Oder: Auf den Leim gegangen.
Zur Abwechslung mal was Aktuelles.
„Wir sind das Volk!“ schallt es laut und immer wieder aus den Reihen von AfD, Pegida und aller anderen, die nicht mehr „Rechtspopulisten“ genannt werden wollen. Der Anspruch ist klar: sie reklamieren, das „Volk“ zu repräsentieren. Politische Fragen soll per direkter Demokratie der „Volkswille“ entscheiden; also ihr eigener. Er ist, will die Parole sagen, mit dem des ganzen „Volkes“ als solchem deckungsgleich.
Aber: Das Volk, wer ist das eigentlich? Was ist mit jenen, die TTIP bekämpfen, den Lobbyismus in Brüssel, den Kapitalismus, all die Mißstände der Gesellschaft kritisch sehen, und trotzdem nicht AfD wählen? Mit denen, die Flüchtlinge willkommen heißen, sich nicht verleiten lassen, ihren Unmut in Fremdenfeindlichkeit umzumünzen? Oder mit den alleinerziehenden Müttern, den Homosexuellen, Feministinnen, allen, für die gemäß AfD-Parteiprogramm in diesem „Volk“ kein Platz mehr wäre; die sich zumindest wärmer anziehen müßten, würde es umgesetzt? Nicht zu vergessen all diejenigen, die der neuen Rechten ablehnend gegenüberstehen, und sich in öffentlichen Foren den Lynchphantasien von deren Anhängervolk ausgesetzt sehen?
Gehören diese Leute etwa nicht zum Volk, zur Bevölkerung? Nun – gemäß dem Welt- und Menschenbild der Neurechten, gemäß deren „gesundem“ Empfinden, mutmaßt Herr Sathom, wohl tatsächlich nicht. „Wir sind das Volk“, das bedeutet eben – wir; nur wir, nur, wer unsere Gesinnung teilt; jede(r) andere nicht. Volk, das ist eine fest umrissene Gruppe, allerdings nicht mehr – wie in der NS-Zeit – die Angehörigen einer „Rasse“; sondern alle, die ein ganz bestimmtes Weltbild teilen. Dadurch qualifizieren sie sich als „Volk“ – der Rest fällt durch. Schwul? Links? Journalist? Setzen, Sechs. Schnauze halten.
Ein Alleinvertretungsanspruch wird da erhoben; eine Vorstellung gepflegt, der zufolge der Wille „des“ Volkes automatisch dem entspricht, was man selbst möchte (ergo gehört, wer etwas anderes will, schon rein logisch nicht zum Volk; nur das echte, das wirkliche, DAS Volk, das mit dem gesunden Empfinden, und die mit ihm identische Rechte teilen denselben Willen – den einzig legitimierten). Diese Vorstellung äußert sich z.B. in Forderungen nach direkter Demokratie, die gar nicht ernst gemeint sind, weil mit der Phantasie verknüpft, daß der Ausgang etwa von Volksabstimmungen zwingend immer der wäre, den man selbst wünscht („Wenn man die Bevölkerung fragen würde …“). Man kann die Frage durchspielen, ob solche „Demokraten“ mißliebige Ergebnisse akzeptieren würden, oder prompt wieder auf der Straße wären, um der Mehrheit, die anders stimmte, entgegenzubrüllen: „Nein, wir sind das Volk! Nicht ihr! Ihr habt falsch gestimmt!“. Nur zu – einfach mal vorstellen, eine Mehrheit würde per Abstimmung die Ehe für Homosexuelle befürworten, und wie „das Volk“ dann reagieren würde. Daß dergleichen allerdings überhaupt vorkäme, davon wird schlicht nicht ausgegangen. Mit größter Selbstverständlichkeit nimmt der „Volksgenosse“ an, der Wille des Volkes entspräche hundertprozentig seinem eigenen. Daher die feste Überzeugung, wenn direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild installiert würde, bräche das Paradies an (die haben doch gegen Minarette gestimmt! So wäre das dann immer! Es käme stets nur heraus, was wir wollen – wie könnte irgendwer anders wählen? Wir sind doch das Volk! Immer einer Blockmeinung!). Denn Obacht: „Würde man das Volk fragen …“ – Sätze, die so beginnen, enden gern mit dem Befehl, wie die Antwort lauten müsse; das sagt Einiges aus. Der so spricht, bildet sich ein, für alle zu sprechen. Dem Teil des Volkes, das auf die Frage anders als gewünscht antworten könnte, erklärt er ggf. auf Facebook oder Twitter, was ihm blüht.