Machen wir da weiter, wo wir letztes Jahr aufgehört haben: Aufregerthemen. Eines hatten wir ja schon; das andere waren in den letzten Monaten die Klimaproteste der „Letzten Generation“. Klimaktivistïnnen also, die u.a. „Anschläge“ (die Anführungszeichen haben ihren Grund – dazu später mehr) auf Kunstwerke verübt, und Straßenblockaden durchgeführt haben.
Ich bin leider mit diesem Thema weitaus später dran, als ursprünglich beabsichtigt; die Gründe sind dieselben geblieben, also Personalmangel, Krankheitsfälle, Arbeit, Arbeit, Arbeit. Zu guter Letzt kam dann noch dank Silvester ein weiterer dazwischen. Bringt es etwas, sich jetzt noch mit den Klimaprotesten zu befassen, nachdem die große Aufregung – von Kunstschändung war die Rede, sogar vom „Klima-RAF“ – inzwischen abgeklungen ist? Ich denke: ja.
Und zwar, weil wir aus der gesamten Affäre etwas lernen können, das weit über die Themen Klimawandel und Aktionismus hinausgeht (so wichtig das Thema Klimawandel auch ist). Etwas über unsere Gesellschaft, über Hierarchien, Klassendünkel, Machtstrukturen; über Heuchelei, Bigotterie, und wie der Fortschritt aufgehalten wird.
Denn die Machtverhältnisse und Strukturen einer Gesellschaft lassen sich sehr gut beleuchten, wenn man beobachtet, wie diese Gesellschaft auf bestimmte Herausforderungen reagiert. Und, genauer gesagt, auf welche sie reagiert, und welche sie abtut oder ignoriert. Auffällig ist z.B., daß der Aktionismus der „Letzten Generation“ so skandalisiert, sogar vor einer zukünftigen, neuen RAF gewarnt wird, während man z.B. den vereitelten Putschversuch einiger Reichsbürger mit Achselzucken abtat. Wieso werden beide Gruppen so unterschiedlich bedrohlich wahrgenommen? Warum scheint es, als ob die einen offenbar „Terroristen“ sein sollen, während man nachweisliche Terroristen mit Waffen und konkreten Plänen verharmlost? Hinzu kommt die Frage, welche Prioritäten von Medien und Mächtigen gesetzt werden, und wer sie setzt – wer z.B. entscheidet, daß ein „Angriff“ auf ein uraltes Gemälde (dem dabei gar nichts passiert) schwerer wiegt als die Zukunft der Menschheit.
Eine Analyse, die daraus Folgerungen für den Zustand unserer Gesellschaft zieht, fällt vielleicht sogar leichter, wenn es im Rückblick, und nicht inmitten der größten Aufregung stattfindet.
Gerade bei soviel Aufregung will Herr Sathom sich also einfach mal nicht aufregen. Schauen wir uns die Ereignisse, die Aktionen und deren Kritik stattdessen einmal ruhig, sachlich und systematisch an.
Dazu muß ich das Thema leider in mehrere Artikel aufteilen, einmal, weil meine Ergüsse lang und geschwätzig sind, zum anderen, weil es tatsächlich in drei Bereiche zerfällt. Diese wären:
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Die Aktionen in Museen („Anschläge“ auf Kunstwerke – keine Sorge, die Anführungszeichen werde ich begründen);
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Die Straßenblockaden
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Die allgemeine Debatte bzw. deren Qualität
Bei den Kunstaktionen und den Straßenblockaden werden wir uns im jeweiligen Artikel ansehen, was eigentlich wirklich passiert ist; und anschließend, ob und inwieweit die Darstellung der Schäden von der Wirklichkeit abweicht, inwiefern die Kritik daher berechtigt, übertrieben, uninformiert oder gelogen ist. Im dritten Teil wird es noch einmal gesondert darum gehen, welche Protagonistïnnen sich über die „Letzte Generation“ echauffieren, welche Argumente sie vorbringen, ob diese gerechtfertigt sind, oder sich entkräften lassen. Es geht dabei weniger um falsche Aussagen zu den wirklichen Taten und Schäden, denn diese werden schon in den vorangehenden Teilen behandelt; sondern um die grundsätzliche Haltung der Kritikerïnnen zu solchen Aktionen, ihre prinzipiellen Bedenken und Befürchtungen – und um ihr Wertesystem, vor dessen Hintergrund sie die Aktionen der „Letzten Generation“ so oder so einordnen (z.B. darum, weshalb etwas als „Kulturgut“ gilt, wer das entscheidet, und warum es „wertvoller“ sein soll als das Überleben künftiger Generationen). Wir werden nicht nur fragen müssen, ob die Kritik sich als inhaltlich falsch überführen läßt, sondern auch, auf welche ideologischen Haltungen sie zurückgeht, und ggf. ob sie überhaupt ehrlich gemeint ist, oder politischen Zielen dient (ich merke gerade, ich werde diesen abschließenden Teil vielleicht noch einmal in zwei aufteilen müssen). Vorab würde ich dazu sagen, daß – soweit meine Recherchen reichen – ein Großteil der Kritik unehrlich ist oder ein bedenkliches Demokratieverständnis zeigt. Wo sie ehrlich gemeint ist, sitzen Kritikerïnnen oft übertriebenen bzw. falschen Informationen auf und äußern sich uninformiert, bzw. ließen sich eben durch die Berichterstattung in die Erregungsspirale treiben. Das wird natürlich zu belegen sein.
Ich möchte noch zwei Dinge voranstellen, auf die wir dabei immer wieder zurückkommen werden. Erstens auf den merkwürdigen Umstand, daß die öffentliche Erregung offenbar Taten gilt, die sich – soweit ich recherchieren konnte – schlicht so nicht ereignet haben. Es geht hier nicht um bloße Übertreibung; es geht um eine beharrliche Falschdarstellung z.B. der Museumsaktionen, bei denen – von einer Ausnahme abgesehen – nie wirklicher Schaden entstand, über die jedoch berichtet wird, als sei genau das der Fall. Das führt zweitens zurück zur erwähnten Frage, warum die Gesellschaft – Medien, Politik, Bevölkerung – ein bestimmtes Handeln skandalisiert bzw. kriminalisiert, während sie andere Sachverhalte, die an sich fataler sind, verharmlost oder ignoriert. Und warum zu diesem Zweck offenbar Sachverhalte behauptet werden müssen, die nicht existieren. Wir werden also auf ein Muster treffen, das sich bei allen Kommentaren, kritischen Äußerungen und Verlautbarungen von Medien und Politikerïnnen wiederholt, so daß auch wir ständig darauf zurückkommen müssen.
Also, viel zu tun; seid ihr bereit? Gut. Dann angeschnallt. Hier geht’s los.