Archiv der Kategorie: Gesellschaft: Religion und Agnostizismus

:: Alle Jahre wieder

… kommt der Antichrist. Könnte man meinen, wenn man sich in die halluzinatorischen Abgründe konservativer und rechter Phantasien begibt.

Ja, es scheint inzwischen ein traditionelles Advents-Ritual geworden zu sein, das sich in jeder Vorweihnachtszeit wiederholt: „Jedes Jahr der gleiche Quatsch“, wie die Zeit titelt. Das Muster ist stets das gleiche – irgendwer behauptet, irgendwelche woken Ideologie-Orks wollten Weihnachten abschaffen, Christbäume und Martinsumzüge verbieten, würden gar einen „Krieg gegen Weihnachten“ führen (die Idee des „War on Christmas“ stammt natürlich, wie könnte es anders sein, aus den USA).

Mit nur ein wenig Recherche lassen sich die Ereignisse, die Social-Media-Trolle in Aufregung versetzen, stets als völliger Blödsinn entlarven. Eine paar Fälle, nur aus der Erinnerung, der letzten Jahre: Eine Kita, die den St. Martins-Umzug ausfallen läßt? Nix Einknicken vor den Muslimïnnen, sondern der Umzug konnte nicht organisiert werden, weil die Kita zu dieser Zeit wegen Renovierung geschlossen war. Eine bayerische Ortschaft, die beim Weihnachtsmarkt den Tannenbaum nicht aufstellt? Nix Wokismus – nach zig Jahren hatte das Ordnungsamt bemerkt, daß die Tanne die einzige Straße blockiert, die breit genug ist, Rettungsfahrzeuge durchzulassen. Stattdessen wurde ein riesiger Adventskranz auf den Marktbrunnen gehievt. Und so weiter.

Immer sind die Aufreger aus ganz harmlosen Anlässen konstruiert; werden von rechtskonservativen Medien wie der „Bild“ aufgeblasen bzw. verdreht, und von AfD, aber auch Politikerïnnen von CDU und CSU, per Twitter bzw. X zu Skandalen erklärt, ohne daß etwas dahinter steckt.

Auch dieses Jahr konnte man darauf warten, und es ist auch passiert. Eine Hamburger Kita verzichtet dieses Jahr auf den Weihnachtsbaum, hat aber Adventskranz und anderes weihnachtliches Brimborium im Angebot. Zugegeben, die Begründung ist unglücklich: Wegen der Religionsfreiheit, bzw. um kein Kind auszuschließen, geschähe das. Die Erklärung des Trägers der betreffenden Kita klingt da pragmatischer, und nachvollziehbar: In manchen Jahren gäbe es einen Weihnachtsbaum, in anderen nicht; die Kitas setzten mal diese, mal jene weihnachtliche Tradition um, da man keinen Raum für alle zugleich habe. In diesem Jahr habe der Elternrat einen Weihnachtsbaum angefragt, sei damit aber angesichts schon gefaßter Pläne zu spät dran gewesen.

Ist Kita, nicht Kirche

Doch es gibt noch einen anderen Punkt. Denn der Träger argumentiert ganz richtig, daß eine Kita keine erweiterte „Stube der Eltern“ sei, sondern eine Bildungsstätte. Soll heißen: Es gibt kein Recht der Eltern (oder Dritter, die sich in den Sozialen Medien erregen) darauf, daß an einer öffentlichen Kita eine bestimmte Religion prominent in den Vordergrund gestellt wird. Nicht der Islam oder der Buddhismus, aber eben auch nicht das Christentum (was immer Nadelbäume damit zu tun haben).

