Ja, ja, ja, Herr Sathom muß sich (mal wieder) für eine lange Abwesenheit entschuldigen. Die Gründe dafür sind – auch wie immer – Personalmangel, Urlaube, Krankheitsfälle und daher Arbeit, Arbeit, Arbeit. Und außerdem einige kafkaeske Anwandlungen gewisser Strom- und Gasversorger, die sich alle gleichzeitig verschworen zu haben schienen, einen IN DEN WAHNSINN ZU TREIBEN.
Aber so sehr das Herrn Sathom auch aufregen mag, waren die eigentlichen Aufregerthemen der letzten Wochen ja andere. Neben Klimaprotesten in Form von Verkehrsblockaden und, ähem, Kunstaktionen – ich werde mich demnächst ausführlich damit auseinandersetzen – war das u.a. das Bürgergeld.
Und dieses Thema regt Herrn Sathom wirklich auf. Genauer gesagt, die Art seiner Behandlung – und deren Folgen. Um so mehr, als sich hier ein Muster zeigt, das auch andere gesellschaftliche Diskussionen prägt (dazu mehr am Ende des Artikels).
Ich hatte mich ja schon einmal ausführlich zum Bürgergeld, das die CDU/CSU inzwischen weitgehend entschärft hat, geäußert – doch vorangehende Debatte, etwa in Talkshows wie Anne Will, ist teils so scheinheilig und verlogen, teils so schlicht dumm und uninformiert, daß man es kaum aushält. Womit sie, wie gesagt, typisch für viele aktuelle Debatten ist.
Hauptsächlich hangelte sich diese Diskussion an der Vorstellung entlang, daß der Einkommensabstand zwischen Geringverdienerïnnen und Empfängerïnnen von Sozialleistungen zu gering würde. Und daß hart arbeitenden Menschen, die dennoch kaum über die Runden kommen, nicht vermittelbar sei, daß andere sich für fast das gleiche Einkommen angeblich nur ausruhen. Als Problem werden nicht die niedrigen Löhne, und als Verantwortliche nicht die Arbeitgeberïnnen-Lobby, sondern die angeblichen „Faulpelze“ ausgemacht. So werden jene, die trotz harter Arbeit kaum etwas haben, gegen die ausgespielt, die noch weniger, oder gar nichts haben. Und diese Aufwiegelung ist, wie manche Umfragen zeigen, offenbar erfolgreich.
Daher noch einmal: Dafür, daß Deutschland ein Land der Geringverdienerïnnen ist, können die Arbeitslosen nichts. Daß Menschen für miese Löhne unter erbärmlichen Bedingungen arbeiten müssen, ist gewollt – und damit sie das tun müssen, soll die Strafe für alle, die keine Arbeit finden (oder angeblich nicht arbeiten wollen), in noch schlechteren Lebensbedingungen bestehen. Die Alternative – besser zu zahlen, und Arbeitsplätze attraktiver zu gestalten – ist nicht gewollt. Anders ausgedrückt: Sozialleistungen sollen niedrig sein, damit die Arbeitseinkommen nicht steigen müssen.
Profiteure dieser Situation sind die Arbeitgeberïnnen und die Politikerïnnen, die auf deren Spenden hoffen; nicht irgendwelche angeblich faulen Hartz-IV-Empfängerïnnen. Doch die Lohnsklavïnnen sollen das nicht merken; ihr Zorn soll sich auf die da unten richten, denen es noch schlechter geht, damit sie gegen diese treten, statt den Blick nach oben zu richten. Und so macht man ihnen weis, die noch Ärmeren bekämen zu viel, und sie sollten wütend auf sie sein, damit sie nicht merken, daß sie selbst zu wenig bekommen (ich glaube, der alte Marx nannte das „Ausbeutung“, aber der ist ja auch aus der Mode).
Die verdrehte Darstellung und Sichtweise des Themas zeigt sich auch bei den verwendeten Begriffen. Von „falschen Anreizen“, die da gesetzt würden, ist die Rede – nun, unter einem Anreiz versteht man traditionell eine Belohnung. Höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen wären solche Belohnungen. Eine Strafe – etwa die Kürzung von Hartz IV – ist kein Anreiz; daß man, wenn man artig ist, drei Peitschenhiebe weniger bekommt als sonst, keine Belohnung. Wenn also von „Anreizen“ gesprochen wird, die in Drohungen existentieller Art bestehen, ist etwas grundsätzlich durcheinandergeraten.