:: Rezo zerstört die Presse (and serves them well done)

Wie Rezo fragt sich also auch Herr Sathom, was Journalisten zu so offensichtlichen Falschbehauptungen veranlassen könnte (oder, bei Greta, auch die Kanzlerin); er kann sich zwei Gründe vorstellen. Einmal die bewußte Absicht, bestimmte Diskursteilnehmer zu diskreditieren (wie es die „Bild“ kürzlich mit Drosten versuchte); im Fall Rezos und Thunbergs aber auch, daß gerade lang etablierte Machtmenschen und Meinungsmacher sich einfach nicht vorstellen können, daß junge, sogar sehr junge Menschen sich so kompetent äußern könnten. In diesem Fall würden sie etwas schlußfolgern, das ihnen selbst völlig plausibel erscheint, daß es nämlich Hinterleute geben müsse, und dieser wilde Einfall würde es in ihren Köpfen von der Mutmaßung zur Gewißheit bringen, die sie nicht mehr überprüfen müssen. So oder so weist Rezo hier auf ein Problem hin, das über bloße Zeitungsenten hinaus geht. Wenn nämlich Journalisten selbst Verschwörungsgarn spinnen, ist das fatal; eine Verzerrung des Diskurses, und damit letztlich eine Gefahr für die Demokratie. (Und, möchte man ergänzen, es zeigt etwas auf – daß nämlich Verschwörungsmythen nicht immer die Sache sogenannter Zukurzgekommener oder Verlierer sind; auch Machthaber, und auch Vertreter des bürgerlichen Mainstreams, bedienen sich ihrer gelegentlich gern.)

So. Und jetzt noch ein paar anschließende rants zum Thema.

Noch einmal: „Die Zerstörung der Presse“ kann nur empfohlen werden, und sei es nur, um ein beeindruckendes Beispiel dafür zu sehen, wie guter Journalismus aussehen kann. Doch nun möchte ich noch einen Aspekt erörtern, der mir enorm wichtig erscheint, und im Video nicht vorkommt – was kein Mangel von Rezos Arbeit ist, sondern eher daran liegen mag, daß er auf konkrete Arbeitsmethoden von Medienvertreter*innen eingeht, während der von mir gemeinte Aspekt eher, sagen wir, „allgemeiner“ Natur ist; ein Problem, das mit der sozialen Zusammensetzung der Branche zusammenhängt und m.E. zu einer Art bürgerlichem Bias führt, der sich auf Berichterstattung und Meinungsbeiträge auswirkt, und sich daher weniger durch Beschreibung konkreter „Methoden“ fassen läßt. Wobei es auch ein Aspekt historischer Art ist, der sich jüngeren Beobachtern vielleicht entzieht.

Was meine ich? Ich bin der Auffassung, daß Presse und öffentlich-rechtliche Medien – obwohl in beiden Bereichen vieles viel besser geworden ist – in den ca. zwei Jahrzehnten zwischen Wende und Finanzkrise soziale, und andere gesellschaftliche Entwicklungen, mit einem fast blockartigen Meinungstenor begleitet haben, der tatsächlich den Eindruck einer meinungstechnischen „Einheitsfront“ erwecken konnte. Das gilt für offene Meinungsäußerungen (etwa in politischen Kolumnen) ebenso wie für die konkrete Berichterstattung, die in der Darstellung von Fakten oft von einer ideologisch bedingten Sicht/Vorauswahl bestimmt scheint (das auch heute noch); dazu gehört z.B., Kritik von Gewerkschaftern an Zuständen etwa bei Amazon sprachlich anders darzustellen als die Erwiderungen von Konzernen und Arbeitgebern. Kritik wird gern wiedergegeben, indem sie mit Adjektiven wie „angeblich“ verziert, oder durch Einfügungen wie „er glaubte/sie fühlte sich“ etc. in die subjektive Wahrnehmung der Betreffenden verlegt, und damit als potentieller Irrtum gekennzeichnet wird; das betrifft Äußerungen in Arbeitskämpfen ebenso wie biographische Darstellungen z.B. früherer Revoluzzer, Außenseiter, oder Aktivisten. (Erstmals aufgefallen ist mir das bei einer Doku über Janis Joplin, in der sich der deutsch eingesprochene bzw. unterlegte Text genau darin vom englischen Original unterschied; wo Zeitzeugen berichteten, daß Joplin von ihrer konservativen Umgebung ausgegrenzt wurde, „fühlte“ oder „glaubte“ sie das in der deutschen Fassung lediglich. Auf dieses Phänomen trifft Herr Sathom seitdem regelmäßig.). Äußerungen von Konzernen z.B. wiederum anläßlich von Arbeitskämpfen, werden dagegen grammatikalisch und syntaktisch gern als Fakten behandelt.

