:: Comic-Kritik: Jörg Buttgereits Captain Berlin

Puh. Ich glaube, das wird ein Comic-Monat. Und warum nicht? Sommer, Urlaub, Comics lesen – so wir früher in den Schulferien. Das Leben kann gut sein.

Meine Erinnerungen an Sommertage im Schatten eines Apfelbaums beziehen sich hauptsächlich – wenn auch nicht ausschließlich – auf Marvel-Comics, und was wäre da eine bessere Reminiszenz als Jörg Buttgereits Superheld Captain Berlin?

Wer Buttgereit ist, muß ich hoffentlich nicht erklären (ansonsten lest’s hier nach); für unsere Zwecke reicht es, zu wissen, daß er ein absoluter Fan von Trash und trivialer Unterhaltung ist. Seine Kunstfigur Captain Berlin feierte ihr Debüt in einem 1982 in West-Berlin gedrehten Kurzfilm; ihm folgten ein weiterer Film sowie Hörspiele und ein Theaterstück. Der Comic entstand eigentlich als Beigabe zur DVD-Veröffentlichung dieses 2007 entstandenen Theaterstücks, Captain Berlin vs. Hitler, und ging 2013 in Serie.

Das damals am Hebbel-Theater aufgeführte Stück wird uns noch kurz beschäftigen; doch wer oder was ist nun eigentlich Captain Berlin, und was kann er?

Captain B. – der als Cape eine Berlinflagge trägt – ist zu Beginn der Geschichte ein vom deutschen Widerstand erschaffener Supersoldat, der Adolf Hitler ausknipsen soll; das klappt nicht so ganz (ein gewisses Bombenattentat kommt dazwischen), und nach einigen Irrungen und Wirrungen (die ich hier nicht verraten will) landet er in Japan, wo er durch den Atombombenabwurf von Hiroshima verstrahlt wird (also Captain Berlin, nicht Hitler). Sein veränderter Metabolismus absorbiert die Strahlung, und erst jetzt wird er von einem eher an Captain America erinnernden Vigilanten mit gesteigerten menschlichen Fähigkeiten zu einem „echten“ Superhelden, der u.a. fliegen kann.

Was ihn jedoch eigentlich von anderen Helden unterscheidet, ist sein enorm verlangsamter Alterungsprozeß – dieser ermöglicht es Buttgereit und seinem Team, den Captain durch alle Jahrzehnte hindurch an wesentlichen Ereignissen in der Mauerstadt, und später Hauptstadt, teilhaben zu lassen. Das geschieht nicht immer chronologisch – die einzelnen Hefte springen jeweils in die Zeit, in der eine Story spielen soll; das läßt Rätsel und Lücken in der Biographie des Helden, die den Fans Gelegenheit zum Rätseln geben, und von den Autoren nach und nach aufgefüllt werden. Womit es sich nicht eigentlich um Handlungslücken handelt – eher um ein Mittel, Spannung aufzubauen, und zugleich eines, das den Autoren ermöglicht, immer die Geschichten zu erzählen, auf die sie gerade Lust haben. Und diese Lust merkt man den Stories an, die Geschichten machen Freude, weil die Macher welche hatten.

Uns so verhindert Captain Berlin mal ein frühes Attentat auf Rudi Dutschke, begegnet dann einer Parodie auf Nicholas Cage, oder bekommt es mit Aleister Crowley zu tun – stets im Kampf gegen seine Erzfeinde, die Altnazis Ilse von Blitzen und Otto Todt, die von Robotern über Schwarze Magie bis zu Zombies alles aufbieten, was die Gruselkiste hergibt.

Die für ein solches Projekt geeigneten Mitstreiter hat Buttgereit bei Weissblech Comics gefunden – einem Verlag, in dessen Programm nicht nur einige trashig-splatterige Horror-Comics vorkommen, sondern auch ein weiterer Superheld namens Zombieman und diverse vollbusige Heroinen, die sich von der Steinzeit bis in die ferne Zukunft durch diverse, manchmal pornographische Szenarien kämpfen.

Ich will hier nicht verhehlen, daß ich einen Teil des Verlagsprogramms, jedenfalls die „erotischen“ Titel, für pubertären Schrott halte – eben das übliche Zeug für „Erwachsene“, deren Persönlichkeitsentwicklung irgendwann einen Auffahrunfall erlitten hat. Das paßt zu einem manchmal nervigen Gehabe der Verlagsleute, die wie kichernde Halbwüchsige darauf hinweisen, daß dieser oder jener Comic – hihihi – vielleicht spießige Normalos schockieren könnte (übrigens: daß ich in diesem Beitrag aufs Gendern verzichte, liegt daran, daß bei Weissblech (fast) nur Männer aktiv sind). Andererseits scheinen die Horrorcomics teilweise recht intelligent, und bürsten sogar gelegentlich etablierte Handlungsklischees gegen den Strich; ein gemischtes Vergnügen also.

Das gilt allerdings nicht für Captain Berlin. Hier führt die – durchaus augenzwinkernde – Liebeserklärung an den Trash, gepaart mit Nostalgie für entsprechende Produkte, zu ausgezeichneten Ergebnissen. Was wiederum Weissblech zum richtigen Partner für Buttgereit macht, der diese Liebe eindeutig teilt. Das äußert sich nicht immer so deutlich wie in der Story Der schreckliche VHS-Mann, in der ein Superschurke die Berlinerïnnen durch Strahlen dazu bringt, sich wie die amoklaufenden Zombiehorden aus Videofilmen zu verhalten; zieht sich aber deutlich spürbar durch viele Geschichten.

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