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:: Da geht immer noch was (Amazon-Nachtrag)

Ich hatte mich hier ja kürzlich ausschweifend darüber echauffiert, wie die Werbeindustrie die Corona-Situation auszunutzen versucht (hier und hier); darunter auch dazu, wie Firmen publicityträchtig suggerieren, sich besonders um den Mitarbeiterschutz zu bemühen. Zu entsprechenden Vorwürfen gegen Amazon, ganz im Gegenteil die Gesundheit der Arbeiter*innen in den Warenlagern sogar zu gefährden, hatte ich mich dabei sehr zurückhaltend geäußert, weil ich keine Quelle zur sofortigen Überprüfung anbieten konnte. Denn während das Thema in deutschsprachigen Medien eher oberflächlich (vielleicht auch, aber das ist nur ein persönlicher Eindruck, auffällig zurückhalten) abgehandelt wurde, wäre der einzige m.E. ausführliche und brauchbare Online-Text nur hinter der Bezahlsperre der deutschsprachigen Ausgabe der Monde Diplomatique lesbar gewesen.1) Mittlerweile hat sich die Quellenlage jedoch ein wenig geändert.

Die deutschsprachige Ausgabe des Jacobin behandelt das Thema ebenfalls, nicht so ausführlich wie die Monde Diplomatique, doch immerhin (noch) frei zugänglich.

(Dazu, was The Jacobin ist, siehe hier; es handelt sich um den Versuch, die in den USA altehrwürdige Zeitschrift der Democratic Socialists, zu deren Vertretern z.B. Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez zählen, auch hierzulande zu etablieren. Herr Sathom wird das Ganze im Auge behalten und vielleicht gelegentlich rezensieren; er klopft einstweilen auf Holz, daß es nicht wie mit der deutschen Ausgabe von Charlie Hebdo endet).

Vielleicht auch interessant:

Taktiken des Union Bustings, der Sabotage gewerkschaftlicher Organisation von Mitarbeitern, gepaart mit extremer Überwachung der Angestellten, bei der von Amazon aufgekauften Biomarktkette Whole Foods.

Scheinbare GleichberechtigungEin-Prozent-Feminismus oder: Wie neoliberale Eliten und Reiche sich einen „sozial gerechten“ Anschein geben, indem sie gelegentlich Frauen oder Angehörige von Minderheiten – quasi als „Alibi“-Vorzeigepersönlichkeiten – zu sich „aufsteigen“ lassen.

(Website des Jacobin hier).


 

1) Nachtrag zum Nachtrag: Tatsächlich sind ältere Beiträge der deutschsprachigen Monde Diplomatique in deren Online-Archiv frei verfügbar; allerdings mit Ausnahme der jeweils letzten drei Ausgaben, womit die hier gemeinte Ausgabe aktuell noch nicht freigeschaltet ist. Ich weiß nicht, wieso mir das beim ersten Besuch der Website entgangen ist. Natürlich empfehle ich, die Herausgeber zu unterstützen, indem man ggf. eine Einzelausgabe kauft (ob man abonnieren will, kann man sich ja dann immer noch überlegen; das Blatt wendet sich an eine politisch links orientierte Leserschaft).

:: Da geht noch was II

Und während wir hier sitzen und auf ein Ende der häuslichen Isolationshaft warten, gehen die kürzlich erwähnten Bemühungen der Werbeindustrie munter weiter: Ein gewisser Sportklamottenhersteller, der anfänglich wegen der Krise keine Miete mehr bezahlen wollte, läßt hippe Schönlinge in YouTube-Videos dazu einladen, ihnen im „Hometeam“ Gesellschaft zu leisten, indem man ebenfalls Berichte aus dem eigenen Wohnkabuff uploadet; Audi läßt die vier Ringe des Firmenlogos diese in einem kurzen, eher einfallslosen Clip auseinander- und wieder zusammenflitschen, was irgendwie mit gleichzeitig zusammenhalten und Abstand halten zu tun haben soll; eine Einzelhandelskette lädt, darin dem Sportkonzern ähnlich, zum Teilen lustiger Spaßvideos aus dem Virenexil ein und gibt sich im Off-Kommentar besonders eifrig, alle für ihre Geduld zu loben, sie das Schöne an der Situation sehen zu lassen (endlich mal mehr Zeit zuhause), und sich selbst Unternehmen zu präsentieren, das – natürlich aus rein altruistischen Gründen – ganz solidarisch seinen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Anstrengung leistet.

