So. Hier nun der Abschluß des Versuchs, den Erfolg der AfD zu erklären (siehe bisher hier, hier und hier).
Wir geraten hier auf ein Feld, das mit den oberflächlich wahrnehmbaren Motiven – Zukunftsängste, latenter, gesellschaftlich noch immer salonfähiger Rassismus usw. – zunächst nichts zu tun zu haben scheint. Ein gewisser Nationalismus schimmert jedoch auch hier durch. Allerdings in einer fast harmlos wirkenden Form – als Selbstzufriedenheit. Klingt merkwürdig? Nun … (dreht sich eine Fluppe). Paff, paff … Lassen Sie mich erklären.
Historische Altlasten
Ein Großteil dessen, was unseren Wohlstand gefährdet, den derzeitigen wie den zukünftigen, ist selbstgemacht. Die anstehenden Krisen waren absehbar, haben sich über Jahre hinweg aufgebaut; doch die Warnzeichen wurden ignoriert.
Eine Ursache dafür ist eine Stimmung, die sich nach dem Mauerfall in ganz Deutschland breit machte – und breit machen trifft es durchaus; sie äußerte sich in einem Umherstolzieren mit dicker Hose und geschwellter Brust, innderdeutsch gegenüber den „Ossis“, international als neu erstarktes, gelegentlich das Ausmaß von Größenwahn erreichendes Selbstbewußtsein.
Die Herablassung, die Verachtung, mit der während der Finanzkrise über die Griechen gesprochen wurde, ist ein typisches Beispiel. Die Deutschen gaben sich als fleißiges, strebsames und pflichtgetreues Volk, ganz anders als die „Pleitegriechen“; etwa um die Zeit herum, als ein Spardiktat der griechischen Bevölkerung viel Leid brachte, wurde stolz der Satz „Jetzt auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen“ verkündet (hinterher, als es Kritik gab, gerade aus Griechenland, hieß es beleidigt, die Auflagen seien doch gesamteuropäisch entstanden; nur vorher wollte man es ganz allein gewesen sein, der als gestrenger Oberlehrer ganz Europa auf Kurs gebracht hatte, wenigstens dem eigenen Wahlvolk gegenüber – vielleicht in dem Glauben, außerhalb Deutschlands würden die Parolen nicht wahrgenommen).
Das Dumme daran: Die Selbstzufriedenheit dieser Jahre führte zum Stillstand. Dazu, sich selbst ständig auf die Schultern zu klopfen und dabei wichtige Reformen in den Bereichen Bildung, Digitalisierung und Einwanderung (Fachkräfte, nicht wahr) zu versäumen. Wirtschaftlich lief’s ja prima, für die Reichen wenigstens – warum sollte also nicht alles bleiben, wie es ist?
Die anderen sollten ihre „Hausaufgaben machen“, war damals oft zu hören; doch gleichzeitig haben die Deutschen ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Sie hielten es nämlich nicht für nötig. Man glaubte an den eigenen, automatischen Welterfolg; den Lohn dafür, eben nichts anderes zu tun, als „deutsch“ – zu sein.
So hat man die Zeichen nicht gesehen; saß bräsig und selbstgefällig herum, während Infrastruktur verfiel, Verkehrswesen und Schulsystem veralteten, und hat nebenbei die Digitalisierung verschlafen. Deutschland führte doch wirtschaftlich in Europa! Klar: Wir „führten“, weil wir uns zum Niedriglohnland machten; weil das billige Exporte ermöglichte; weil das u.a. auch die Wirtschaft anderer europäischer Länder schädigte. Von der Verarmung von Teilen der eigenen Bevölkerung ganz zu schweigen.
Kurz: Lief doch super, nicht wahr? Statistisch wenigstens – Deutschland, ein „reiches Land“ laut BIP. Daß das so bleiben würde, gerade wenn man nichts tat, ergibt sich notwendig aus dieser nationalistischen Selbstzufriedenheit. Denn was uns glauben gemacht wurde, was wir glauben wollten, waren ganz andere Gründe für diesen Erfolg – nämlich, daß wir als „Volk“ so fleißig und strebsam waren, nicht wie die anderen Faulpelze da, und daß das gewissermaßen ethnische Qualitäten seien, angeboren, inhärent, die uns eine Art verdienten, naturgewollten Dauererfolg bescheren würden.
Währenddessen hatten andere an E-Autos getüftelt, ihre digitale Infrastruktur auf Vordermann gebracht, oder auf Förderung ausgerichtete, sozial gerechtere Schulsysteme am Laufen; sorgten dafür, daß der Bildungsstandard der breiten Bevölkerung höher war als in Deutschland. Wir aber hielten fest am Verbrenner, am Fax, an einem Schulsystem, das ein Relikt wilhelminischer Zeiten ist. Und blieben auch in anderen Bereichen, zahllosen, in den Stillstand vernarrt. So hatten deutsche Betriebe zwar viel an den Schulabgängerïnnen herumzumäkeln und generell keine Lust, selbst auszubilden; aber ausländische Fachkräfte wollte man auch nicht so wirklich. Sie sollten am Besten, weil man ihre Abschlüsse opportunerweise nicht anerkannte, erstmal für Dumping-Löhne fronen; und durften sich darüber hinaus über eine stets frei flottierende Fremdenfeindlichkeit freuen.