:: Die Wahnsinnswelten des Fletcher Hanks (I)

Nachdem ich letzte Woche meine neue Blogkategorie „Comics“ eher unzeremoniell eingeweiht habe (statt wie geplant mit großer Fanfare), kann ich auch gleich weitermachen.

In besagtem Artikel erwähnte ich Fantomah, die allgemein als erste Superheldin gilt, geschaffen von Fletcher Hanks; was eine gute Gelegenheit scheint, einmal von Hanks zu sprechen, den man als einen der mysteriösesten Comiczeichner überhaupt bezeichnen kann (und seine Comics als die vermutlich seltsamsten).

Die Leopardenfrauen von der Venus: Das vielleicht ikonischste Bild von Fletcher Hanks kann stellvertretend für sein gesamtes Werk stehen. Alles, was seine Ästhetik ausmacht – irreale Szenerien, zwanghaft ordentlich, subtil unheimlich und doch beinahe komisch, traumähnlich und zugleich steril – findet sich vereint.

Das eine, das erste Bild, das viele Menschen von Fletcher Hanks gesehen haben (traue ich mich zu behaupten), ist womöglich das der angreifenden „Leopardenfrauen von der Venus.“ Das erste, weil sie zum ersten Mal diesen Mann bewußt als Schöpfer von etwas Eigenartigem und Besonderen wahrnahmen; ein Bild von Hanks als solches zum ersten Mal sahen, auch wenn sie andere seiner Comics vielleicht schon früher gelesen hatten. Erst ein solches Bild weckt Aufmerksamkeit für ein Gesamtwerk und die dahinter stehende Person; ist für beide idealtypisch. Es faßt alles zusammen, was Fletcher Hanks‘ Werk ausmacht – Momentaufnahme einer Welt, in der alles verrückt, irreal, doch sogar im Chaos noch von rigider Ordnung beherrscht ist. Von dieser Ästhetik wird noch zu sprechen sein. Doch machen wir zunächst unsere Hausaufgaben.

Wir befinden uns im Golden Age, jener Entwicklungsphase des US-Comicmarktes, in dem die ersten Comic Books, also Comichefte, erschienen. Verleger und Vertriebe begannen, ursprünglich nur als Zeitungsstrips erschienene Stories zu bündeln und in Heftform nachzudrucken; der Erfolg der neuen Magazine führte dazu, daß ihnen bald das Material ausging, so daß Zeichenstudios neue, eigens für diesen Markt produzierte Comics liefern sollten. Comiclegenden wie Will Eisner haben so angefangen; und, als einer ihrer Autoren und Zeichner, Fletcher Hanks.

Was Zeichenstil und Stories angeht – Hanks schrieb, zeichnete und letterte seine Geschichten selbst – drängen sich Vergleiche zum Frühwerk des legendären Basil Wolverton auf; allerdings ist Hanks‘ Zeichenstil, verglichen mit dem Wolvertons, amateurhaft, und seinen Erzählungen fehlt die bestürzende, gelegentlich sogar alptraumhafte Atmosphäre, die Wolverton-Stories wie „Brain Bats from Venus“ oder „They Crawl by Night“ auszeichnet.

Hanks‘ Erzählungen verstören aus anderen Gründen, wobei sie zugleich leichter in den Bereich des Lächerlichen entgleisen (das bei Wolverton auch mitschwingt, dann aber als sarkastischer Kommentar zu den erschreckenden Ereignissen seiner Horror-Comics); was die – bloß oberflächliche – Ähnlichkeit des Zeichenstils angeht, dazu später mehr.

Zunächst: Seltsam an Fletcher Hanks‘ Biographie ist, daß sein Auftritt in der Comicwelt nur relativ kurz währte, und daß so wenig über sein Leben danach bekannt ist. In den Jahren 1939 bis 1941 arbeitete er für Eisner & Iger, Fiction House und Fox Features Syndicate. Nach nur zwei Jahren gab er diese Tätigkeit aus unbekannten Gründen auf; bis dahin hatte er 51 Stories produziert.1) 1976 wurde er erfroren auf einer Parkbank in New York aufgefunden.

Über sein Vorleben sind immerhin einige Details bekannt; nach Aussagen von Familienmitgliedern ein gewalttätiger Alkoholiker, der 1930 mit dem Arbeitslohn seines Sohns verschwand, lernte er Zeichnen via Fernkurs, woraufhin er sich ab 1911 als „Cartoonist“ bezeichnete. Seine Einkünfte scheint er bis zum Eintritt ins Comicgeschäft damit verdient zu haben, Wandgemälde für wohlhabende Auftraggeber anzufertigen.

In Hanks‘ Biographie klaffen also gewaltige Lücken; sie ist ein Millionenschicksal. Es würde kaum interessieren, wären da nicht eben auch – seine Comics.


1) Die Angaben hierzu variieren; andere Quellen sprechen von 48 oder 53 Stories. Ich beziehe mich auf den englischsprachigen Wikipedia-Eintrag. Die Abweichungen rühren möglicherweise daher, daß Hanks auch unter Pseudonymen wie Hank Christy, Barclay Flagg u.v.m. veröffentlichte; einige davon scheinen „Hausnamen“ gewesen zu sein, die auch andere Autor*innen/Zeichner*innen verwendeten. Soweit ich feststellen kann, wurde z.B. seine Serie Space Smith unter dem Pseudonym Hank Christy von Anderen fortgesetzt.

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