Herrn Sathom geht jetzt echt die Platze. Nicht, weil nach der österreichischen Wahl zum Bundes-Ziegenpeter der FPÖ-Kandidat Hofer mit knapp 37 Grad Fieber vorn liegt; sondern wegen des wahnsinnigen Mobs hier in Bundesstumpfland, der in öffentlichen Foren – z.B. unterhalb des entsprechenden Tagesschau-Berichts – diesen Ausgang bejohlt.
Besonders regen Herrn Sathom dabei momentan Kommentare auf, die ein inzwischen vertrautes Narrativ wiederholen. Einige stammen im vorliegenden Fall vom selben User, der sich da herumtrollt, doch das Motiv wiederholt sich auch bei anderen: daß es sich bei der Sprachregelung „rechtspopulistisch“ um „politisierenden und polarisierenden Neusprech der ÖR“ handele, um eine Verleumdung quasi.
Was hier reproduziert wird, ist ein seit einiger Zeit von AfD-Politikern in Umlauf gebrachter Erzähltopos. Er behauptet in etwa, daß die politischen Kategorien von „Rechts“ und „Links“ nicht mehr greifen, und ein Phänomen wie die AfD nicht hinreichend beschreiben würden; daß der Unterschied zwischen diesen politischen Ausrichtungen also in der Realität verschwunden sei. Weshalb eine entsprechende Einordnung durch Medien und andere Beobachter mindestens unzutreffend, oder aber bewußt irreführend, die Zuordnung zur Rechten also öffentlich-rechtliche Propaganda darstelle. Anhänger der AfD etwa stünden weder „rechts“ noch „links“; was sie artikulieren, sei etwas unbestimmtes Anderes, als solche politischen Standpunkte (nennen wir dieses Andere mal „Volkswillen“ – denn so anmaßend behaupten die tatsächlich immer noch Rechten, den Willen des ganzen „Volkes“ regelrecht zu verkörpern). Ja, es ist das Erscheinen der AfD selbst, durch das diese Unterscheidungen aufgehoben sind, im Kreis ihrer Mitglieder ausgelöscht. Kurz, man ist gegen Homosexuelle, Ausländer, alleinerziehende Mütter, und verzehrtechnische Blutschande mit Gemüsesorten aus holländischen Gewächshäusern, aber nicht rechts. Ergo will man weder rechts, noch Populist, noch beides in einem Atemzug genannt werden; wer das tut, lügt.
Also schön. Die Leute sollen Recht haben. Schluß also mit irreführenden, die Wirklichkeit verschleiernden Begriffen; nennen wir die Dinge beim Namen. Sagen wir nicht „Rechtspopulisten“, sagen wir Nazis. Nicht „besorgte Bürger“, sondern Rassisten. Und nicht irregeleitete, betrunkene Jugendliche, die bloß provozieren wollen, nein – Brandstifter; Totschläger; Mörder. Weg mit den nachsichtigen Sprachregelungen; den betulichen Verharmlosungen.
Eines ist nämlich interessant. Die Behauptung von Politikern und Anhängern der AfD, von Pegidianern und anderen, die derzeit faseln, daß die althergebrachten Unterschiede zwischen „rechts“ und „links“ überholt seien, und zwar durch das eigene Auftreten auf der Bildfläche, wurden hierzulande schon einmal vorgebracht: von den Nazis.
Die waren es, die von einer „Volksgemeinschaft“ schwadronierten, in der alle Unterschiede zwischen Klassen und politischen Orientierungen aufgehoben sein sollten; die sich eine Nivellierung der gesellschaftlichen Schranken, ein Verschwinden aller Konflikte zwischen unterschiedlichen Interessengruppen als Erfolg zugute hielten. Stattdessen: Der Schoß gemeinsamer „Rasse“, in dem alle gleichermaßen aufgehoben wären.
Nur daß das natürlich eine Lüge war; Arm und Reich existierten weiter, Ausbeutung ebenso, Unterdrückung ohnehin – bloß daß sich nun auch der deklassierteste Tagelöhner noch als „Arier“ über den Rest der Menschheit erhoben fühlen durfte. Die Unterschiede und das Unrecht verschwanden nur aus der öffentlichen (heißt: eingestandenen) Wahrnehmung; und wenn einen das Fell juckte, man die Benachteiligung doch noch einmal spürte, durfte man ganz nonchalant selbst Unrecht begehen, und sich an Unschuldigen rächen – als Täter. Die „Volksgemeinschaft“ eine von Denunzianten, die sich Nachbars Steinway-Flügel unter den Nagel rissen. Motto: Willst du legal Klaviere klauen, mußt du die Gestapo betrauen.