An einer konfessionellen Kita kann man das verlangen; an öffentlichen Kitas nicht, und das ist gut so. Es gibt da nämlich ein Problem. Würde man das fordern, dann könnten auch Eltern mit, na sagen wir, satanistischem Hintergrund verlangen, daß die Kinder zur Walpurgisnacht dem Teufel huldigen sollen. Oder Neuheidïnnen, daß gefälligst Feste für Thor, Odin, oder den Großen Kürbis abgehalten werden. Ist eine Kita nicht konfessionell gebunden, gibt es also keine Pflicht, überhaupt religiöse Traditionen zu pflegen. Durchaus solle an der Kita Weihnachten „erlebbar“ gemacht werden, sagt der Träger; das kann man von einer öffentlichen Einrichtung verlangen, mehr – aus gutem Grund – nicht. (In den USA zeigt sich derzeit, wie das sonst nach hinten losgehen kann: Nachdem fundamentalistische Christïnnen sich das recht erstritten, auf öffentlichen Plätzen christliche Symbole aufzustellen, haben Satanistïnnen angefangen, ihrerseits satanische Wahrzeichen zu errichten – natürlich eher aus Spaß, aber gedeckt durch eben das Gesetz, das die Konservativen zu diesem Zweck erlassen haben.)

Aber ob man die Gründe der Hamburger Kita nun gut oder schlecht findet – die Reaktion ist zynisch, und heuchlerisch. Auch sie folgt einem bekannten Muster.

:: Jan Böhmermann zensiert

TRIGGER-WARNUNG:
DER FOLGENDE ARTIKEL BEFASST SICH MIT AUSWIRKUNGEN PHYSISCHER UND PSYCHISCHER GEWALT – WER SOLCHE ERLITTEN HAT ODER AUF DEREN ERÖRTERUNG SENSIBEL REAGIERT, SOLLTE NICHT WEITERLESEN.

Manchmal gibt es Themen, bei denen ich mich im Nachhinein ärgere, nichts darüber geschrieben zu haben – sei es aus Zeitmangel, beruflicher Überlastung, oder welchen Gründen auch immer. Besonders, wenn das Thema eigentlich ins Spektrum meiner Interessen und Kenntnisse fallen sollte. Doch dazu unten mehr.

Dabei hatte ich geahnt, daß es Ärger geben würde – damals, als Jan Böhmermann im Rahmen des ZDF Magazin Royale eine besondere Verschwörungstheorie aufgriff. Und zwar die, daß es ein weit verzweigtes Netzwerk satanistischer Kulte gäbe, die für die meisten Fälle sexuellen Kindesmißbrauchs verantwortlich sind.

Diese Sendung ist nun vom ZDF-Fernsehrat aus der Mediathek entfernt worden. Offenbar ging der Entscheidung, die nur eine knappe Mehrheit fand, eine hitzige Debatte voraus. Anlaß waren zwei Programmbeschwerden, von denen eine von der „Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“ ausging (das wird noch wichtig werden).

Worum ging es in der Sendung? Böhmermann attackierte vornehmlich eine Psychotherapeutin namens Michaela Huber, die seit Jahren mit der sogenannten „Rituelle Gewalt Mind-Control“-Theorie hausieren geht. Im Wesentlichen geht es dabei um die Behauptung, Netzwerke satanischer Kulte würden in großem Umfang rituellen Mißbrauch an Kindern verüben, was bei den Betroffenen zu Dissoziativer Persönlichkeitsstörung (DIS) führe. Dabei werden den Mißbrauchsopfern, die eine multiple Persönlichkeit entwickeln, teilweise übernatürliche Fähigkeiten angedichtet: Wenn sie die Persönlichkeit wechseln, würden z.B. körperliche Verletzungen, die der vorherigen Persönlichkeit zugefügt wurden, spurlos verschwinden – weshalb sich z.B. keine Folterspuren nachweisen ließen. Zu der Vorstellung, daß es weit verzweigte Netzwerke satanischer Kulte gäbe, die solche Mißbräuche in großer Zahl verüben, tritt außerdem die Idee der „Mind Control“, der Gedankenkontrolle: Die Täterïnnen wären in der Lage, die Persönlichkeit ihrer Opfer zu spalten und einzelne Spaltpersönlichkeiten zu „programmieren“, was ihnen eine dauerhafte Kontrolle über die Opfer verschaffe.

Der Teufel hat die Hand im Spiel

Kurz, während Untersuchungen darauf hinweisen, daß Mißbrauch meist im Nahumfeld der Opfer, z.T. in der eigenen Familie stattfindet, malen Huber und ihre Anhängerïnnen das Bild äußerer Feinde – Satanistïnnen, Sekten usw. – von denen das Böse ausgeht. Sie lauern hinter jedem Busch und sind verantwortlich für jeden einzelnen Mißbrauchsfall – immer.

