Nachdem der erste Teil die inhaltlichen Eigenarten der Stories des Comickünstlers Fletcher Hanks behandelte, soll es heute um seinen Zeichenstil und seine Erzählweise gehen. Wie erzeugen sie die eigenartige Wirkung, die an Hanks‘ Werk trotz der Tendenz zum Lächerlichen fasziniert?
Beginnen wir mit Symmetrie.
In Bildern, die große Massen von Lebewesen zeigen (vornehmlich Gegner, die bei Hanks stets hordenweise auftreten), wird eine enorme Tendenz zur Wiederholung sichtbar. Alle Gorillas, die unter Kontrolle eines bösen Wissenschaftlers Fantomahs Dschungel bedrohen, sehen fast bis ins letzte Detail gleich aus; die Leopardenfrauen von der Venus (siehe vorangehender Beitrag) ebenfalls. Menschen, Tiere, Ungeheuer – immer wieder treten sie in Massenszenen auf, fast ununterscheidbar, ihre Körperhaltung nur in Details voneinander abweichend.

Nun könnte es sein, daß Fletcher Hanks schlicht faul war – oder unter Zeitdruck stand. Durchpausen und Abkupfern waren bei damaligen Zeichnern üblich, da sie möglichst viel Material in möglichst kurzer Zeit liefern mußten, um angesichts der extrem niedrigen Honorare über die Runden zu kommen. Hanks hätte diese Methode dann allerdings zum Extrem getrieben. Doch: Im Gegensatz zu anderen Zeichnern schien er nie die Werke von Konkurrenten zu kopieren. Lediglich das eigene (bzw. die Vorlagen, nach denen er arbeitet), immer und immer wieder, und auch das nur innerhalb derselben Geschichte. Und so erweckt sein Werk oft einen durchaus zwanghaften Eindruck; den einer gezeichneten Zwangshandlung, auf dem Papier zum Standbild verewigt. Vielleicht war das tatsächlich nur Methode – doch man stellt sich Fletcher Hanks vor, wie er, über sein Zeichenpult gebeugt, immer und immer wieder dieselbe Bewegung wiederholt, ein ums andere Mal die gleichen Striche zieht, besessen davon, das ewig Gleiche zu reproduzieren.

Ob Raubtiere die Stadt überrennen, Menschen ins Weltall stürzen, weil jemand die Erdanziehungskraft abgeschaltet hat, oder Venusfrauen auf Sauriern durchs Weltall reiten und dabei ihr „Kometenfeuer“ abschießen – selbst in Augenblicken größten Aufruhrs gefriert der Kosmos des Fletcher Hanks zu harmonischer Symmetrie; in ihrer Gleichförmigkeit faszinierend, doch zugleich beunruhigend, als hätte jemand versucht, dem Chaos eine gewaltsame Ordnung aufzuzwingen. Überhaupt wirken seine Figuren meist wie unbeweglich; wo andere Comics Bewegung suggerieren wollen, sehen wir bei Hanks eine Folge photographischer Einzelbilder, auf denen Lebewesen wie erstarrt in der Luft hängen, statt zu springen. Sogar, wenn der Zeichner selten Speed Lines verwendet, scheinen die fliegenden Superheld*innen eher in deren steif gezeichneten Lichtstrahl gebannt.

Man kann diesen Stil schön finden, wie es dieser Autor tut; und tatsächlich entwickeln Hanks‘ Bilder einen eigenartigen ästhetischen Reiz, einen so faszinierenden wie verstörenden Eindruck ähnlich dem, den manche Kunstwerke schizophrener Patienten hervorrufen. Sie haben etwas Exzessives und wirken zugleich, als hätte jemand mühsam versucht, den eigenen Trieb zu zügeln. Es mag sein, daß in seinem Fall nicht der Schlaf der Vernunft, sondern das Delirium Tremens die Ungeheuer gebar.
Daß in Hanks‘ Bildern eine „übergeordnete und stringent verfolgte künstlerische Vision sichtbar“ würde, wie Oliver Ristau in einem Tagesspiegel-Artikel behauptet, kann man dagegen vermutlich als Quatsch abtun (wie der ganze Artikel ein hübsches Beispiel dafür ist, wie man durch exzessiven Gebrauch des elaborierten Codes inhaltliche Substanz vortäuschen kann, während man dummes Zeug erzählt). Das würde ich bei Basil Wolverton (scheint, ich werde demnächst was über ihn schreiben müssen – er drängt sich immer wieder rein) unterstellen, denn dergleichen erfordert Kontrolle. Hanks‘ Zeichnungen dagegen wirken, als würden seine Einfälle ihn kontrollieren.
Das muß alles nicht stimmen. Vielleicht entspringen die Produktionen von Fletcher Hanks einem von Dämonen gejagten, zugleich regressiv kindlich gebliebenen Geist; vielleicht sind sie nur Machwerke eines Mannes, der einen schnellen Dollar brauchte und sich einen Teufel um alles scherte, der ungefilterte Ideen hinkritzelte, um Deadlines einzuhalten. Mangels biographischer Einzelheiten läßt sich das kaum entscheiden; daß Hanks nur ein Pfuscher war und es wußte, wie eine Rezension im TITEL Kulturmagazin wissen will, ist angesichts der Datenlage jedenfalls so spekulativ, wie ihn zum künstlerischen Visionär zu erklären.1) Am Ende wirken die Geschichten m.E. ein wenig zu besessen, die Inhalte zu wahnhaft, um zu glauben, es könnte sich nur um die zweite Möglichkeit handeln. Vielleicht um eine Mischung aus beiden.
1) Es ist überhaupt kurios, wie hier zwei Rezensenten angesichts desselben Buchs (also auch identischer Hintergrundinformationen) zu so völlig gegensätzlichen Einschätzungen kommen. Gelegentlich gebärden sich Rezensent*innen, als säßen sie in den Köpfen der jeweils besprochenen Kreativen; wahrscheinlicher ist, daß sie das, was ihnen plausibel erscheint, über die Wirklichkeit der Betreffenden stülpen. Woher sie es „wissen“ wollen, bleibt jedenfalls fraglich.▲