Und: Warum Rezo fast recht hat, aber nicht ganz.
Machen wir uns nichts vor: Die Corona-Politik der Bundesregierung – aber auch die der Länder, Kommunen und Städte – ist ein einziger Clusterfuck. Eine Katastrophe; ein Abgrund an Versagen; ein Panoptikum der Unfähigkeit und Verantwortungslosigkeit. Aber – und das, um mal eine Hauptursache dieses Versagens vorwegzunehmen – die Verursacher meinen, sie machten alles richtig; und sie glauben das wirklich. Woran das liegt, und weshalb das Problem weit über die Handhabung der Pandemie hinausgeht (meines Erachtens jedenfalls), will ich im Folgenden zu erklären versuchen.
Zunächst zum Vergleich: Kaum daß die Amis Trump los geworden sind, impfen sie wie verrückt; bereits ein Drittel der US-Bevölkerung hat die Erstimpfung erhalten. Im internationalen Ranking der Staaten, die demnächst eine Herdenimmunität bzw. Durchimpfung erreichen werden, liegen die USA auf Platz drei. Deutschland? Auf Platz zehn. Hinter Brasilien. Wirklich, reife Leistung, Leute.
Zugleich meldet die heute-show am 09.04., daß in Großbritannien in Kürze alle(!) Bürger wöchentlich Selbsttests zugeschickt bekommen. Soviel zu den Möglichkeiten, wenn man ein konkretes Ziel hat – und einen Plan, wie man es erreicht.
Ein Ziel, ein Plan – damit wären wir schon bei den Stichworten, bei denen es hierzulande hapert. Aber woran liegt das?
Gelegentlich ist hier von „Staatsversagen“ die Rede; das führt allerdings in die Irre. Es handelt sich nicht um ein Versagen des Staates, sondern einer ganz bestimmten Politik; und zwar einer, ironischerweise, für die eine größtmögliche Passivität des Staates den Kern ihrer Ideologie bildet.
Aber der Reihe nach. Daß die deutsche Politik angesichts der Pandemie ein recht trauriges Schauspiel abliefert, wird ja nicht erst seit gestern beklagt; kürzlich hat sich auch Rezo – zunächst auf Twitch, dann in einem aus den Twitch-Posts zusammengeschnittenen YouTube-Video – in gewohnter Manier, und ziemlich vernichtend, geäußert. Im großen und Ganzen hat er mit allem, was er da sagt, recht; so recht, daß alle, die sich über die Art des Vortrags und die Wortwahl ereifern, Herrn Sathom gern mal seinen haarigen Alte-Weiße-Männer-Rücken runterrodeln können. Das Video – dem ich fast völlig zustimme, zumal es erfrischend befreiend ist – sollte man sich unbedingt ansehen; es gibt nur einen Punkt, in dem sich Rezo m.E. irrt. Und zwar, was die Ursache dieses Versagens – bzw., in seiner Formulierung, das „krasseste“ Versagen – angeht.
Dabei ist er eigentlich schon auf der richtigen Spur. Wiederholt beschreibt er das Verhalten der Regierenden als „Arbeitsverweigerung“; und spricht davon, daß sie einer Agenda des Nichthandelns folgen, die in einer Krise absolut schädlich sei („Das Krasseste is, daß diese Leute Nicht-Handeln als Defaultwert sehen, als Grundwert, was die einfach so grundsätzlich machen.“). Die größte Verfehlung allerdings liege, so Rezo, in einer Geringschätzung der Wissenschaft seitens der Politikerïnnen: „Das Krasseste ist, finde ich, die unterliegende Wissenschaftsfeindlichkeit, die grundsätzliche Haltung, sich irrational zu verhalten. […] Das ist das Krasseste. Ist diese tiefsitzende Respektlosigkeit vor wissenschaftlichen Erkenntnissen, vor den Prinzipien der Logik, den Prinzipien von rationalem Denken.“
Ähm, na ja … jein. Die Verachtung der Wissenschaft ist sicherlich zutreffend beobachtet; allerdings eher ein Symptom als eine Ursache. Diese liegt tiefer, und existiert schon lange – und prägt deutsche Politik weit über die augenblickliche Situation hinaus. Wir haben es, und das sieht Rezo schon ganz richtig, mit einer Form politischen (Nicht-)Handelns zu tun. Einer, die allerdings Ausdruck einer ganz bestimmten, schon vor 16 – 20 Jahren etablierten Ideologie ist.