Huber, die ausgesprochen umstritten ist und teilweise extrem esoterische Ansichten vertritt, will z.B. bei Personen mit DIS sogar Phänomene wie Telepathie beobachtet haben. Und sie hat auf der Verbreitung dieser Theorie eine beachtliche Karriere aufgebaut. Tatsächlich hat sie es verstanden, sich einen Ruf als Expertin zu „erarbeiten“, der einflußreiche Kreise und Institutionen zuhören. 2008 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz, 2011 den Bertha-Pappenheim-Preis der Deutschen Gesellschaft für Trauma und Dissoziation e.V.; was zeigt, daß sie über über beste Verbindungen verfügt, solche z.B. während der Regierungszeit Angela Merkels zum Bundesfamilienministerium unterhielt.

Der Vorwurf an Huber und andere Vertreterïnnen der Ritualgewalt-These lautet, daß sie ihren Patientïnnen die erinnerten Erlebnisse einreden – sie durch Suggestivfragen und andere Techniken dazu manipulieren, die gewünschten „Erinnerungen“ zu produzieren.

:: Wer war Jack Chick?

Manfred Krug, Götz „Schimmi“ George – die Liste der in diesem und dem letzten Jahr verstorbenen Stars setzt sich fort. Ein anderer Abschied ist hierzulande – wenn überhaupt – vielleicht nur wenigen älteren Nerds, besonders Fans von Fantasy-Rollenspielen und Comics, aufgefallen. International rief er, besonders im englischsprachigen Raum, in einschlägigen Kreisen durchaus ein größeres Echo hervor.

Jack T. Chick, Mr. Satanic Panic, ist tot.

Rollenspieler alter Schule, die schon seit den 1980ern dabei sind, Comicfans, Atheisten, aber auch Anhänger jeder nicht christlich-evangelikalen Religion von Juden bis Muslimen, kannten ihn – verlacht, gehaßt, aber auch von gläubigen Anhängern umgeben, einen Mann, in dessen hausgemachten Comics – einige auch von seinem Hofzeichner Fred Carter ausgeführt – Vorurteile, Dämonenparanoia und die Drohung ewigen Höllenfeuers brutzelten wie ein reifer Mitesser auf dem Eiterherd.

Wer also war Jack Chick?

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:: Hysterie: Ein Nachtrag

Samstag, 10.01.: Die mediale Nachlese zum Attentat auf Charlie Hedbo nimmt ihren Lauf. Die sprachliche Einordnung der Geschehnisse als „Terrorwelle“ hat sich eingeschliffen. Der ständig – und als einziger – auf das Geschehen angewandte Begriff, endlos wiederholt, entscheidet, was die Verbrechen sein sollen: Kriegszustand, nicht schreckliche Einzeltaten. Das Etikett erklärt, deutet vorgreifend, macht weiteres Fragen unnötig; schließt andere Sichtweisen aus.

Daß, würden rechtsradikaler Terror und Morde – die des „NSU“ etwa – entsprechend bewertet, Deutschland unter einer Terrorwelle litte, die seit Jahren anschwillt, sich im „Krieg“ gegen den rechten Terror befände, kommt nicht in den Sinn. Zu unterschiedlich die Maße, die an die Taten gelegt werden.

CDU-Spitzenpolitiker werden munter, fordern u.a. die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Daß die Attentäter überwacht wurden; daß Frankreichs Premierminister Valls Versäumnisse der Geheimdienste einräumt; egal. Überwachung: das Allheilmittel. Die Ausschlachtung der Tragödie hat begonnen.

:: Kurzer Gedanke zum religiösen Gefühl

Aus aktuellem Anlaß:

Wer religiöse Gefühle besonderen Schutzes für würdig hält; sie zu verletzen als anderen – schwerer wiegenden – Tatbestand ansieht, als die Verletzung sonstiger Gefühle; postuliert damit eine Zweiklassengesellschaft.

