Ziegen!? Also ehrlich. Was ausgerechnet diese unschuldigen Tiere nun wieder dafür können sollen, möchte Herr Sathom wirklich mal wissen.
Aber mal im Ernst. Was soll man nun von der Beleidigungsaktion des Herrn Jan Böhmermann gegen den türkischen Staatschef Erdoğan halten? Ist es Satire (die dann ja alles dürfte)? Nein, sagen die Einen; und haben wohl Recht damit, soweit die Äußerungen persönlich beleidigend und herabsetzend waren (jedoch waten wir hier in trüben Gewässern; Beleidigung, wenigstens aber Geschmacklosigkeit, ist oft genug ein nicht weiter beanstandeter Bestandteil von Satire, ob es sich dabei nun um Mutmaßungen über Frau Merkels biologisches Geschlecht, oder Hinweise auf Herrn Schäubles fahrbaren Untersatz handelt). „Ja“, sagen Andere, aber da müßte man fragen, was nun genau Satire eigentlich sei, zumal Herr Böhmermann selbst ja von „Schmähung“ sprach, was offenbar einen Unterschied darstellt (aber sollte es das – darf Satire nur PC sein?). Ist es Rassismus? Hm. Herr Böhmermann hat auf entsprechende Stereotypen zurückgegriffen, sich zugleich von ihnen distanziert – ein ironisches Vexierspiel, das man gewitzt oder bigott finden kann (daß Herr Böhmermann kein Rassist ist, steht dabei wohl außer Frage).
Betrachtet man aber den allgemeinen Aufruhr und die gestellten Strafanzeigen – die nicht nur von Herrn Erdoğan, sondern auch von anderen Privatpersonen stammen –, muß man eine Feststellung treffen, die über die Satirefrage hinausgeht.
Denn die Bundesregierung muß nun entscheiden, ob sie dem Ansinnen des türkischen Staatsoberhaupts auf Strafverfolgung nachgibt. Und das bedeutet: sie muß Farbe bekennen. Woran liegt ihr mehr – an der Redefreiheit, oder am Bündnis mit dem Mann, unter dessen Regierung mißliebige Journalisten – auch wegen „Beleidigung“ – verfolgt werden? Soll man einer Argumentation folgen, die der Staatschef bei sich zuhause als Mittel der Unterdrückung und Verfolgung einsetzt? Also eine echte Beleidigung ahnden, dieweil man aus Opportunitätsgründen – da man einen Helfershelfer in der Flüchtlingskrise suchte – die Augen davor verschloß, daß Erdoğan die Behauptung angeblicher Beleidigungen regelmäßig zur Unterdrückung der Pressefreiheit mißbraucht?
Und tatsächlich ist dies keine juristische, sondern eine reine Ermessensfrage – § 104a StGB macht nämlich keine Vorgaben, wovon eine Ermächtigung zur Strafverfolgung abhängt. Gibt die Regierung also grünes Licht für ein Verfahren, wird sie den Verdacht des Entgegenkommens nicht mehr loswerden (ganz gleich, was ihre wirklichen Gründe wären), schlicht weil das Gesetz keine Kriterien nennt, nach denen eine solche Entscheidung fallen kann, oder sogar muß.
Ob er es wollte oder nicht, ist Herrn Böhmermann gelungen, was stets die Qualität eines echten Eulenspiegels war – nämlich die Bloßstellung der Heuchelei seiner Mitmenschen. Diese müssen nun als Regierende zwischen Skylla und Charybdis navigieren – weil ein moralisch perfides Abkommen geschlossen wurde mit einem Präsidenten, der im eigenen Land die Meinungsfreiheit unterdrückt. Und zwar, da man die eigenen Probleme allein nicht lösen kann oder will. Probleme zudem, die man selbst verursacht hat, handele es sich bei den Flüchtlingen, derer man sich entledigen will, nun um politische oder wirtschaftliche; Probleme, die Deutschland und die EU, der Westen insgesamt, zu verantworten haben. Statt diese Verantwortung zu übernehmen, erfolgte das Anbiedern an Erdoğans Regime – zugleich ein beschämendes Geständnis völligen ethischen und logistischen Versagens vor der Aufgabe, die Flüchtlingskrise aus eigener Kraft zu bewältigen.
Nun der Aufruhr, und nach der Satire von Extra 3 eine neue diplomatische Verwicklung. Es wäre sicher zuviel behauptet, daß Böhmermanns Coup, oder der des Satiremagazins, das Abkommen mit der Türkei gefährde; doch das ganze heuchlerische Kartenhaus, das da gebaut wurde, haben beide mit Sicherheit ein wenig durcheinandergewirbelt. Ohne das Flüchtlingsabkommen nämlich wären Herrn Erdoğans Beschwerden kaum so dringende Staatsangelegenheit, sondern lediglich eine Fußnote (die Leiden türkischer Journalisten und sonstiger Regimekritiker hingegen sind dank desselben Abkommens eine solche). Was der Jan treibt, und was den Recep ärgert, könnte der Bundesregierung eigentlich egal sein; wenn sie nicht eben beschlossen hätte, mit letzterem Wange an Wange zu tanzen (zur Verfolgung von Journalisten und zum Schweigen der Kanzlerin hier übrigens ein Beitrag des NDR-Medienmagazins ZAPP). Was immer man also Böhmermann vorwerfen, wie geschmacklos oder verletzend er auch immer mit Beleidigungen gespielt haben mag – wer sich darüber erregt, ohne zugleich zuzugeben, daß mit dem Flüchtlingsabkommen so widerlich gehandelt wurde, wie Böhmermann sich geäußert haben soll, überführt sich der scheinheiligen Doppelmoral. Kurz, nicht so sehr Herr Erdoğan als die hiesige Politik, die nun vor dem Hintergrund unheiliger Bündnisse lavieren muß, ist bloßgestellt.
So betrachtet, behauptet Herr Sathom, ist Böhmermanns Ausfall eben doch Satire – bloß keine gegen den türkischen Staatschef gerichtete; sondern eine, die zielgenau die bundesdeutsche und europäische Heuchelei ins Mark getroffen hat. Ob das intendiert, überhaupt so weit gedacht war, einmal dahingestellt – und eigentlich auch irrelevant.
Und wer denkt eigentlich an die Würde der Tiere? Daß ausgerechnet diese armen Wesen immer wieder unziemlicher Neigungen verdächtigt werden, wenn ein Hominide den anderen verunglimpfen will, dafür zieht keiner den Böhmerann zur Rechenschaft, da sollten sich diese Naturschützer mal drum – na, aber lassen wir das.