Daß TTIP, CETA und andere Freihandelsabkommen nicht wegen der vielzitierten Chlorhühnchen bedenklich sind, sondern einen ernstzunehmenden Angriff auf die Demokratie darstellen, hat sich inzwischen vielleicht herumgesprochen. Zur Erinnerung: Die sogenannten Investitionsschutzklauseln würden Konzernen ermöglichen, Staaten auf Unsummen zu verklagen, sofern deren Gesetze (etwa zu Arbeitnehmerrechten, Mindestlohn, Verbraucherschutz etc.) erwartete Gewinne der Privatwirtschaft gefährden. Für wirtschaftsfreundliche Politiker eine willkommene Ausrede, den Bürgerwillen nicht umzusetzen (und vermutlich von Frau Merkel bis zu Herrn Gabriel deswegen so erwünscht – „Sorry, Leute, wir würden schon gern, aber . . .“). Nicht nur Petitionen, Volksbegehren etc. wären damit sinnlos; auch Wahlen würden (noch mehr) an Bedeutung verlieren – sogar künftigen Regierungen, welche die derzeitige politische Linie nicht teilen, wären effektiv die Hände gebunden.
Laut der Organisation Campact läßt ein kürzlich durchgesickertes Verhandlungspapier nun jedoch befürchten, daß die Aushöhlung der demokratischen Mitbestimmung viel weiter gehen könnte, als bisher anzunehmen. Wie ein Video auf der Campact-Website erläutert, könnten im Rahmen der sogenannten „Regulatorischen Kooperation“ EU-Gesetzentwürfe künftig zuerst Wirtschaftslobbyisten vorgelegt werden – bevor Parlamentarier und Regierungen überhaupt erfahren, daß sie existieren. Unangenehme Gesetze müßte die EU offiziell als „schädlich für den Handel“ einstufen. Der eigentliche Souverän wären nicht mehr Bürger oder Parlamente, sondern ein zu schaffendes „Gremium für regulatorische Kooperation“.
Eine detaillierte Analyse des Verhandlungsdokuments durch LobbyControl findet sich hier.
Nachdem TTIP (aber auch CETA) bereits ohnehin Demokratie und staatliche Souveränität – somit auch die Souveränität aller EU-Bürger – aushöhlen, zeigt dies, daß entsprechende Eingriffe noch viel tiefer gehen, und jeglicher Kontrolle noch stärker entzogen werden könnten.