:: Do you come for my Propaganda (2)

Ohne lange Vorrede zu weiteren Formen der Propaganda (Einleitung und andere Beispiele im ersten Teil):

Propaganda durch Verschweigen oder Verharmlosung

Auch hier gebärdet sich die russische Propaganda ganz klassisch. Begriffe wie „Krieg“ im Zusammenhang mit der Ukraine zu verwenden, ist gesetzlich verboten; es herrscht eine totalitäre Medienzensur. Dargestellt wird die Aktion als begrenzte, militärische „Spezialoperation“. Zahlen eigener Verluste werden geschönt, die Versenkung des eigenen Flaggschiffs als spontane Selbstentzündung verkauft. Der auf Internetplattformen ausgeübte Druck führt dazu, daß diese sich ganz aus Rußland zurückziehen oder, wie TikTok, sämtliche Erwähnungen des Krieges verbannen – wer sich in Rußland auf TikTok bewegt, müßte allein von den dort sichtbaren Postings nicht einmal wissen, daß in der Ukraine überhaupt etwas passiert.

Hier allerdings spielen westliche Medien auch gerne mit – wenn auch weniger offensichtlich.

Auffällig ist, daß das Vorhandensein rechtsnationaler Tendenzen, über die vor dem Ukrainekrieg ganz offen berichtet wurde, plötzlich heruntergespielt wird. Ein gutes Beispiel ist das „Regiment Asow“, eine paramilitärische Organisation, die in der Ukraine gegen die russische Armee kämpft (und vorher gegen prorussische Separatisten im Osten des Landes). Darüber, daß es sich um eine faschistische Gruppe handelt, wurde bis zum Ausbruch des Konflikts auch hierzulande transparent berichtet; seit Beginn des Krieges wird das Regiment vorsichtig als „nationalistisch“ bezeichnet, manchmal vorbeugend behauptet, nur die Russen würden ihm Nazi-Tendenzen unterstellen. In der Vergangenheit bekannt gewordene Menschenrechtsverletzungen finden überhaupt keine Erwähnung mehr. Der Grund solcher Berichterstattung ist klar: Man fürchtet, die russische Propaganda vom „Naziland“ Ukraine zu bestätigen. Dabei wären solche Befürchtungen unnötig, wenn man konsequent offen berichten würde – wie hier schon früher ausgeführt, kämen alle rechten Parteien zusammen in der Ukraine derzeit auf ca. 2,5% der Wählerïnnenstimmen. Das könnte man so kommunizieren; stattdessen werden möglicherweise bedenkliche Fakten aus Übervorsicht lieber gar nicht erwähnt. Dahinter steht ein prinzipielles Problem unserer Medien, das zur Wahrnehmung als „Lügenpresse“ beiträgt – nämlich die Selbstwahrnehmung des eigenen Berichterstattungsauftrags als pädagogische Mission. Man traut dem Publikum nicht zu, Informationen differenziert zu bewerten und meint, es vor problematische Tatsachen „schützen“ zu müssen. Aktuell kommt vielleicht der Umstand hinzu, daß Angehörige des Regiments zu den Truppen gehören, die noch im gleichnamigen Stahlwerk in Mariupol eingeschlossen sind – dieses Regiment differenziert darzustellen, scheint daher zu viel Überwindung zu kosten. Auch darin liegt eine Gefahr – hier wie in der Ukraine könnte es dazu führen, das Asow-Regiment unter Ausblendung seines Hintergrunds zu heroisieren.

Westliche Medien, die deutschen zumal, agieren in der Disziplin „Verschweigen und Verharmlosen“ subtiler als russische Staatsmedien; und an die Stelle verordneter tritt eine Selbstzensur, getrieben von dem Wunsch, auf der „richtigen Seite“ zu stehen und der „guten Sache“ nicht zu schaden (ein recht guter Artikel hierzu findet sich übrigens im Tagesspiegel).

Strategische Kommunikation

Nicht jede Propagandameldung richtet sich an die eigene Bevölkerung. Manchmal ist der Adressat tatsächlich – der Gegner. So verbreitete sich z.B. vor einiger Zeit die Nachricht, russische Geheimdienstleute hätten der Ukraine Pläne für einen Anschlag auf Präsident Selenskyj gesteckt – was stimmen kann oder nicht; der Witz ist: Selbst wenn die Gegenseite vermutet, daß es sich nur um eine Propagandalüge handelt, muß sie die Behauptung untersuchen. Die Möglichkeit, daß Verräter innerhalb des russischen Geheimdienstes mit der Ukraine sympathisieren, kann nicht ignoriert werden. Das dürfte in den eigenen Reihen zu Paranoia führen, und die dortigen Abläufe stören. Dieser Kommunikationscoup ist besonders deshalb so raffiniert, weil es dem Gegner nichts nützt, anzunehmen, daß es sich „nur“ um Propaganda handelt; er ist gezwungen, so zu handeln, als träfe die Behauptung zu (denn wirklich sicher sein kann er nicht).

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