:: Das Guttenberg-Syndrom

Es ist schon ein eigen Ding mit der momentan Affäre um unseren Herrn Verteidigungsminister und seine Doktorarbeit, und so kann auch Herr Sathom nicht umhin –  obwohl ihm da in den letzten Tagen und Wochen schon unzählige zuvor gekommen sind –  auch noch seinen Senf zu der Geschichte zu geben.

Das Eigene daran ist dabei weniger das Verhalten des nunmehr seines Titels enthobenen Herrn zu Guttenberg selbst, der darin sicher keinen Einzelfall darstellt, sondern die Reaktion des Publikums, dessen Eselei Herrn Sathom recht typisch zu sein scheint für eine deutsche Eigenschaft (aber, beeilt sich Herr Sathom hinzuzufügen, vielleicht auch keine ausschließlich deutsche), die als Nationalcharakter oder Mentalität zu bezeichnen Herr Sathom sich ziert, da ihm beide Begriffe historisch belastet scheinen, und für die er die Bezeichnung Geisteszustand für zu entschuldigend hält, weshalb er lieber mal von einem auf den Hund gekommenem Verhältnis zu Ehrlichkeit und Moral spricht.

Trotzdem Herrn von und zu Guttenberg sein Doktortitel entzogen wurde, und trotz seines vorherigen salamitaktischen Lavierens weist das ZDF-Politbarometer aus, daß er nach wie vor als „wichtigster“ (whatever this means) Politiker rangiert, daß 69% der Befragten die Affäre als „weniger wichtig“ betrachten und 75% meinen, der Minister solle nicht zurücktreten; für glaubwürdig halten ihn immer noch 55%, und 60% halten ihn weiterhin für „höchste Ämter“ für geeignet (Quelle: ZDF-Politbarometer, Videotext S. 166 – 167, am 27.02.2001; die Werte sowie die Fragestellungen selbst können sich bei weiteren Erhebungen natürlich ändern. Hierzu als Quelle auch die Onlineveröffentlichung des ZDF-Politbarometers vom 25.02.2011).

Interessant hierbei der Vergleich der Zahlen: 75% der Befragten sind also der Auffassung, der Minister solle sein Amt behalten, obwohl nur 55% der Angehörigen desselben Personenkreises ihn für glaubwürdig, und 60% – immer noch weniger als 75% – ihn überhaupt für geeignet halten. Das allerdings muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: ob der Mann glaubwürdig ist, ja ob er überhaupt für einen so verantwortungsvollen Posten taugt, scheint für 15-20% der Vernommenen gar keine Rolle zu spielen hinsichtlich der Frage, ob er ihn weiter innehaben soll. Mal angenommen, die Befragten wissen, was sie reden, und die Auswerter haben keinen Quatsch verzapft, dann haben wir hier einen ersten Hinweis auf das Phänomen, das Herrn Sathom eigentlich interessiert – nämlich, daß das geneigte Publikum offenbar zumindest teilweise bereit ist, zu akzeptieren, daß hochdotierte und hochgradig verantwortungsvolle Führungspositionen mit irgendwelchen Herr- und Damenschaften besetzt sind, die den hohen – auch ethischen – Anforderungen solcher Ämter keineswegs gerecht werden, ja, daß man solches Personal sogar noch hochsympathisch findet. Häh?

Bevor Herr Sathom dieser Spur nachgeht, jedoch eines, woran ihm liegt: die Reden, die den Herrn G. in Schutz nehmen, seine Verfehlung als wenig ernst zu nehmenden Kavaliersdelikt abtun, oder drauf verweisen (sicher nicht immer zu Unrecht), daß wohl noch so einige andere, womöglich unter seinen Kritikern gar, ähnliches auf dem Kerbholz haben könnten (dies allerdings eine Exkulpation qua Unterstellung, etwa so, als sage man einem über Diebstahl sich beschwerenden, er solle sich nicht so anstellen, weil man ja nicht wisse, ob er nicht irgendwann selbst mal was habe mitgehen lassen), sind ein Schlag ins Gesicht all jener Studenten und Studentinnen, Doktoranden und Doktorandinnen, die tatsächlich im Schweiße ihre Angesichts, oft unter widrigsten wirtschaftlichen Bedingungen und erheblicher Belastung, ihre Studienabschluß- oder Doktorarbeiten ehrlich und in harter Arbeit erstellen, und denen jedes Prüfungsamt wegen winziger Formfehler die Ohren langziehen würde.

