:: Postfaktum! Der Arme sei blöd! (I)

Hui, Wahlen in den USA – und einmal mehr schicksalhafte; die Zukunft des ganzen Erdballs steht auf dem Spiel. Na holla die Waldfee. Seid Ihr auch schon ganz aufgeregt? Herrn Sathom fällt ein, daß er für die Übertragung noch einen Eimer Popcorn braucht.

Der Donald, der Trump, wie Dieter Thomas Heck gesagt hätte, Geert Wilders, der britische Außenminister Boris „Brexit“ Johnson; allesamt Männer, deren „Frisuren“ bezeugen, was hinter der tiefgehenden Spaltung der westlichen Gesellschaften wirklich steckt – außerirdische Hirnparasiten nämlich, die sich als schlecht geföntes Blondhaar tarnen. Was erklärt ihren Erfolg?

Die Inhaber der Deutungshoheit wissen, woher der Riß durch die Gesellschaft rührt: schuld ist die berüchtigte Irrationalität.

Auf phoenix erklärte in den letzten Tagen wiederholt Herr Josef Braml, ein „USA-Experte“ (was immer für eine akademische Disziplin das sein soll), die Leute, die Trump favorisieren, hätten „die Nase voll“, und was früher ein Vorteil gewesen sei – Wissen, Erfahrung – sei heute ein Nachteil; wir lebten nämlich in „postrationalen Zeiten.“ Zuvor nennt er nicht nur den Erfolg Trumps, sondern auch den von Bernie Sanders als Beispiel; womit er Sanders, immerhin einen durchaus erfahrenen Politiker, in eine Tonne mit rechtspopulistischen Schreihälsen und Fremdenhassern wirft.

Warum? Sanders ist Kapitalismuskritiker; er redet gegen den etablierten status quo. Sanders ist gegen das herrschende Wirtschafts- und Finanzsystem; er will bestehende Verhältnisse ändern. Macht einen das „irrational“? Von einer bestimmten Warte betrachtet, durchaus.

Das bürgerliche und politische Establishment holt derzeit eine ganz alte Deutungkeule wieder aus der Mottenkiste – die des Irrationalismus. Auch die Kanzlerin hat ein schönes Wort dafür gefunden; wir lebten, sagte sie vor einiger Zeit, in „postfaktischen Zeiten“. Die Floskel ist begierig aufgegriffen worden (obwohl Herr Sathom nicht glaubt, daß ihr eine lange Halbwertzeit beschieden sein wird – zu umständlich); lediglich das Magazin quer des BR – soweit Herr Sathom weiß – hat die blödsinnige Formulierung veralbert und gefragt, wann die faktischen Zeiten, die der Begriff als vorangehend impliziert, denn gewesen sein sollen. Tatsächlich bedeutet „postfaktisch“ gar nichts – für das, was Frau Merkel wohl sagen wollte, wäre „faktenfeindlich“ eher zutreffend; es handelt sich möglicherweise um die Kopfgeburt eines PR-Schlaumeiers, der eine Assoziation zu „postmodern“ herstellen wollte, damit das Ganze nach was klingt. Insofern ist Herrn Bramls Wortwahl sicher die exaktere (falls es sich bei ihm um den Josef Braml handelt, den Wikipedia kennt, ist seine Äußerung auf phoenix allerdings merkwürdig; der dortige Braml scheint kein schlechter Kopf). Was aber sollte Merkels Äußerung im Rahmen einer Rede, in der sie auch für ihre wenigen guten Entscheidungen (etwa die zu Beginn der „Flüchtlingskrise“) zu Kreuze kroch, eigentlich bedeuten? Daß sie bedauere, es bei ihren Kritikern mit einem Haufen Idioten zu tun zu haben? Nun, wohl genau das. Eigentlich hat sie nichts falsch gemacht – außer, nicht daran zu denken, daß die ganzen Trottel da draußen nicht kapieren, wie alternativlos richtig alles ist, das die Herrschenden tun.

Die beunruhigende Tendenz der letzten Zeit scheint nun die: Wo immer kluge Leute in Talkshows oder Expertenrunden die besorgten Köpfe zusammenstecken, lauten die Erklärungen für das Auseinanderklaffen der Gesellschaft, für Unmut der Bevölkerung oder Wahlerfolge einer gewiß sehr widerwärtigen Partei, ganz ähnlich. Was die etablierten Träger der Macht verfügen, was die zertifizierten Weltdeuter in Kommentaren so und so „einordnen“, ist „rational“; jeder Widerspruch das Gegenteil. Es spielt keine Rolle, ob irgendwelche Arschlöcher auf der Straße ihren Haß auf Homosexuelle und Ausländer herausbrüllen, oder ob berufene Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler sachlich begründete Zweifel an diesem oder jenem Zustand von Wirtschaftssystem und Gesellschaft anmelden: Wer nicht in der festgelegten Spur bleibt, labert irrationale Scheiße. Und weil es diese Leute gibt (ganz wurscht, warum es sie gibt, und weshalb sie sich über Nacht so vermehrt haben sollen), spaltet sich die Gesellschaft.

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