back und hofft, er kann demnächst wieder öfter von sich hören lassen; er hat ja auch einiges auf dem Einkaufszettel, zum Beispiel die immer wieder aus Zeitgründen verschobene Fortsetzung seiner Verschwörungstheorien-Serie (das wird nie was) und so weiter. Seufz.