Wer sagt, daß man Herrn Guttenbergs Mogelei, ja selbst gar ein wirkliches, hier aber angesichts der Menge des nicht als Zitat ausgewiesenen Materials kaum vorstellbares Versehen (für das andere gehängt würden) doch durchgehen lassen sollte, höhnt also all jener, die tatsächlich in harter Fron ihre Titel erwerben – verhöhnt eigentlich sogar bereits jeden Grundschüler, der in unserem leistungsdrucktechnisch martialisch gewordenen Schulsystem notentechnisch was auf die Pfoten bekäme, sollte man ihn beim Spicken erwischen. Daß hier bezüglich mancher Personen mit zweierlei Maß gemessen wird, daß, wer einmal als Angehöriger der „Leistungselite“ verortet wurde, offenbar einen gesellschaftlichen Freibrief hat, paßt aber zu dem, was Herr Sathom noch zu sagen haben wird.

Jedenfalls zieht das „Argument“, daß andere womöglich auch, und wer weiß, und überhaupt: so  kann sich denn auch Frau Gina Wild positiver Zustimmung gewiß sein, wenn sie in einer Talkshow zu des Ministers Verteidigung die derlei Verhalten als aufgrund seiner angeblichen Normalität harmlos darstellende Frage aufwirft, wer denn keinen – Zitat – „Dreck am Stecken“ habe (siehe u.a. hier; die freudianischen Implikationen dieser Formulierung sind übrigens dergestalt, daß Herr Sathom vor Freude Kabolz schlagen möchte. Anyway – daß man Prominente wie Frau Wild für qualifiziert hält, öffentlich ihren Schnack zu derlei Themen zu geben, verdankt sich der hierzulande vorherrschenden Irrsinnsmeinung, wer immer irgendwie ein „Promi“ sei, könne sich in Quasselshows kompetent zu jederlei Thema äußern, ganz gleich, wieviel Ahnung er oder sie tatsächlich wovon auch immer hat. Wer jedenfalls glaubt, was irgendwelche Prominenten sagen, sei nur deshalb schon eitel Weisheitshonig, glaubt wahrscheinlich auch, daß bestimmte Stars nach ihnen benannte Parfums selbst kreieren, Mode designen oder plötzlich zu Kunstmalern mutieren können). Letztlich ist solch eine Argumentation – auch wenn Herr Sathom oben zugesteht, daß sie nicht immer fehlgehen mag – der perfide Versuch, die Kritiker eines Verhaltens unter den Generalverdacht zu stellen, sich heimlich wie die Kritisierten zu verhalten, um die Kritik a priori mundtot zu machen, drückt aber eben auch die Einstellung aus, daß es eh kein Delikt sei, da es doch jeder tue (welche konkrete Motivation Frau Schaffrath alias Wild zu ihrer Äußerung veranlaßte, ob die genannten oder eine ganz andere, darüber möchte Herr Sathom allerdings nicht spekulieren).

Aber damit sind wir auch schon mitten im Thema. Denn was äußert sich eigentlich im allenthalben aus dem Chor der Guttenberg-Fans sich erhebenden Tenor, andere würden doch auch, und man solle doch nicht, und so weiter? Doch nichts anderes als dies: daß die so Redenden der Auffassung sind, das Bescheißen als solches sei Usus, und es geradezu erwarten. Und daß sie es zumeist auch nicht weiter schlimm finden, sondern in dem Glauben durch die Welt irren, daß es ohnehin jeder täte (wobei sie, möglicherweise, von sich auf andere schließen – jedenfalls eigenes Bescheißen schon mal vorab gerechtfertigt haben).

Doch dies allein ist nicht alles, wie der Blick auf jene, die sehr wohl Haue bekämen, erweist: daß Herrn von und zu Guttenbergs Umfragewerte zwar leicht absacken, seiner Popularität jedoch keinen ernsthaften Abbruch tun, zeigt auch, daß es eben auch darauf ankommt, wer man ist, wenn es um die Frage geht, was man darf, wer was darf und was dann passiert. Der aufs Podest der Lichtgestalt erhobenen Ikone wird augenzwinkernd nachgesehen, was den niederen Pöbel Ansehen und Karriere kosten würde; der da im öffentlichen Ansehen einen bestimmten Status hat, dem läßt man durchgehen, was einen sonst Pfui rufen ließe, allein schon deswegen, weil man auf den liebgewonnenen Popstar nicht mehr verzichten will – so ist’s ja immer, auch bei den Rockern, denen Herr Guttenberg ja auch gern mal zuhört.

