:: Big Brother is getting bigger

Kennen Sie diese lustigen Fitnessarmbänder, mit denen man ununterbrochen die eigene Pulsfrequenz und was nicht noch alles überwachen, und an irgendeine Datenkrake weiterleiten kann? Ein praktisches Accessoire für die weitere Steigerung des Selbstoptimierungswahns, der uns befallen hat. Seinen Anfang nahm der übrigens schon mit dem Aufkommen der bürgerlichen Gesellschaft: Perfektibilisierung des Menschen hieß damals etwas umständlich das Streben, dem schon die frühen Aufklärer frönten, und das sich im Aufkommen der ersten, ihrerzeit noch so genannten „diätetischen“ Ratgeber niederschlug (auch Kant verfaßte welche). Scheinbar auf das „Vernünftigwerden“ der Gattung gerichtet, bezeichnete der Terminus auch das Projekt, sich so zuzurichten, daß man die angsterregenden Umbrüche möglichst erfolgreich überstehe – zielte also, wenn auch unreflektiert, auf die wirtschaftliche Nutzbarmachung des Menschen und die Bewältigung seiner diesbezüglichen Versagensängste. Eine historische Wurzel, die weiterhin austreibt, in Zeiten ökonomischer Verunsicherung immer besonders kräftig: sich fit zu machen für den Leistungsmarathon lautet bis heute die Parole.

Das aber nur am Rande. Am 11.02. brachte die Sendung quer des BR gleich zwei Beiträge, die zumindest beunruhigen sollten. Einer betraf die Forderung einiger Krankenkassen, die Daten besagter Armbänder sollten an sie übermittelt werden; der andere Pläne, die Höhe verfügbarer Bargeldsummen zu deckeln (aktuell bei angedacht maximal 5000,- Euro).

Was verbindet beide Berichte?

Zunächst der Anspruch, der hinter beiden Forderungen steht – der auf totale Überwachung und Kontrolle. Die Obergrenze (das wird noch Wort des Jahres) für abhebbare Geldsummen ist wohl nur der Anfang; es gibt Abzeichen dafür, daß das Ziel der Forderungen langfristig die komplette Abschaffung baren Zahlungsverkehrs ist. Die diesen Wunsch hegen, sind natürlich zuerst die Banken. Kann der Bürger über sein Geld nicht mehr verfügen, indem er es sich auszahlen läßt, steht z.B. der Weg offen, seine in Geiselhaft gehaltenen Konten mit Negativzinsen zu belasten, wie in Schweden und der Schweiz schon geschehen, ihm also für ein positives Guthaben Strafgebühren abzuknöpfen. Dabei ist der Begriff der Geiselnahme kein metaphorischer. Könnten die Kunden überhaupt nicht mehr an Bargeld gelangen, ihr Geld den Banken also nicht entziehen, würden sie bei der nächsten Finanzkrise selbst Geiseln der Kreditinstitute. Auf staatlicher Seite sind zunächst die Finanzämter interessiert, doch ließe sich dann auch feststellen, ob man im Erotik-Shop war, welche Zeitung welcher politischen Ausrichtung man am Kiosk kaufte, welche Bücher, kurz, ein komplettes Profil der Meinungen, politischen Einstellungen, privaten Neigungen erstellen. Mal so als dystopische Schreckensphantasie hingeworfen: Es wäre z.B. möglich, mit solchem Wissen mißliebige Personen öffentlich zu diskreditieren. Ein Besuch im Dominastudio? Interessant, Herr Gewerkschaftsfunktionär. Eine übertriebene Befürchtung? Dazu unten mehr.

Was die Armbänder angeht, locken Kassen bereits jetzt mit tariflichen Vergünstigungen für ihre Träger. Daraus könnte irgendwann durchaus eine tarifliche Strafe für diejenigen werden, die sie nicht tragen; letztlich ein Zwang, sie tragen zu müssen.

Das Muster, nach dem die aktuell gewünschten Neuerungen schmackhaft gemacht werden sollen, ist in beiden Fällen das Gleiche. Es wird mit Vorteilen gelockt; der Zwang, der Kontroll- und Herrschaftswunsch als Wohltat nahegebracht. Die Abschaffung des Bargelds soll Schwarzarbeit und kriminelle Geldwäsche verhindern (weil beim organisierten Verbrechen ja noch Trenchcoat-Männer mit Geldkoffern rumrennen, statt daß man seine Geschäfte über Scheinfirmen und vernetzte Konten abwickelt, warum auch nicht, so eine Drogenmillion hat man ja mal eben als Geldrolle in der Tasche). Auch bei Anne Will wurde am Sonntag die Verringerung des Bargeldverkehrs u.a. als Wundermittel zur Kriminalitätsbekämpfung propagiert. Die Kollegen von quer machten sich dagegen immerhin die Mühe, zu prüfen, welche Auswirkungen auf Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und Geldwäsche die Maßnahme in Ländern wie Schweden oder der Schweiz bereits zeitigte (so gut wie keine), und welche Folgen sie für sämtliche Bürger stattdessen hat (siehe oben). Vor allem aber soll dadurch alles bequemer, schneller, einfacher werden. Und auch die Gesundheitsarmbänder werden als immenser Vorteil angepriesen. Herzinfarkt? Das Armband holt die Ambulanz.

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6 Kommentare zu „:: Big Brother is getting bigger“

    1. Hahaha, ja, das könnte sein 😀
      Das wird noch was werden. Immerhin rannten jetzt auf er CeBit schon die ersten Irren rum, die sich Chips in die Hand schießen. Einer erklärte im Fernsehen mit leuchtenden Augen, er sei jetzt „verbessert“ (ich weiß nicht so recht).
      Als Kind habe ich es mir ja immer cool vorgestellt, in irgendsoeiner wilden Sci-Fi-Zukunft zu leben, aber inzwischen … Wenn man wenigstens auch einen X-Wing hätte. 😉

      1. Die Typen habe ich neulich in einem Bericht im Fernsehen gesehen. Die ballern sich allerlei Krempel unter die Haut wie z.B. Magnete in Fingerspitze (Praktisch eigentlich wenn man z.B. einen Job hat wo man Laptops etc. repariert 😉 ) oder Sachen die leuchten. Die sind von den Chips sehr begeistert weil der Schnickschnack bisher eher sinnbefreit war aber das hier jetzt tatsächlich was mit Funktion ist.

        Mir drängt sich hier unwillkürlich dieser Vergleich auf wenn man den Trend das Bargeld abzuschaffen berücksichtigt:
        https://de.wikipedia.org/wiki/Malzeichen_des_Tieres

      2. Verdammt, daran habe ich noch gar nicht gedacht. Schnell, wo ist meine Silbermunition? 😀
        Hm, im Grunde ist der Vergleich nicht mal falsch, da das Malzeichen ja laut diesem Artikel wohl für die ökonomische Macht des römischen Imperiums stand (apokalpytische Visonen mal beiseite gelassen). Und darum geht’s ja …

      3. Kann man historisch interpretieren wie das Wissenschaftler tun. In christlichen Kreisen wird das eher prophetisch interpretiert als Zeichen der Endzeit. Bargeldverbot und Bargeldloses Bezahlen mit Hilfe von Chips unter der Haut käme dem Szenario bildlich auch sehr nahe. Schließlich wäre man dann völlig der Willkür der Banken und der Finanzindustrie bzw des Staates ausgeliefert.

      4. Ja, paßt irgendwie. Ich fand’s bloß witzig, daß es von vornherein ökonomisch angelegt war.

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