Denn: Das religiöse Gefühl gilt ihm als höherwertig, verglichen mit dem areligiöser Menschen. Gläubigen räumt er ein größeres Recht ein, gekränkt zu sein, als etwa dem Marxisten angesichts einer Marx-Karikatur, dem Philosophen vor einer Schmähung des Sokrates. (Und: Ist es nicht merkwürdig, wie leicht beleidigt dieses religiöse Fühlen ist, wie so viel empfindlicher – wehleidiger? – als anderen zugestanden wird?)

Wer also religiöse Gefühle für besonders schützenswert hält – nicht bloß für ebenso wie andere – erklärt: Daß es eine Gruppe von Menschen gebe, deren Empfinden wertvoller ist; deren Gefühle mehr zu gelten hätten, als die anderer Menschen. Und deren Glaube mehr bedeutet als der eines, der etwa „nur“ an die Freiheit glaubt; oder den gleichen Wert aller Menschen.

:: Religion vs. Aufklärung – 2:0?

Von der kürzlichen Aufregung um das zu Protesten und Gewaltausbrüchen in der islamischen Welt führende Video „Innocence of Muslims“war zuletzt wenig zu hören; zumindest der medialen Berichterstattung scheinen mittlerweile schon wieder andere Geschichten als geschichtsträchtig zu gelten, unabhängig davon, welche Verstimmungen fortdauern. Zeit für eine Nachlese; im Rhythmus heutiger Nachrichtenschwemmen bereits etwas spät, zugegeben, doch Rückblicke können hilfreich sein, Entwicklungen festzuhalten, wo allzu oft nach kurzer Scheindebatte Fakten geschaffen werden, um in der Vergessensflut neuer Informationen zu schnell unterzugehen – das Resultat bleibt und prägt das Zusammenleben, obwohl es dem Bewußtsein entschwindet. Dabei soll sich das Folögende weniger den Ereignissen selbst widmen, als einigen öffentlichen Äußerungen, die in ihrem Zuge laut wurden.

Daß das genannte Video einen dämlichen Schmutz darstellte, wird auch der Religionskritiker nicht leugnen. Auch nicht, daß viele Proteste künstlich angestachelt wurden und gewalttätige Verläufe bei weitem nicht die Reaktion aller Muslime, die ja teilweise sogar ihrerseits gegen Exzesse demonstrierten, darstellten.

Eine andere Folge des allgemeinen Aufruhrs waren jedoch laut werdende Forderungen christlicher Kirchenoberer bzw. christlich-konservativer Politiker, hierzulande die juristische Verfolgung von Äußerungen, die sich gegen religiöse Vorstellungen richten, zu verschärfen, wie u.a. das Magazin quer des BR berichtete (einzusehen in diesem Archivvideo ca. ab Minute 3:00) und dabei die Frage aufwarf, ob Einschränkungen des Grundrechts auf Meinungsfreiheit zu befürchten wären.

Muß der kirchen- oder religionskritische Mensch sich angesichts solcher Forderungen fürchten, daß Religionskritik gefährlich wird? Immerhin hat sich die Politik zuletzt im Zuge der Beschneidungsdebatte zügig und willfährig den Wünschen eines religiösen Lobbyismus gefügt, dem es gelungen war, in der öffentlichen Debatte Widersprüche (z.B. innerreligiöse Kritik an der Knabenbeschneidung, Problematik der weiblichen Genitalverstümmelung) weitgehend auszublenden, Angehörige des eigenen Glaubens in Panik zu versetzen, und religiöses Empfinden zum primären Kriterium legislativer Entscheidungen zu erheben (siehe u.a. hier).

Droht nun ähnliches in Bezug auf die Meinungsfreiheit? Herr Sathom meint: Anlaß zur Panik besteht nicht, zumal sich diesbezügliche Stimmen erst einmal durchsetzen müßten, zu besorgter Aufmerksamkeit jedoch allemal. Was da gefordert wird, welche Implikationen mit den Forderungen einhergehen, und welche Konsequenzen ihre Umsetzung hätte, verdient nähere Betrachtung.
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:: Religion vs. Aufklärung 1:0

Nachdem kürzlich das Kölner Landgericht die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen zur strafbaren Körperverletzung erklärte, war der weitere Verlauf der Ereignisse durchaus vorhersehbar.

