:: Gebildete Menschenverachtung

Guten Tag.

Willkommen bei der Sendung mit dem Herrn Sathom. Heute: Wie stellt man es eigentlich an, sich und die eigene soziale Schicht als elitär und überlegen darzustellen, Angehörige anderer sozialer Gruppen dagegen abzuwerten – und zugleich so zu tun, als täte man das nicht, und sei sogar selbst das Opfer von Vorurteilen? Insbesondere dann, wenn einem Kritik am eigenen Standesdünkel entgegenschlägt?

Da hilft uns ein vor einiger Zeit in der taz erschienener Artikel; er kann als Beispiel für die Anwendung dieser Methode dienen. Wobei man diese auch in anderen Meinungskommentaren meist bürgerlicher Medien immer wieder mal findet.

Unter dem Vorwand, die machtpolitischen „Kalküle des Kanzlers“ Olaf Scholz zu behandeln, führt uns die Autorin der taz-Kolumne einige dieser Tricks vor. Für Faulpelze, die keine Quellen lesen wollen: Sie handelt im Wesentlichen davon, daß Olaf Scholz sich angeblich anschickt, in populistischer Manier abwertende Vorurteile über eine selbstgerechte, woke Elite zu verbreiten, um die „Kleinen Leute“ hinter sich zu bringen. Wenigstens müht die Autorin sich redlich, einen entsprechenden Vorwurf an ziemlich dünnen Haaren um drei Ecken zu zerren. Übrigens: Ich bin gewiß kein Fan von Olaf Scholz, weder vor der Wahl noch jetzt; aber um seine Person geht es auch gar nicht. Im genannten Meinungskommentar übrigens auch nicht. Sondern eben darum, die bürgerlich-neoliberale Schicht als ausschließlich positive Kraft darzustellen, der ein zurückgebliebener Stammtischmob gegenüber steht. Wobei alle „Elitären“ eben durch die Bank als gut, alle Anderen ebenso blockartig als „schlecht“ dargestellt werden.

Wie geht sie nun dabei vor, und was können wir daraus lernen, falls wir sowas auch mal machen wollen?

1.) Vermeiden Sie offenen Klassismus.

Schreiben sie nicht, daß die Angehörigen ärmerer, oder bildungsbenachteiligter, Bevölkerungsschichten dumm geboren sind; das ist, was Thilo Sarrazin tun würde. So wie er die soziale Benachteiligung auf genetische Minderwertigkeit zurückzuführen, wäre schon kein Klassismus mehr, sondern das, was der französische Soziologe Didier Eribon „Sozialrassismus“ nennt. Das wäre plump und ein bißchen politisch unkorrekt. Schreiben sie also z.B., wie die taz-Autorin: „Die Rede ist viel von sogenannten normalen Menschen, in Abgrenzung gegen die Eliten und im Kern damit gegen jenes [sic!] aufgeklärte bürgerliche Klientel, das Grüne und FDP repräsentieren.“

Puh. Dieser Satz leistet eine Menge Arbeit. Zerlegen wir die mal in ihre einzelnen Schritte.

Erstens: Behauptet wird die Existenz einer Elite; anders als bei Verschwörungstheoretikern ist diese allerdings positiv besetzt, besteht nämlich aus „aufgeklärten“ Leuten. Die Grünen und die FDP repräsentieren diese Leute; die Wählerschaft beider Parteien stellt also diese Elite. Die ist bürgerlich, also wiederum identisch mit dem Bürgertum. Bürgerlich = aufgeklärt = Grüne & FDP, das in eins gesetzt macht die gesellschaftliche Avantgarde aus. Der Umkehrschluß: Wer nicht zu dieser Klientel gehört, ist nicht aufgeklärt, das Gegenteil von Elite. Dieses negative Vorurteil gegenüber den „sogenannten normalen Menschen“ muß jedoch nicht eigens ausgesprochen werden – es ergibt sich implizit aus dem Gesagten. Der Trick also: Die Betonung der eigenen Vorzüge transportiert immer auch ihr Gegenteil, die Abwertung der Anderen; nur muß man dann nicht daherkommen wie ein böser Menschenverächter. Damit wären wir bei:

2.) Arbeiten Sie mit Implikationen.

Also: „Statt die da unten sind blöd geboren und moralische Versager“ lieber „Die da oben sind gebildet, aufgeklärt und moralisch überlegen“, und den Rest der Phantasie von Leserin und Leser überlassen. Aus Scholz‘ – zugegebenermaßen plump jovialer – Behauptung, Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hielten sich nicht für „was Besseres“, flicht die Autorin den Verdacht, hier würden Vorurteile gegenüber einer „elitären neuen Mittelklasse“ geschürt, einer, die sich auf Kosten der Arbeitenden bereichere und einen „woken“ Lebensstil diktiere.

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