Weil Herr Sathom grad dabei ist, hier weitere Überlegungen zum Thema (frühere siehe hier und hier).
Vor einiger Zeit bei Hart aber Fair: Frau Anja Reschke (ARD) und Herr Alexander Gauland (AfD) am Ende der Sendung (Zeitindex 1:12:30). Warum halten so Viele die hiesige Presse für verlogen oder gesteuert? Anlaß diesmal die Behauptung der Rechten und auch vieler Konservativer, es gäbe ein „Schweigekartell“ bezüglich der Kriminalität von Zuwanderern. Herr Gauland fabuliert erneut von der „öffentlich-rechtlichen Schweigespirale“. Frau Reschke weist – beinahe verzweifelt – darauf hin, daß die Öffentlich-Rechtlichen stets ausführlich und wahrheitsgetreu berichtet haben. Er erwidert ihr, daß die Leute aber „das Gefühl“ hätten, nicht zutreffend unterrichtet zu werden. Frau Reschke sagt, sie könne aber nichts dafür, wenn die Menschen sich die Berichte gar nicht ansähen, man hätte nun einmal berichtet. Herr Gauland beharrt auf dem Gefühl der Leute: „Das mag ja sein, aber …“
Das Kuriose an der Szene: daß die Medienvertreterin, obwohl Herr Gauland sein „mag ja sein“ zugestehen muß, nicht durchdringt; als hindere beide, sie und den AfD-Politiker, ein kommunikativer Abgrund. Doch was ließ sich da nicht überbrücken?
Bleiben wir einmal bei diesem „Gefühl“ – dem also, was Alexander Gauland gegen die von Frau Reschke angeführten Fakten setzte. Es ist in dieser Form unzutreffend, meint Herr Sathom; verkennt die Realität unserer Medien. Die Erklärung dafür haben das bürgerliche Establishment wie auch der linke Faschismusgegner schnell bei der Hand – die Gefühle und Wahrnehmungen derer, die den Medien und der Politik nicht mehr glauben, seien „dumpf“, eben nur Gefühle, irrational; kurz, diejenigen, die sie hegen, „dumm“.
Na schön. Was genau meinen diese Leute denn wahrzunehmen? Daß sie belogen und betrogen würden, man auf sie und ihre Meinung pfeife, daß die Gesellschaft sie abgeschrieben habe. Wie kommen die bloß auf sowas? Herrn Sathom fällt dazu ein vor längerer Zeit gesehener Fernsehbericht ein.
Es ging um ostdeutsche Gemeinden (Titel der Sendung und Bundesland erinnert Herr Sathom leider nicht), in denen die NPD Mitglieder warb. Sie tat dies durch Veranstaltung von Kinderfesten, Ringelpiezen mit Grillvergnügen, kurz, Unterhaltungsangeboten für eine Bevölkerung, die arbeitslos auf dem platten Land in ziemlicher Tristesse sich selbst überlassen blieb. Auch „sozial“ engagierten sich die NPDler (natürlich: nur für blonde, blauäugige). Kaum wurden die Evangelische Kirche, die politischen Gemeindevertreter, die Institutionen unserer Gesellschaft also, dessen gewahr, brach hektische Aktivität aus. Solche Angebote müssen auch von uns her, aber fix, ehe alles zu spät ist.
Wohlgemerkt: Nicht vorher. Erst, als Gefahr bestand, die gesellschaftlich Abgehängten könnten Radikalen zum Stimmvieh werden, entstand spontanes Interesse, sich um sie zu kümmern; zuvor ließ man sie jahrelang im Dreck liegen, waren sie der Gesellschaft – deren arrivierten, etablierten Kreisen zumindest – scheißegal. Man hatte sie regelrecht zum Verrecken da zurückgelassen, an den „Rändern der Gesellschaft“; abgeschrieben, überflüssig. Mehr noch – so lange (bis zur Finanzkrise) der Zeitgeist des Hurra-Kapitalismus über die Stoppelfelder wehte, durften sie sicher sein, zusätzlich noch die Butzemänner der Nation zu sein – die Verlierer, Versager, die Lächerlichen und Ausgelachten, die man den Kindern zeigt, wenn sie in der Schule nicht fleißig lernen wollen. Guck mal, du willst doch Leistungsträger werden und nicht so einer wie die.
Das war glaube ich bisher der neutralste und tiefschürfendste Artikel den ich bisher zum Thema las. Normalerweise artet sowas immer in Beschimpfung der rechten Idioten aus anstatt ernsthaft zu versuchen zu ergründen warum Menschen tun was sie tun. Das ist oft so ermüdend.
Das mit dem Gefühl der „Lügenpresse“ liegt evtl auch daran dass man das Gefühl hat hier würde zu selektiv berichtet. Die Presse kann trotzdem von sich behaupten nicht zu lügen, aber man erzählt aber eben auch nicht alles. Es wurde z.B. sogar zugegeben dass bei Berichten über Flüchtlinge gerne auf Bilder mit Müttern mit kleinen kulleräugigen Kindern zurückgegriffen wird. Was damit bezweckt wird dürfte klar sein. In Ländern wie Ungarn dagegen sieht man in der Presse die Flüchtlingstreks mit tausenden vorwiegend männlicher Flüchtlinge. Diese und andere Diskrepanzen werden natürlich bemerkt und schon hat man einen Feind.
Dass Linke oft nicht als Alternative gegen die Ungerechtigkeit gesehen werden liegt eventuell auch daran dass diese zu sehr damit beschäftigt sind gegen Rechts zu kämpfen als für mehr soziale Gerechtigkeit. Jedenfalls entsteht der Eindruck. Hierzu fällt mir die alte Weisheit ein: „Kämpfe nicht GEGEN eine Sache sondern FÜR eine Sache“.
Und das nach unten treten wird einem ja regelmäßig in der Springer-Presse vorgebetet. Dieses widerliche Drecksblatt mit B am Anfang (mit dem man nicht mal toten Fisch mit einwickeln möchte um diesen nicht zu beleidigen) hetzt ja gerne mal die Meute gegen wehrlose Opfer.
Vielen Dank!
Zugleich sorry wg. der bisher nicht erfolgten Antworten (auch auf Deinen letzten Kommentar); ich war seit Anfang März beruflich enorm eingebunden und außerdem von einem Weisheitszahn geplagt (kommt demnächst raus, das hat er nun davon).
Unsere Presse berichtet allerdings selektiv; das rührt m.E. von einer Vielzahl von Ursachen her, etwa, daß man den eigenen Auftrag als einen pädagogischen mißversteht, daß einen eigene politische Auffassungen beeinflussen, während man sich für objektiv hält, usw. Das Irre daran ist, daß die anderen das auch tun, die Ungarn z.B.; daß aber bestimmte Medien wie RT nicht ebenso kritisch hinterfragt, sondern wieder zu Wahrheitsorakeln erklärt werden. Daher mein Eindruck, daß die Kritiker hiesiger Medien oft selbst nicht an wirklich faktengetreuer Berichterstattung interessiert sind, sondern durchaus eine tendenziöse wünschen – nur die Tendenz anders haben wollen.
Und das mit der B-Zeitung stimmt natürlich. Da werden Einstellungen verbreitet, die bei uns Allgemeingut sind; deshalb glaube ich auch, daß das rechte Gedankengut nicht in die Mitte, sondern aus ihr heraus kommt.