:: Volksparteien – Nachtrag zu „Wer ist das Volk?“

Ein Nebengedanke zum Thema „Volk“.

Daß sich die neuen Rechten brüsten, die alten „Volksparteien“ abzulösen, bzw. behaupten, daß diese ohnehin keine mehr seien, wirft eine Frage auf. Wieso überhaupt „Volksparteien“? Warum nicht „große“, „etablierte“ oder „traditionelle“? Woher rührt eigentlich der Begriff, der ja schon vor dem Erstarken der Rechten, nämlich als Selbstbezeichnung der stärksten Parteien, üblich war?

Seine bloße Existenz ist bezeichnend. Auch in anderen Ländern gibt es Parteien, die sich „Volkspartei“ oder „Partei des Volkes“ nennen, doch handelt es sich stets um Eigennamen von Organisationen, deren Ausprägung i.d.R. totalitär ist – wie die neuen Rechten legitimieren auch sie sich durch einen behaupteten Alleinvertretungsanspruch, also den, daß nur sie das Volk in seiner Gänze vertreten (bzw. daß, wer anders denkt, nicht den „Volkswillen“ teile, tendenziell nicht zum „Volk“ gehöre). Eine Gruppe von Parteien – die größten, vorherrschenden, erfolgreichen – so zu nennen, ist, soweit Herr Sathom weiß, nur hierzulande üblich.

Woher die Neigung, eine Partei durch Verleihung dieser Bezeichnung („die Grünen sind zu einer Volkspartei geworden“, als Beförderung ausgesprochen) besonderen Wert zuzumessen? Sie verweist darauf, meint Herr Sathom, daß ein mystifizierender Volksbegriff in Deutschland nie ausgestorben ist. Eine „Volkspartei“ ist etwas besonderes; nur ihr Anspruch auf Mitsprache ist seriös. Keine zu sein, wie es etwa für die Linke gelten soll, erklärt deren Vertreter zu etwas, das am Rand herumdümpelt, eigentlich keine Rolle spielt, nicht „wirklich“ Partei ist – bedeutungslos. Der Begriff suggeriert, daß das „Volk“ und die Wähler der „Volkspartei“ weitgehend identisch sind, die kleinerer Parteien irgendwie in geringerem Ausmaß „Volk“ sind, wenn überhaupt. Was qualitativ etwas völlig anders ist, als etwa von „Mehrheiten“ und „Minderheiten“ zu sprechen – denn der bloßen, zahlenmäßigen Verteilung der Stimmen und Anhänger wird mit dem Volksbegriff eine zusätzliche, seltsam verschwommene, transzendentale Qualität hinzugefügt.

Davon unabhängig noch ein Wort zu den Inhalten. Daß Wähler gerade aus der christlich-konservativen „Mitte“ aktuell zur AfD abwandern, während zugleich Unionspolitiker fordern, man müsse sich auf traditionelle, konservative Werte zurückbesinnen, deutet zumindest als Indiz darauf hin, daß die Rechte nur besonders erfolgreich Vorstellungsmotive ausbeutet, die auch die alteingesessenen bürgerlich-konservativen Parteien immer bedienten. Was wiederum hieße: das entsprechende Gedankengut sickert nicht von den „Rändern“ der Gesellschaft in die „Mitte“, sondern, wie hier schon früher behauptet, aus dieser heraus. Es ist bürgerliches Gedankengut. Daß gerade „besorgte Bürger“ zunehmend rechts wählen, hängt vielleicht gar nicht mit einem Umdenken der Betreffenden zusammen. Sondern lediglich damit, daß sie der AfD eher zutrauen, zu liefern, was die Altparteien auch immer auf Lager, nun aber nicht mehr vorrätig zu haben scheinen – dumpfe Ressentiments, frei flottierende Ängste, Bedrohungsszenarien und eine „Wir gegen die Welt“-Mentalität. Ängste vor, Haß auf Fremde, Homosexuelle, „Andersartige“ sind keine extremen Haltungen, sondern eben gerade „gut“ bürgerliche. Insofern haben empörte Pegidianer sogar recht, wenn sie sich nicht als Rechtsextreme, Rassisten oder Nazis wahrnehmen wollen, sondern als „besorgte Bürger“ – das sind sie ja; nur, daß das die Sache kein bißchen besser macht. Denn ist eben bürgerlich, bösartig zu sein. Ein beschämendes, kein entschuldigendes Erbe.

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