Daß Religionsvertreter sich medienwirksam und lautstark empören, der Rechtsstaat schließlich einknicken und – wie mittlerweile geschehen – eine rechtliche Neuregelung in Aussicht stellen würde, erfolgte mit solcher Zwangsläufigkeit, daß man die Vortäuschung einer entsprechenden öffentlichen Debatte und die damit verbundenen Talkshows ebenso gut überspringen, und sofort eine Gesetzesänderung hätte durchwinken können.

Die Kampagne, die zu diesem Ergebnis führte, wurde von den Vertretern der großen Religionen mit professioneller Empörung und routiniertem Spiel auf der emotionalen Klaviatur der eigenen Gläubigen geführt; medial geschickt und wirkungssicher wurden alle Register, von verletzten Gefühlen zutiefst verunsicherter, im Innersten erschütterter Gläubiger über den Holocaust, bis hin zu Ängsten vor internationalen Reaktionen, gezogen.

Dabei wurden im Verlauf dieses emotionalisierten Feldzugs gerade von den Vertretern der Religionsgemenischaften prekäre Fragen an die Religion, die das Kölner Urteil aufwirft, vollkommen ignoriert – Fragen, denen der deutsche Staat und seine Politiker, die sich unisono auf die Seite der Religion schlugen, in ihrer aktuellen Reaktion ebenso wenig Beachtung schenken.

Fatal an dieser Entwicklung, so vorhersehbar sie auch sein mochte, ist Einiges.

1.) Die Interpretation der Religionsfreiheit

Die Frage, ob bestimmte Handlungen, sobald sie von den Ausführenden religiös begründet werden, nicht ansonsten geltenden rechtlichen Bestimmungen unterliegen sollen, läßt sich nur absolut beantworten: entweder positiv für jede religiöse Handlung, oder für keine. Wenn die die Justiziarin der SPD-Bundestagsfraktion, Brigitte Zypries, verlauten läßt, es könne nicht sein, „dass Jahrtausende alte Traditionen von Millionen von Menschen auf diese Weise in Deutschland infrage gestellt werden“ (Quelle: tagesschau.de), dann müssen sämtliche auf religiösen Vorstellungen basierenden Rituale und Verhaltensweisen vom Strafrecht ausgenommen werden; alles andere würde bedeuten, daß man bestimmten Religionsgemeinschaften mehr Religionsfreiheit zugesteht, als anderen.

So, wie die parteienübergreifende Zusatimmung und die politische Begründung für eine rechtliche Sonderregelung derzeit formuliert sind, bieten sie keine Handhabe, nicht auch andere Praktiken per Sonderrecht dulden zu müssen, darunter etwa die weibliche Genitalverstümmelung, in deren Vollzug je nach regionaler Spielart Schamlippen und Klitoris entfernt, und in manchen Fällen auch der Scheidenvorhof vernäht wird. Diejenigen, die diese barbarische und die Betroffenen meist schwer traumatisierende Praxis üben, könnten sich ebenso auf die Freiheit ihrer Religion berufen, wie die aktuell betroffenen Religionsgemeinschaften – und sie ihnen zu verweigern, würde bedeuten, bestimmten Religionen mehr Rechte zuzugestehen als anderen. Da zur Zeit die Flucht aus Ländern, in denen die Genitalverstümmelung praktiziert wird, als Asylgrund anerkannt wird, stünde eine Duldung nicht nur im Widerspruch zu jeder abendländisch-aufgeklärten Tradition, sondern hätte auch weitreichende Auswirkungen auf andere Rechtsbereiche (hier: das Asylrecht).

Die Schaffung von Gesetzen, die religiöse Praktiken vom für alle anderen Bürger gültigen Recht ausnehmen, bedeutet letztlich auch eine Kapitulation des in der Tradition der Aufklärung stehenden Staates; und mehr noch: sie bedeutet, daß der Staat sich seiner Verpflichtung entzieht, alle Bürger zu schützen, und einen rechtsfreien bzw. sonderrechtlichen Raum schafft, sobald eine ansonsten strafbare Handlung religiös begründet wird.