Übrigens: Erstens, die behauptete Abwesenheit von Differenzen und Konflikten war schon immer Herrschaftsmittel. Der deutsche Kaiser erklärte zu Beginn des I. Weltkrieges, er kenne „nur noch Deutsche“; der Aufstieg des aktuellen Brutalkapitalismus wurde begleitetet von der Proklamation der „klassenlosen Gesellschaft“. Dergleichen wird immer laut, wenn es darum geht, besser unterdrücken, ausbeuten – oder im Zweifelsfall irgendwen abmurksen zu können. Und zweitens – wenn ein Kommentator von „politisierendem Neusprech“ schwafelt, muß wohl unterstellt werden, daß er rechten Wählern abspricht, politisch zu handeln/motiviert zu sein. Eben die Behauptung, selbst keine Politik zu treiben (sondern was immer stattdessen), war der ganze Stolz völkisch-nationalistischer Vorläufer der Nazis – „Politik“ machten die anderen, das war irgendwie was Dreckiges, man selbst war, pft, na irgendwas halt. National beseelt oder so.
Bezeichnen wir also die „Rechtspopulisten“ und ihr Gefolge endlich als das, was sie sind – Feinde der Mitmenschlichkeit, Feinde des Abendlandes (d.h. der positiven Aspekte seiner Kultur). Sagen wir auch ruhig potentielle Mörder: solche, die gern im „Vierten Reich“ endlich mal dürften – denn anderswo (bei der Tagesschau wird moderiert) wimmeln die Kommentare von Lynch- und Scheiterhaufenphantasien. Nennen wir sie so, egal, ob es ihnen selbst gefällt. Von der bloßen Behauptung, man entspräche nicht einer „überholten“ Kategorie von politischer Rechtslastigkeit, verschwindet nicht der Rassismus, dem man frönt.
Also – tun wir den Herrschaften den Gefallen; keine Sprachregelungen mehr. Schon gar keine, hinter denen sie sich selbst verschanzen können. Denn wenn man einen Eimer Scheiße vor sich hat, nützt es auch nichts, ihn als „verstoffwechselte Biomasse“ zu bezeichnen; man kann ihn trotzdem nicht essen. Es wird kein Eintopf draus.
„verzehrtechnische Blutschande“ lol, sehr kreativ.
„Von der bloßen Behauptung, man entspräche nicht einer „überholten“ Kategorie von politischer Rechtslastigkeit, verschwindet nicht der Rassismus, dem man frönt.“
Vom beschimpfen aber auch nicht. Anstatt sich mit den Sorgen und Nöten (ob berechtigt oder nicht) der Menschen ernsthaft zu befassen wurden die Menschen in der Vergangenheit in die rechte Ecke geschoben und von jedem Prominenten der was auf sich hält als rechte Idioten beschimpft und ausgelacht. Nach dem Motto „Viel Feind, viel Ehr“ fühlt man sich dort natürlich noch bestätigt und hält erst recht zusammen. So etwas spaltet eine Gesellschaft eher als dass es irgendetwas nützt. (Hatte den Themenkomplex in einem eigenen Blogbeitrag kurz angerissen)
Wie man mit Populisten umgeht hat Klaus Kleber im Heute Journal gezeigt wo er Horst Seehofer mit einfachen konkreten Fragen demontiert hat. Da könnte man ansetzen, mit Fakten und konkreten Fragen.
http://www.focus.de/politik/deutschland/seien-sie-mir-nicht-boese-herr-kleber-fahriger-tv-auftritt-seehofer-reisst-an-seinem-grossen-abend-der-geduldsfaden_id_5195285.html
Übrigens bei der simplen Frage nach der Obergrenze und was denn mit dem mit dem 200.001. Flüchtling passiere wurde der feige Seehofer plötzlich fahrig und traute sich nicht zu sagen was Frauke Petry schließlich aussprach und wofür sie dann die Prügel kassierte.
„Vom beschimpfen aber auch nicht. Anstatt sich mit den Sorgen und Nöten (ob berechtigt oder nicht) der Menschen ernsthaft zu befassen wurden die Menschen in der Vergangenheit in die rechte Ecke geschoben und von jedem Prominenten der was auf sich hält als rechte Idioten beschimpft und ausgelacht. “
Ist natürlich vollkommen richtig. Möglicherweise sollte ich hier noch einen Hinweis einbringen, der stärker differenziert (ich hatte das Thema ja auch schon). Mein Artikel gilt den Leuten, die ich gewissermaßen für „echte Rechte“ halte, und die sich nun hinter dem Vorwand, sie würden zu Unrecht beschimpft, verschanzen. Den Unterschied zwischen denen, die da mitlaufen, weil sie z.B. anders kein Gehör finden/zu finden meinen, arbeite ich hier nicht heraus, was im nachhinein betrachtet ein Versäumnis darstellt (sollte vielleicht auch meinen nächsten Artikel noch um irgendeinen erklärenden Satz ergänzen). Danke für den Hinweis und für das Link!