Sachma jeht’s eijentlich noch? Wat is bloß los in dit Europa.
Ex-Kanzler (wieso sagt man eigentlich „Altkanzler“? Diese Leute sind keine Kanzler mehr, also bitte) „empfing“ Viktor Orbán. Ein Seitenhieb gegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik sei das, hieß es sogleich– als ob’s darum ginge. Der ungarische Ministerpräsident und seine Fidesz-Partei stehen für eine Politik, die man nur mit sehr viel Nachsicht ultrakonservativ statt nationalistisch nennen kann, und nebenbei – da neulich noch das Thema Erdoğan herumgeisterte – für massive Einschränkungen der Pressefreiheit; und das nicht erst seit gestern.
Alte Freunde sollen Kohl und Orbán sein; um so schlimmer. Wem nicht angesichts vieler dubioser Kontakte – etwa denen zur Colonia Dignidad in Chile – deutscher Christdemokraten in den vergangenen Jahrzehnten längst klar ist, wie es der Konservatismus mit den freiheitlichen Werten hält, für die er einzutreten behauptet, darf versichert sein: „Freiheit“ ist alles, was bloß nicht links ist.
Und sonst? Ausgrechnet Jarosław Kaczyński, Mitglied der polnischen PiS-Partei, poltert, in Deutschland sei die Demokratie „liquidiert“ worden. Sagt der Angehörige genau der richtigen Partei für solche Vorwürfe.
Herr Sathom fragt sich, ob langsam alle durchdrehen. Und tut das in dieser Situation erstmal einzig richtige: One Piece gucken. Da sind die Ausgeflippten wenigstens sympathisch.
Und, fällt ihm ein, zumindest in der Mehrzahl jung. Vielleicht läuft hier gerade ja bloß das:
Alte Patriarchen trumpfen noch einmal auf. Was nicht so harmlos ist, wie man meinen möchte – denn, und das sagt Herr Sathom, obwohl er auf die 50 zugeht – sie stehen den (geistig) Jungen im Weg; denen, die für Frauenrechte sind, nichts gegen Homosexuelle haben, oder überhaupt die Zukunft anders als mit Rezepten von vorgestern, die damals schon nicht funktioniert haben, gestalten wollen. Nun hat Herr Kohl zwar nichts mehr zu bestimmen; doch Greise – auch in jungen Körpern, Ziehkinder der Rückwärtsgewandten – gibt es noch genug. Sie sitzen festgekrallt auf ihren Thronen, und steuern den Snowpiercer in Blindfahrt.
Nein. Im Ernst. Man kann Herrn Sathoms Empörung naiv finden oder übermäßig emotional vor dem Chor derer, die meinen, der Privatmann Kohl könne ja einladen, wen er wolle; er sei ein Europäer reinsten Wassers, nicht bloß als Ehrenwortskanzler mit allen Wassern gewaschen; und Europa müsse eben auch den Animositäten seiner Mitgliedsstaaten Rechnung tragen, den diversen Kulturen, die eben auch ultrakonservative und ggf. fremdenfeindliche Züge aufweisen.
Doch Polen, Ungarn, Mazedonien etc. wurden ins europäische Haus gelassen, weil eben niemand sagte: „Ihr habt eine andere Kultur; eine u.U. von langer Sowjetherrschaft geprägte; ihr paßt nicht zu uns; haut ab.“ Und in all diesen Ländern gibt es genügend Menschen, die eben nicht mit den Kräften konform gehen, die als Antwort auf die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft wieder Rezepturen wie Nationalismus, Rechtskonservatismus, Homophobie etc. aus dem Giftmüllschrank des 20. Jahrhunderts ziehen. Ja, echte Europäer im Sinne der Werte, die wir dauernd proklamieren, hat’s da. Und die gibt es auch im „alten“ Europa, wo in den Niederlanden, in Deutschland und sonstwo ebenfalls die Feigen und Haßerfüllten den Sondermüll der Geschichte erneut als eitel Gold verkaufen; aber, den paar wirklich wertvollen Werten des Abendlandes entsprechend, auf Widerspruch stoßen.
Diesen Anderen muß das Morgen gehören. Den Europäern in allen europäischen Staaten, die wirklich welche sind. Nicht den Ehrenmännern alter Schule, die, ewig dem Gestrigen zugewandt, versteinert an altertümlichen Konzepten festhalten. Wohin sollen die den alten Dampfer Europa steuern, wenn der Klimawandel sich fortsetzt, wenn all die Aufgaben der Zukunft über uns hereinbrechen? Gegen den letzten Eisberg; in den Untergang, ein wahrhaftiges, neues Atlantis.
Also, im Ernst. Das japanische Piratenepos wimmelt von schrägen Vögeln – aber die sind, soweit sie zu den „Guten“ gehören, eben wenigstens einstellungstechnisch jung. Und Herr Sathom, selbst Angehöriger einer alternden Generation, möchte den geistig greisen manchmal eine alte Bob Dylan-Zeile entgegenrufen: Don’t stand in the doorway, don’t block up the hall. Ihr steht nämlich im Weg. The times, Folks, they’re a-changin‘.