Die Konsequenzen für andere Tatbestände – neben der Beschneidung weiblicher Genitalien etwa die gern kritisierten Praktiken neureligöser Kulte, der sogenannten „Sekten“ – sind von den Verantwortlichen offenbar in ihrer panischen Reaktion auf die Lobbyarbeit der großen Religionsgemeinschaften nicht bedacht worden.
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:: Go(d)jira tai Furankenshutain oder: Kreationisten vs. Evolutionisten

Herr Sathom sagt’s ganz offen: er hat von dieser ganzen Scheißdiskussion zum Thema „Schöpfung oder Evolution“ gestrichen die Schnauze voll. Es nimmt einfach kein Ende (erst diese Woche wieder durfte man einen Themenabend mit Diskussion auf arte bewundern) und ist so blöd wie es verlogen ist, weil es unter Vorspiegelung eines Streits um Inhalte lediglich um Interessen geht, ganz profane zumal, die weder mit religiöser Wahrheit noch mit hehrer, dem Wissenschaftsethos verpflichteter Erkenntnis zu tun haben. Weshalb Herr Sathom so denkt, wird er gerne ausführen. Er kann den ganzen Käse, der medial und in Blogs und Foren endlos wieder und wieder durchgekaut wird, als hätten wir nix Besseres zu tun, nämlich nicht mehr riechen.

Zunächst einmal: worum geht es eigentlich bei diesem Gezänk, das sowohl von religiöser wie „wissenschaftlicher“ (d.h.: naturalistischer, sich auf die Wissenschaft berufender) Seite immer wieder hochgekocht wird?

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:: Die guten und die bösen Christen

Eigentlich mag Herr Sathom den Herrn Jürgen Becker, Gastgeber der „Mitternachtsspitzen“ des WDR, mitsamt seinem munter-scharfzüngigen rheinischen Kabarettismus ja ganz gern, und hat sich auch an diesem Wochenende wieder einmal köstlich dank seiner und der genannten Sendung amüsiert, zumal darin nicht nur wie stets Loki und Smokie und der unvergleichliche Wilfried Schmickler, sondern auch der ehrbare Hagen Rether brillierten. Als Herr Sathom jedoch direkt im Anschluß noch Herrn Beckers Soloprogramm „Ja, was glauben Sie denn?“ verfolgte, darin jener so lustig wie gewitzt das Thema Religion erörtert, war Herr Sathom allerdings an einer Stelle etwas enttäuscht, wiewohl er sich ansonsten prächtig unterhielt – denn es fand sich darin etwas, das Herrn Sathom schon lange auf die Nerven geht.

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:: Wirtschaftswundermythos und Migranten

Herr Sathom ist baß erstaunt, will doch offenbar die Bundeskanzlerin – ein Novum, das Herr Sathom bis vor Kurzem nicht für möglich gehalten hatte – am heutigen 12.05.2009 erstmals in der Geschichte dieser schmucken Republik die Verdienste der Migranten beim Aufbau dieses unser aller (und warum eigentlich nicht unser aller?) Landes würdigen. Weniger wundert ihn, daß dies natürlich Gezeter und Getrampel in der rechten Schmollecke auslöst (von welchem man sich ein Bild machen kann, indem man etwa auf wordpress.com nach Tags wie Zuwanderer, Ausländer oder Aufbau Deutschlands sucht – derlei politisch solcherarts ausgerichtete Blogs hier zu verlinken, hat der Herr Sathom keine Lust). Herr Sathom findet, es ist für diese Würdigung höchste Zeit und an sich Zwölfe durch, denn wäre eine solche Anerkennung viel früher ergangen, ja selbstverständlich gewesen, anstatt die „Gastarbeiter“ und ihre Kinder und Kindeskinder jahrzehntelang spüren zu lassen, daß man sie am Liebsten wieder loshätte, ja, hätte man ihnen statt dessen ein Gefühl vermittelt, willkommen zu sein und ihre Verdienste wahrzunehmen, dann wäre der ganze Zores, den wir jetzt an Migrantenproblemen haben, gar nicht erst in dieser Form entstanden – Herr Sathom meint sogar, dieser sei vor allem Resultat einer selbsterfüllenden Prophezeiung, deren Vollzug jene, die es mal wieder schon immer wußten, lang genug herbeigeredet haben. Doch zur Rolle der Migranten beim wirtschaftlichen Aufbau hier mehr, denn für den Augenblick möchte Herr Sathom auf etwas anderes hinaus.

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