:: Rebellion! Oder: Die Rückkehr der Kobra

Willkommen zu Teil Zwei von „Opa erzählt von früher“ einer Comic-historischen Erörterung der Populärkultur der 1970er Jahre, exemplifiziert an einem Sammelwerk trivialer Bildgeschichten.

Im ersten Teil ging es um das Comic-Magazin Kobra, das in den 1970ern und 80ern deutsche Kioske unsicher machte; und wie dort schon im gefragt – warum erzähl ich das alles?

Klar – auch, um in Erinnerungen zu schwelgen. Aber es gibt auch Neuigkeiten. Jedenfalls, wenn man wie ich mit einer gewissen Nostalgie an seinen alten Schmuddelhelden hängt. Waren Zack-Serien wie Luc Orient oder Valerian niveauvolle Science-Fiction, dann waren Archie und Mytek die schwarzen Schafe in ihrer Verwandtschaft; siedelten auf dem gleichen Niveau wie die Horror-Romanhefte (Monstrula, Professor Zamorra, you name it) der damaligen Zeit. In Großbritannien sind sie aber nach wie vor Gegenstand nostalgischer Gefühle. Sie erlebten sogar mehrere kurze Revivals, ein Großteil der IPC-Helden z.B. in Alan Moores Albion, einer Miniserie, die ihr späteres Schicksal beleuchtet.

Rebellion bringt Kobra-Serien zurück

Ich will hier nicht die verzwickten Wege aufzeigen, die diese britischen Comic-Klassiker durch diverse Publikationen (Valiant, Smash! etc.) und Besitzerhände (IPC, Fleetway, Robert Maxwell, Egmont UK) genommen haben; sie sind zuletzt offenbar im selben Hafen angespült worden. Der britische Computerspiele-Entwickler Rebellion, der schon anfang 2000 ins Comicgeschäft eingestiegen ist (durch Erwerb von 2000 AD, dem Heimatmagazin von Judge Dredd), hält auch die Rechte an den o.g. Serien – und hat begonnen, sie unter dem Label Treasury of British Comics in Sammelbänden neu aufzulegen. Bisher waren The Spider, Karl the Viking, und The Steel Claw dabei, die nicht unbedingt zu meinen Favoriten zählten; ich warte bzw. hoffe also noch auf Mytek oder Archie. Schön wäre auch – nachdem sie nun schon 2000 AD im Sack haben – einmal Serien wie Nikolai Dante oder The Inspectre gesammelt lesen zu können. Wie auch immer – es lohnt sich, die Augen offen zu halten, falls ihr alte Kobra-Fans seid und eure Helden mal im wieder erleben wollt (Englischkenntnisse vorausgesetzt). Und wenn ihr, wie ich, zu faul seid, sämtliche alten Kobra-Hefte in angegrabbeltem Zustand auf Ebay zusammenzukaufen, wobei dann immer Hefte fehlen oder Seiten aus den Heften, oder frühere Besitzerïnnen den Leuten mit dem Kuli Schnurrbärte gemalt haben.

So. Und für die wo’s interessiert, jetzt noch ein kleiner historischer Exkurs.

Denn aus heutiger Sicht interessieren Herrn Sathom nicht nur die nostalgisch erinnerten Comics an sich, sondern auch die Hintergründe der Veröffentlichung, über die man damals ja ahnungslos blieb (was einen oft ratlos zurückließ, wenn man sich etwa fragte, warum das geliebte Zack eingestellt wurde, oder wieso der Dialog eines Comanche-Albums nicht zu den Bildern paßte (weil er zensiert worden war, deshalb)). Er nimmt an, daß es anderen Comic-Nostalgikerïnnen ähnlich geht (warum sonst sollte es im Netz von diesbezüglichen Artikeln wimmeln)? Daher hier einige kurze Fakten.