Genau dies hat Herr Sathom mit jener deutschen Eigenschaft gemeint. Leben wir doch in einem Lande, da der, welcher bei einer Mathearbeit nicht spickt, der nicht schon aus Prinzip mogelt, selbst wenn er aufgrund seines Könnens nicht einmal müßte, prinzipiell als Idiot gilt. Der Ehrliche, so die festsitzende Überzeugung des Deutschen, ist immer der Depp – womit er sich selbst meint, obwohl er bei jeder Gelegenheit unehrlich ist, denn er ist ja auch nicht blöd, nicht wahr. Motto: man wäre ja an sich gern ehrlich, aber leider sind’s die anderen nicht, also muß man ja, sonst wäre man ja blöd. Da ist er ganz ehrlich unehrlich, der Deutsche, und freut sich, daß er die Welt verstanden hat.

Immerhin zeigt dies, daß wir vor allem in einer Gesellschaft leben, die trotz vielfacher Behauptung des Gegenteils eines nicht ist. Eine Leistungsgesellschaft. Nicht was man leistete oder leistet zählt, sondern wie man auftritt und sich verkauft – ob durch Maulaufreißen (ein weiteres urdeutsches Kompetenzgebiet) oder indem man als Bundesminister durch vorschnelles Handeln und Aktionismus den Eindruck erweckt, eben ein Zupacker zu sein, der anders als die anderen Politiker wenigstens was tut, einer, der Klartext redet, auch wenn man hinterher wieder zurückrudert, mal war der Einsatz gerechtfertigt, dann wieder nicht, Hauptsache ratzfatz was dazu gesagt, so gefällt’s den Leuten, da wird nicht lang gefackelt, auch wenn womöglich nichts Vernünftiges dabei herauskommt.

Im Grunde weiß jede(r) Deutsche darum, daß der Mythos von der Leistungsgesellschaft ein alter Käse ist – die diesbezügliche Heuchelei ist allgemein geläufig und lang geübt. Mehr zu scheinen als zu sein gehört zum qua Sozialisation erworbenen zivilisatorischen Handwerkszeug in einem „Land der Dichter und Denker“, dessen Bevölkerung Dichter suspekt sind und Denker sowieso; einem Land, in dem es zur bauernschlauen Alltagsklugheit gehört, sich (anders als die wirklich ehrlichen Trottel oder die authentisch sein wollenden Depperten) als Motto zu wählen, was Ottfried Fischer für die Weltkriegsveteranen einmal so formulierte (Achtung, gekennzeichnetes Zitat): „Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht.“ Ein Wahlspruch nicht nur der alten Kämpfer, die den Krieg ganz sicher gewonnen hätten, hätten sie ihn nicht (glücklicherweise) verloren. Es ist der Bannerspruch sehr vieler, so daß die augenzwinkernde Kumpanei mit denen, die erwischt werden, einen nicht verwundern sollte.

Zwar behaupten konservative und wirtschaftsliberale Protagonisten gern, daß hierzulande nur die Leistung zähle, daß „die da oben“ eben gut (aus)gebildet, Leistungselite und Leistungserbringer seien, „die da unten“ hingegen eben Minderleister oder Leistungsverweigerer, Schnorrer am Sozialstaat und der Leistung aller anderen somit; doch schauen wir uns das Verhalten Guttenbergs einmal näher an, welche Überraschung: hat der Gute doch u.a. die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages für seine Arbeit nicht nur genutzt, sondern diese sogar konkret mit der Abfassung bestimmter, von ihm dann nur im Nachhinein leicht abgeänderter Textpassagen beauftragt (siehe hier). Und dies, obwohl ihm derlei Nutzung nur im Rahmen seiner Mandatstätigkeit – also für Zwecke, die seiner Abgeordnetentätigkeit dienen – gestattet ist. Mit anderen Worten: der Eliteangehörige hat einen mit Steuergeldern finanzierten Dienst für seine Privatzwecke und sein eigenes karrieretechnisches Fortkommen genutzt. Soviel dazu. Daß Verhalten wie Plagiarismus oder einfach miese Recherche offenbar das Leben vieler Angehöriger der „Leistungselite“ erleichtern (siehe hier), macht die Sache nicht besser, und für die ehrlich forschenden und hart arbeitenden Angehörigen der akademischen Eliten um so ärgerlicher, als sie nicht nur eventuell kopiert, sondern öffentlich zu Unrecht mit in Mißkredit geraten, wenn solche Umtriebe ruchbar werden. Derjenige, dem ein Leistungserbringer zu sein vorab unterstellt wird, darf sich hingegen dank Doktortitel rühmen, eine weitere wundersame Leistung erbracht zu haben – auch wenn sie von ihm nur insoweit stammt, als er leicht modifiziert aufgeschrieben hat, was andere – hier die Wissenschaftsdienstmitarbeiter – erarbeiteten.

