:: Noch etwas flexibler, bitte

Das Unternehmen bevorzugt entwurzelte, isolierte, folgsame Arbeiter.
Über Bananen und Republiken, Dokumentation von Mathilde Damoisel (arte)

Noch mehr Flexibilität forderte kürzlich der oberste Wirtschaftsweise Christoph Schmidt: Daß der Arbeitstag nach acht Stunden ende, sei „veraltet“, und nach Feierabend einer Telefonkonferenz beizuwohnen oder beim Frühstück die Mails zu checken, müsse möglich sein.

Nun weiß Herr Sathom nicht, in welchem Land Herr Schmidt lebt; ihn dünkt aber, daß der Arbeitstag ohnehin schon länger als acht Stunden dauert und für viele Menschen schlicht gar nicht endet (die heute-show hat noch ein hübsches Satirestück zum Thema gedichtet).

Doch ist der Zeitpunkt für eine solche Forderung nicht eigentümlich? Daß sie in einer Phase des Wirtschaftswachstums, der angeblich hervorragenden Beschäftigungszahlen, ohne ökonomische Not also, ergeht (gewöhnlich „begründen“ wirtschaftsliberale Kreise die Forderung nach mehr Arbeit bei weniger Lohn ja mit drohender Katastrophe), sagt einiges aus.

Denn scheinbar anlaßlos, wie sie geäußert wird, zeugt sie vom totalen Verwertungsanspruch des neoliberalen Geistes an den Menschen, einem Anspruch, der stets gegenwärtig ist, und daher keinen Anlaß benötigt.

Daß der/die Arbeitnehmer/in selbst im Zusammensein mit der Familie oder im partnerschaftlichen Miteinander zwar körperlich „da“, zugleich aber abwesend sein sollen, geistig und tätig eben bei der Arbeit; daß ihr „Da-Sein“ also weit über die eigentliche (bezahlte) Arbeitszeit von den Begehrlichkeiten des Arbeitgebers absorbiert werde; dieses Verlangen zielt ja auf die Ausweitung des bereits Stattfindenden, das sich in unbezahlten Überstunden, ständiger Verfügbarkeit, nirgends gemessener und gezählter Mehrarbeit äußert.

Dahinter nun verbirgt sich mehr als die vermeintliche „Gier“ der „Reichen“, die auf diese Art noch mehr Profit aus dem Einzelnen schöpfen wollen. Bloße „Gier“ stellt eine an sich unsinnige Motivation dar, bedenkt man, daß „die Reichen“ ohnehin mehr besitzen, als noch die maßloseste Gier verlangen könnte; die häufige Verwunderung darüber, daß sie immer noch mehr wollen, zeugt nur von der Unfähigkeit, zu begreifen, daß es allein ums „Haben“ nicht geht. Darum, über Alles und Jedes verfügen zu können, ohne daß sich nur ein Partikel Welt diesem Zugriff verweigere, schon eher.

Die lückenlose Nutzung noch der letzten Sekunde Lebenszeit, die Angestellte und Arbeiter zur Verfügung stellen können, drückt ein Streben nach absoluter Herrschaft aus. Ihm zugrunde liegt, was der Philosoph Günther Anders mit dem Begriff „Wirtschaftsontologie“ als versteckte Philosophie der Industriegesellschaft bezeichnete: das Diktat, daß es nichts geben solle, dürfe, das dem Zugriff, der Bearbeitung, der Beherrschung durch die Mächtigen des Industriezeitalters entzogen bleibe. Daß auch der Mensch in der Gesamtheit seiner Möglichkeiten einer solchen Weltsicht nur als Roh- und Werkstoff gilt, ergibt sich zwangsläufig.

So verrät die Forderung nach noch mehr Flexibilität, scheinbar grundlos, wie sie aktuell geäußert wird, letztlich einen totalen – und in seiner Weigerung, irgend etwas entkommen zu lassen, auch totalitären – Verfügbarkeitsanspruch, den, daß kein Augenblick im Leben des Einzelnen der Nutzung durch die Endverwerter der Welt, die Herrschenden, entgehen dürfe; und kein Ort, auch der privateste nicht, Zuflucht davor bieten möge.