Optisch und inhaltlich war Kobra (fast) identisch mit Vulcan, einem Magazin, das zuerst in Schottland, dann im ganzen UK erschien; ironischerweise wurde auch die englischsprachige Ausgabe in Deutschland gedruckt, Resultat einer Kooperation zwischen IPC, dem britischen Rechteinhaber, und dem Schweizer Gevacur-Verlag. Vulcan/Kobra enthielt Comics, die bereits in anderen britischen Magazinen wie Valiant erschienen waren (lediglich Archie wurde auf Grundlage alter Skripte neu gezeichnet, vielleicht, wie die o.a. Quelle mutmaßt, um es an die 70er Jahre anzupassen). Soweit ich überhaupt etwas davon verstehe, war die Produktion aus einer Hand eine Möglichkeit, die Hefte zwar nicht „billig“ herzustellen, aber doch einigermaßen bequem – man mußte nur die jeweils die Druckplatte mit der Sprachversion auswechseln, und einfach mit denselben Farbplatten weiterdrucken. Manche Quellen betonen, daß der Druck auf Glanzpapier damals ungewöhnlich war, was allerdings nicht für den deutschen Markt zu gelten scheint, auf dem ja sogar Fix und Foxi mit solchem Papier erschienen. Andere Quellen reden von sehr billigem Papier, was aber womöglich eine Verwechslung mit der englischen Drittverwurstung in einem „pull-out mini-mag“ darstellt. Überhaupt sind die Quellen nicht nur in dieser Hinsicht teilweise widersprüchlich bzw. unklar; bei den Archie-Stories im Siebziger-Look könnte es sich auch um Erzählungen handeln, die überhaupt nicht in Großbritannien entstanden sind, sondern um niederländische Produktionen (Archie war dort sehr populär und wurde mit eigenen Abenteuern fortgesetzt, als die Serie im UK zunächst eingestellt wurde; diese Stories wanderten dann, ins Englische übersetzt, später zurück über den Kanal). Anders ausgedrückt: Welche, und wieviele der Archie-Geschichten in den 70ern neu entstanden, oder nur neu gezeichnet wurden, ist zumindest mit bloßer Internet-Recherche so gut wie nicht herausfinden. In wie vielen Sprachen das Magazin erschien, ist ebenfalls schwer festzustellen; es muß aber mindestens noch eine italienische Version gegeben haben.

Kurz, die Quellen sind teilweise widersprüchlich bzw. mißverständlich formuliert; ein Problem insbesondere, wenn die heutigen Informationen aus Interviews stammen, die nur die Erinnerungen damals Beteiligter wiedergeben. Eine ähnliche Schwierigkeit besteht ja z.B. bei den einander widersprechenden Erinnerungen von Zeitzeugen wie Stan Lee und Jack Kirby, wenn es um die Frage geht, wer wann was zur Entstehung der frühen Marvel-Superheldïnnen beigetragen hat. Was alles nicht verwundern kann, da sich damals kaum jemand die Mühe machte, solche Hintergründe akribisch zu dokumentieren – man könnte auf den Gedanken kommen, daß nicht nur besorgte, konservative Eltern Comics für Schund hielten, sondern daß auch die „Macher“ selbst ihre Produkte als eine Art literarisches „Fast Food“ betrachteten, und daher nie damit rechneten, daß sie später historisches Interesse wecken könnten. Als Leserïn erfuhr man ohnehin nichts von solchen Hintergründen; eine Wissenslücke, die für mich erst das in den 80er entdeckte Magazin Die Sprechblase stopfte.

Soviel dazu (zur Sprechblase vielleicht später einmal mehr). Ich werde verfolgen, was sich bei Rebellion bzw. der Treasury of British Comics tut, und ggf. berichten (und nein, ich kriege kein Geld dafür, daß ich die dauernd erwähne); einstweilen habe ich dort Black Beth vorbestellt – einen Comic, den Kobra-Fans vermutlich nicht kennen (ich bisher auch nicht). Warum? Weil es da nie erschien. Black Beth wurde ursprünglich für das Horror-Magazin Scream! konzipiert, aber während dessen kurzer Laufzeit nie veröffentlicht (erst später in den 1980ern); die einzige Originalgeschichte wurde von Erotik-Künstler Blas Gallego und einem unbekannten Autor geschaffen. Zusammen mit neuen Stories wird Rebellion im Juni ein Black Beth-Album herausbringen. Das ist insofern interessant, als die Zeichnerin der neuen Geschichten (die Newcomerin DaNi), die offenbar sehr versatil zwischen unterschiedlichen Zeichenstilen wechseln kann, hier deutlich die spanische Schule wieder zum Leben erweckt; und weil die Heldin, obwohl natürlich ein weiterer Red Sonya-Verschnitt und eben von Gallego geschaffen, zumindest optisch nicht ins Schema vollbusiger Klischeeamazonen paßt. Offen gesagt weiß ich nicht, ob’s mir gefallen wird; aber irgendwie wecken die vorab veröffentlichten Seiten bei mir eben diese Nostalgiegefühle, und ich werd mir das Ganze mal anschauen. Wie gesagt erst im Juni – aber dann folgt ggf. eine Rezension.


P.S. Ich meine die Einleitung nur halb unernst. Natürlich sagt die Existenz (und der zeitweise Erfolg) eines nach damaligen Kriterien schundigen Comichefts etwas über den Zeitgeist der 70er und 80er aus, so wie es auch die damals unerhört erfolgreichen Horror-Romanhefte tun; und was genau das über die damalige Gesellschaft aussagt, wäre tatsächlich einmal eine genauere Betrachtung wert, die ich vielleicht irgendwann hier durchführen werde.

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