Also: Leistungsgesellschaft, ach scheiß. Der eine kann damit durchkommen, 7 Jahre lang an einer Arbeit herumgedoktort zu haben, ohne zu merken, daß er abschreibt, und dabei auch die vom Steuerzahler finanzierten Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages abschöpfen (die, nebenbei bemerkt, anderen Doktoranden nicht zur Verfügung stehen – „Wettbewerbsvorteil“ nennt man das wohl), ein anderer gutbezahlt neben den wenigen Arbeitsstunden auf seinem Bundesbankpöstchen noch ein Buch schreiben, in welchem er Hartz IV-Empfänger als genetisch defekte Parasiten geißelt; geleistet wird da gar nichts, der Steuerzahler noch abgezogen dabei, doch wenn man unter den BILD-Lesern genug Fans hat, wird’s einem auch nicht schaden. Au contraire, heißt man Guttenberg, erringt man noch allgemeine Solidarität, heißt man Sarrazin, gilt man als zu Unrecht Verfolgter. Spräche man davon, wie wenig diese Herrschaften wirklich leisten, wieviel sie vielmehr lediglich cleverem Selbstmarketing verdanken, müßte man auch eingestehen, daß in unserer Gesellschaft allgemein nicht die Leistung zählt, sondern wie man sich verkauft, und welchen Status man innehat; allein dies würde bedeuten, daß man nicht mehr so ohne weiteres auf die angeblichen Minderleister eindreschen, und auch, daß man sich selbst nicht mehr so leicht den Leistungsträgern zurechnen könnte – denn Guttenberg zu geißeln für seine Verfehlung (oder Schlamperei), das hieße auch, sich den unangenehm im Hinterkopf, am Rande zur Verdrängungszone, lauernden Erinnerungen an die vielen Gelegenheiten stellen zu müssen, bei denen man selbst mogelte, oder eher durch Großmäuligkeit denn durch Kompetenz weiterkam. Dem Verteidigungsminister das Ganze als läßliche Sünde durchgehen zu lassen, bedeutet daher auch: sich eigenes, ähnliches Verhalten zu vergeben. Ist ja nicht schlimm, daß ich das gemacht habe – machen ja alle. Man wäre ja blöd.

Natürlich haben die derzeitigen Umfragewerte noch andere Hintergründe, die vielerorts ausgiebig beleuchtet wurden – daß Guttenberg eine Pop-Ikone ist, ein Hoffnungsträger, daß viele sich ihre diesbezüglichen Illusionen nicht rauben lassen wollen, daß und wie er es bisher verstand, sich als „anders“ zu geben als die übrigen Politiker, und daß man nun nicht wahrhaben wolle, wie sehr er ihnen (oder dem, was man von ihnen hält) womöglich ähnele, daß eine Verfehlung ihn sogar menschlich näher rücke, usw.; es hat der Verteidigungsminister eben verstanden, sich durch geschickte Selbstinszenierung zum G-Man (lustiges Wortspiel mit dem Anfangsbuchstaben das Namens, haha, also dieser Herr Sathom) der deutschen Politik zu stilisieren, und diesen unseren Mann im All will man eben nicht ohne weiteres denen opfern, die ihm jetzt den Zellaktivator klauen möchten. Doch das Bekenntnis zu ihm ist eben auch ein gesellschaftlich weit reichender Versuch, die allgemein herrschende Beschißhaltung öffentlich als Kleinkram zu verharmlosen, auf daß alle so weitermachen können, wie bisher. Denn: wenn man ihm eine Strick draus drehte, was sollte man dann mit der eigenen Krawatte tun?

Ist es also Stieseligkeit oder seltsame Kumpanei, die zu den besagten Umfragewerten führt? Beides, meint Herr Sathom. Manche wollen sicherlich ihren inbrünstig und naiv verehrten Messias nicht missen; doch einen insgeheimen Schulterschluß der Bauernschlauen zu vermuten, ist nicht weit hergeholt in einer Gesellschaft, die den treuherzigen Augenaufschlag und das wissende einander Zuzwinkern lang genug üben konnte, seit man den Amis weiszumachen versuchte, alle hätten Adolf doof gefunden und ansonsten eh nicht mitgekriegt, was eigentlich um sie herum vorgeht.

