:: Die Abrißbirne an der Brandmauer

You keep using that word. I do not think it
means what you think it means.“

Inigo Montoya in The Princess Bride

Nun ist es also soweit. In Thüringen hat die CDU gemeinsam mit FDP und AfD für eine Gesetzesänderung gestimmt.

Herr Sathom findet: Das ist mehr als ein bloßer „Unfall“, und auch nicht nur „pragmatische“ Politik, weil man zufällig in der Sache übereinstimmt. Es handelt sich tatsächlich um eine – wie Lars Klingbeil (SPD) laut taz sagt – „tektonische Verschiebung“.

Daß das so ist, daß es auch auf inhaltliche bzw. ideologische Schnittmengen hindeutet, und eine parlamentarische – also gesetzgebende – Zusammenarbeit eine wirkliche Verschiebung nach rechts darstellt, hoffe ich im Folgenden zu belegen. Und so haarspalterisch es klingt – der Beleg läßt sich, einmal mehr, durch eine genaue Analyse der verwendeten Sprache führen. Denn Worte haben Bedeutungen; manchmal aber eben auch nicht, oder nicht die, die man meint, und da wird es interessant.

Davon unabhängig muß man sagen, daß die „Brandmauer“, die lange als absolute Grenze zwischen CDU und AfD galt, nun endgültig mehr als nur ein paar Risse aufweist. Das war eigentlich zu erwarten – Friedrich Merz hat die Stimmung vorbereitet, als er sagte, man müsse mit der AfD gegebenenfalls pragmatisch, bzw. in der Sache, zusammenarbeiten; wer geglaubt hat, dabei würde es bleiben, muß zu diesem Zeitpunkt zumindest naiv gewesen sein.

Zudem war diese Brandmauer ohnehin nie als allzu festes Bollwerk errichtet gewesen, eher als lose aufeinander gehäufte Ansammlung von Feldsteinen. Die Art und Weise, wie sich Politikerïnnen von CDU und CSU immer wieder bei der AfD-Wählerïnnenschaft anzuwanzen versuchen, indem sie fremdenfeindliche, LGBTQ+-feindliche, antifeministische, kurz gruppenbezogen menschenfeindliche Parolen von sich geben, zeugt davon, daß es inhaltlich zumindest Schnittmengen gibt.

Allerdings, hieß es nach Merz‘ sommerlichen Äußerungen, würde eine pragmatische Zusammenarbeit ohnehin nur auf lokaler Ebene stattfinden, in Gemeinderäten z.B., aber nicht in gesetzgebenden Versammlungen wie dem Parlament (eine blödsinnige Einlassung, weil sie auf lokaler Ebene ohnehin vorgeschrieben ist).

Genau diese Grenze wurde jetzt überschritten.

Aber: Sollte man selbst mit einer Partei wie der AfD, die ja immerhin demokratisch gewählt wurde, nicht zusammenarbeiten, ganz pragmatisch eben, wenn man in der Sache übereinstimmt – auch, wenn es im Parlament stattfindet, auch, wenn es sich um Gesetzeserlasse handelt? Und ging es hier nicht „nur“ um eine Steuersenkung, nicht etwa um rechte Inhalte oder Ziele eines Gesetzes? Ist ein solches gemeinsames Abstimmen da nicht bloß ergebnisorientiert und damit – harmlos? Immerhin sagte nach der Thüringer Abstimmung auch AfD-Fraktionschef Björn (also Bernd) Höcke, es handele sich um „pragmatische Politik“.

Fangen wir also an, Begriffe zu klauben und ein paar Haare zu spalten.

:: Lohnt sich Arbeit noch? (Falsche Frage!)

Es geht schon wieder los.

Jedes Mal, wenn Sozialleistungen – diesmal das „Bürgergeld“ – nur lächerlich minimal erhöht werden, laufen Konservative und Regenbogenpresse Amok.

„Lohnt sich Arbeit noch?“ und „Leistung muß sich wieder lohnen!“, „Falsche Anreize!“ schallt es aus dem Blätterwald, mit anderen Worten: „Werdet wütend!“; und Politikerïnnen und Journalistïnnen des konservativen und neoliberalen Spektrums schüren das Feuer. Vorneweg wie immer die Springer-Presse – und Friedrich Merz am vornewegsten. „Faß, Hasso! Beiß den Bettler!“

Kritisiert wird, daß Niedrig- bzw. Mindestlöhne zu nahe am Bürgergeld lägen, oder früher an Hartz IV. Doch diese Kritik verdreht die Tatsachen, richtet sich gegen die Falschen.

Wir hatten das Thema hier schon; ich wiederhole mich also. Aber es scheint nötig.

Also noch einmal der Reihe nach.

Das Existenzminimum ist das Existenzminimum – noch tiefer kann man bei Sozialleistungen eigentlich nicht gehen (obwohl sie oft dennoch vorn und hinten nicht ausreichen). Wenn Arbeitslöhne sehr dicht am Existenzminimum liegen, liegt das an zu niedrigen Löhnen, nicht an zu hohen Sozialleistungen. Wenn die Lohnhöhe fast der von Sozialleistungen entspricht, sind nicht die Ärmeren schuld; sondern die Profiteure, also Konzerne und Arbeitgeberïnnen. :: Weiterlesen