Inhaltlich kam – und kommt, wenn auch inzwischen seltener – hier eine im wesentlichen neoliberale, prokapitalistische Weltsicht und Weltdeutung zum Ausdruck, gepaart mit einer ausgesprochenen Verachtung für die Verlierer dieser Umwälzungsprozesse. Als Ursache vermute ich, daß die meisten Medienvertreter Milieus entstammen – dem bürgerlichen zumeist –, in denen eine solche Verachtung latent existiert, während der Wille und die Fähigkeit, sich in die Lebenssituation ärmerer Menschen, z.B. von Geringverdienern, Hartz-IV-Empfängern, Arbeistlosen etc., empathisch einzufühlen oder deren Perspektive einzunehmen, kaum oder gar nicht vorhanden sind.

2 Kommentare zu „:: Rezo zerstört die Presse (and serves them well done)“

  1. Mir gefällt nur dieses Jugendsprech nicht. Der Titel klingt schon so super unseriös da hatte ich bisher keine Lust mir diese Rezo-Videos überhaupt anzuschauen. Die „zerstörte“ CDU wähnt sich noch immer bester Gesundheit und die „zerstörte“ Presse wird auch lange nach Rezo noch existieren.

    1. Ja, naja, jein. Diese Zerstörungstitel sind deutlich Clickbait (Rezo betont ja im Video gleich zu Anfang, daß es ihm um „Zerstörung“ gar nicht geht). Und mit diesen Jugend- bzw. Digital-Native-Floskeln hab ich auch so meine Probleme (ich mußte tatsächlich nachschauen, was das von Rezo mehrfach verwendete „yolo“ eigentlich bedeutet).
      Aber nachdem ich das CDU-Video auch schon nicht gesehen hatte, allerdings die Reaktionen konservativer Politiker und Medien irgendwas zwischen peinlich und dummdreist fand, dachte ich, ich geb mir das mal. Und sicher, da wird keiner dauerhaft „zerstört“, aber die Kritik fand ich fundiert, berechtigt und sauber recherchiert (aktuelle Reaktionen der beleidigten Leberwürste in den „Qualitätsmedien“ finde ich da schon wieder gnnnjaaaurks).
      Zerstört wird da natürlich auch schon deswegen keiner, weil die Angesprochenen sich weitgehend kritikresistent zeigen und ihrer Klientel hinterher einen Haufen Unsinn darüber erzählen, was Rezo da angeblich sagt und weshalb es angeblich nicht stimmt (allein deshalb wollte ich’s mal selbst gesehen haben, um das beurteilen zu können). Und Rezo selbst hat auch keine Zerstörungsabsicht, eher würde ich sagen, er schätzt die Presse an sich, will sie nur darauf hinweisen, wie manche ihrer Vertreter den Ruf aller kaputtmachen.
      Was die Folgenlosigkeit solcher Aktionen angeht, finde ich übrigens interessant, daß es eine solche Geschichte schon mal gab: 2009 hat Stefan Niggemeier, ein Medienjournalist, in seinem Blog-Artikel „Wutmäander zur Qualitätsdebatte“ der Presse ganz ähnlich die Leviten gelesen. Damals ging es u.a. um die Attacken etablierter Journalisten auf die derzeit neue Blogosphäre; Niggemeier rechnete da der Branche vor, daß sie dem eigenen Qualitätsanspruch, der sie über die Privatfeuilletonisten des Internets erhebe, keineswegs gerecht würde. Hat sich seitdem manches geändert, vieles aber auch nicht. Anscheinend ist das Selbstbild mancher alteingesessener Karriere-Dinsosaurier unantastbar.

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