Um noch auf ein anderes Pro-Guttenberg-Argument einzugehen: daß man ihm eine Chance geben solle, weil jeder eine verdient hätte, eine Möglichkeit, sich zu bewähren. Unbedingt richtig, meint Herr Sathom. Jedoch: bekäme eine zweite Chance jeder Beliebige, der nicht zufällig Everybody’s Darling ist? Und wann bekäme er sie? Sofort und unmittelbar, nachdem er erwischt ward – und nachdem er vorher lang um die Vorwürfe drumrum geredet hat, sie zunächst von seinem Pressesprecher ganz (als „absurd“) abstreiten ließ, immer nur zugab, was unvermeidlich war? Oder sollte er eine solche Chance erhalten, nachdem er sich durch Wohlverhalten bewährt und erneut Vertrauen verdient hat? Daß Herr von und zu Guttenberg, nur weil er eben der Herr von und zu Guttenberg ist, die Chance erhalten soll, nahtlos weiterzumachen, als sei nichts gewesen, ist nur erklärbar durch den Wunsch der Massen, an ihrer Illusion festzuhalten, ihre Lichtgestalt weiterhin als adligen Erlöser von allen Niederungen des menschlichen unbefleckt zu sehen, oder wenn man die Fleckerl denn wahrnähme, dann nur so, daß er einem noch sympathischer würde dadurch, noch näher stünde, geh schau, a Mensch und a Hund, des is einer wie wir.

Niedlich übrigens auch, wie neulich die Kanzlerin munter erzählte, sie habe ihren Minister ja nicht wegen seines Doktortitels bestellt, was wohl den Grund dafür abgeben soll, daß sie seinen Posten nicht in Frage gestellt sieht; daß ein akademischer Grad hingegen sehr wohl etwas damit zu tun hat, ob man Posten oder Pöstchen erhält, darauf verwies vergangene Woche aus gegebenem Anlaß sehr schön die BR-Sendung quer mit einem Beitrag, der auch zeigte, daß eine florierende Branche sich von den Karrierewünschen Unfähiger nährt (online hier). Denn wer hierzulande einen Doktortitel haben mag, aber zu faul oder zu doof ist, kann unter einer Vielzahl von Ghostwriting-Agenturen wählen, die das Ganze für ihn erledigen – pikant daran zweierlei: erstens, daß nach aktueller Gesetzeslage derjenige, der die teuer gekaufte Arbeit als seine eigene abgibt, sich strafbar macht, während deren Herstellung legal ist; und zweitens, daß die betreffenden Ghostwriter/innen zumeist selbst Akademiker/innen sind – pensionierte, in Mutterschaftsurlaub befindliche usw. Daß hier Angehörige einer angeblichen Leistungselite die faulen Eier selber legen, die dann im Nest der alma mater ausschlüpfen, und dabei ihrerseits die Arbeit der ehrlichen Akademiker oder an ihren Abschlüssen rackernden Student(inn)en mit Füßen treten, findet Herr Sathom schon kurios. Daß derlei Schindluder aber überhaupt Sinn macht, so ward bei quer ausgeführt, liegt eben daran, daß in Deutschland ein Doktortitel karrierefördernd ist, und zwar ganz egal, ob der ausgeübte Beruf mit dem Fach, darin der Grad erworben ward, auch nur das Geringste zu tun hat – anders als in den USA, wo man einen Doktortitel privat gar nicht und beruflich auch nur dann zu führen pflegt, wenn man tatsächlich wissenschaftlich oder wenigstens, wenn in der Wirtschaft, fachbezogen arbeitet.

Einige Fragen bleiben; etwa die, wie der Minister überhaupt summa cum laude abschließen konnte, wenn eine Kommission jetzt an seiner Arbeit bemerkt, was schon bei der Abgabe hätte auffallen müssen. Daß das bisher noch nicht thematisiert wurde, findet Herr Sathom schade, aber kaum erstaunlich – wer weiß, in welches Wespennest man damit noch stieße.

Herr Sathom aber beläßt’s für diesmal dabei und entschuldigt sich, daß er diesen Text in stundenlanger Arbeit verfaßt und ihn dabei versehentlich nicht gelesen, und sicherlich haufenweise Wörter verwendet hat, die andere Leute auch schon benutzt haben.

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