:: Neusprech – Nachtrag zu „Donner in den Alpen“

Einige nachgeschobene Gedanken zum o.g. Beitrag.

Wie dort schon erörtert, behaupten Politiker, Wortführer und Anhänger von AfD und ggf. Pegida, durch die Bezeichnung „Rechtspopulisten“ diskriminiert zu werden; überhaupt sehen sie sich von den Medien, der Politik und den „linken Eliten“ verleumdet. Im Zuge solcher Äußerungen fällt gelegentlich der Begriff „Neusprech“.

Wir erinnern uns: Der Begriff stammt aus George Orwells Roman 1984 und bezeichnet dort laut Wikipedia eine „vom herrschenden Regime vorgeschriebene, künstlich veränderte Sprache.“ Das im Roman beschriebene Verfahren der Sprachmanipulation unterscheidet sich zwar stark von dem, was wir heutzutage unter „Sprachregelungen“ verstehen, kann als Synonym für solche aber durchaus taugen – wenn man es metaphorisch verwendet. Nur, doziert Herr Sathom, indem er seine kluge Lesebrille abnimmt und Meyers Konversationslexikon des digitalen Zeitalters wieder im Schrank verschwinden läßt, verwenden es Anhänger der Rechten wohl auch in einem naiv konkreten Sinn, nämlich als Ausdruck ihres Empfindens (bzw. ihrer Behauptung), Verfolgte eines totalitären Regimes ähnlich dem Orwellschen zu sein (dazu unten mehr).

Herr Sathom hat es in „Donner in den Alpen“ schon kurz angesprochen; er behauptet, daß es vielmehr die Rechten selbst sind, die Neusprech betreiben – ganz perfide zur letzten Konsequenz geführt, indem sie es zugleich den Gegnern vorwerfen. Betrachten wir einige Beispiele.

Da wird etwa die aktuelle bundesdeutsche Ordnung gern als faschistisch bezeichnet. Man kann von unseren derzeitigen Herrschaftsverhältnissen allerhand sagen, doch sie mit Faschismus gleichzusetzen, weist entweder auf eine massive Unkenntnis dessen hin, was der Begriff bedeutet – oder stellt eine unverschämte Lüge dar. Ob hier Dreistigkeit oder Geschichtskenntnisse unter dem Nullpunkt eine Rolle spielen, will Herr Sathom gar nicht erörtern – aber die Gleichsetzung an sich ist idiotisch. Allerdings verfolgt sie einen bauernschlauen Zweck. Indem die neuen Rechten von Faschismus faseln, stellen sie sich selbst als Verfolgte dar, können sich gar als Opfer eines von „den Eliten“ geplanten, schleichenden Genozids per Zuwanderung phantasieren. Ja, Herr Sathom guckt Sie an, Herr Pirinçci.

Weiter. Die Medien, öffentliche wie private, aber auch Politiker bezeichnen rechtslastige Mitmenschen und ihre Propheten gern als „Rechtspopulisten“. Der Begriff ist verharmlosend. Doch sogar ihn deutet die Rechte so um, daß er eine Unterstellung, eine Diskriminierung darstelle – d.h. daß man sie schont, und nicht als Nazis oder Rassisten bezeichnet, werten sie als Ausdruck einer herabsetzenden Propaganda. Nicht einmal „rechts“ wollen sie noch sein. Zugleich bezeichnen rechte Kommentatoren in Online-Foren ihre Gegner als Links-, Öko-, oder Sonstewas-Populisten; betreiben also eine Begriffsverwischung, die den Terminus „Rechtspopulist“ seines Inhalts entleeren soll. Wenn alle Populisten sind, bedeutet die Bezeichnung nichts.

Eine andere Bezeichnung hat die Rechte für sich gekapert – auch wer Asylbewerberheime anzündet, oder vor Bussen voller verängstigter Flüchtlinge randaliert, ist jetzt bloß „besorgter Bürger“. Die Selbstbezeichnung, mit der tatsächlich einfach nur besorgte Leute den Verdacht abwehren wollten, rechts zu stehen, dient nun als zynischer Euphemismus.

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