Nicht das Virus, sondern die Möglichkeit, die Pandemie marketingstrategisch auszuwerten, läßt die ganze Werbebranche fiebern; die Versuche, die Seuche zur Selbstdarstellung zu nutzen, nehmen schlicht kein Ende. Mit glänzenden Augen schwitzen die Werbemacher eine coronale Reklame nach der anderen aus; denn sie wittern Bares, und ihre Auftraggeber sehen die Chance, Markenbindung zu erzeugen, indem man sich ein verantwortungsbewußtes Image gibt, betont, für die Kunden da zu sein, sich abmüht, es ihnen auch in der Krise angenehm und bequem zu machen. Die Flut solcher Clips jedenfalls läßt vermuten, daß da eine ganz andere Infektion um sich greift, die der Gehirne, die besoffen werden von der Möglichkeit, Kapital aus der Pandemie zu schlagen.

Nun kann man sich natürlich bei jedem neuen Video noch einmal mehr ereifern, mach ich ja gerade; aber das wird auf die Dauer ein wenig ermüdend. Und auch ein bißchen zwanghaft. Besser wäre vielleicht, die vielfältigen Eindrücke von Werbekampagnen, die derzeit die Virenlage ausnutzen, einmal analytisch einzuordnen. Was geschieht da eigentlich?

Lassen wir also mal die Frage beiseite, was das für Leute sind, die angesichts der aktuellen Situation nicht „Oh scheiße“ denken, sondern „He, geil“, und Werbestrategien erbrüten. Versuchen wir uns lieber einmal an einer Analyse der Vorgehensweise und der daraus ersichtlichen Ziele.

Grob lassen sich dabei drei unterschiedliche Vorgehensweisen ausmachen, die auch in Mischformen auftreten.

Da ist zum einen eine Form von, na, sagen wir Ranschmeißerei. Ralph Lauren beispielsweise wirbt in Buswartehäuschen mit Plakaten, die versichern, daß Ralph – Gott segne ihn – in diesen schweren Zeiten Seite an Seite mit unseren Liebsten, Angehörigen und Freunden steht, denn: „We are one family“. Nun kennt Herr Sathom den Herrn Lauren nicht und weiß daher auch nicht recht, ob er ihn wirklich in seiner Familie haben möchte; klar sein dürfte hingegen das Kalkül des Konzerns: Sich nicht als profitorientiertes Unternehmen darzustellen, sondern als Träger einer philanthropischen Mission, die alle Menschen zu einer globalen Familie vereinigen will, die sich gegenseitig in wärmender Umarmung hält. Und dabei vermutlich durchweg Klamotten von Ralph Lauren trägt, als Partnerlook sozusagen. Hier menschelt es; das Unternehmen spricht die Betrachter/innen an, als sei es selbst ein Mensch, mitfühlend zugewandt, und könnte durch seine Bekundungen den momentanen Mangel an tatsächlicher Nähe heilen. Wir sollen uns wirklich liebgehabt und getröstet fühlen, weil der Ralph uns so gern hat.

Eine andere Taktik besteht darin, Promis, Influencer, oder als angebliche Angestellte gecastete Schauspieler noch einmal dieselben Ratschläge aufsagen zu lassen, die auch vom Robert-Koch-Institut und anderen Experten, sowie von staatlichen Stellen zu hören sind – Abstand halten, Hände waschen, nicht die Leute anhusten. Man könnte dies als die billigste Art bezeichnen, die Situation auszubeuten: Anweisungen, die von anderen erarbeitet wurden, von öffentlichen Institutionen zumeist, werden einfach gekapert und wiederholt; womit das Unternehmen als fürsorglicher Ratgeber zu agieren vorgibt, der Aufgaben übernimmt, die normalerweise ins Ressort staatlicher Daseinsvorsorge fallen (siehe dazu unten mehr). Hier soll gesamtgesellschaftliches Verantwortungsbewußtsein demonstriert werden; der Eindruck erweckt, das Unternehmen handle aus eigenem Antrieb und solidarischer Haltung heraus zum Wohl der Allgemeinheit (und versuche nicht etwa nur, sich dieses Image zu geben). „Billig“ ist dieses Vorgehen insofern, als man dazu kaum eigene Ideen braucht; man muß sich nur an dem bedienen, was öffentliche Institutionen bereits an Warnhinweisen erarbeitet haben.

:: Da geht noch was

Ein Nachtrag zum vorigen Artikel: Es geht natürlich immer noch ein bißchen schmieriger.

Die Lobhudelei, die bestimmte Berufsgruppen aktuell über sich ergehen lassen müssen, kann man ambivalent sehen; sie mag ernst gemeint sein oder eine Verarschung derer, die sonst mit sozialer Geringschätzung, wenn nicht Verachtung bedacht werden. Und lediglich Selbstdarstellung der vermeintlich Dankbaren. Deren Respekt wird vielleicht nach der Pandemie so schnell schwinden, wie er gekommen ist.

Widerlich wird es dagegen in der Werbung. Eine bekannte Automarke läßt es sich nicht nehmen, in Werbespots für ihre neueste CO2-Schleuder am unteren Bildrand einen Fließtext ablaufen zu lassen, der die Alltagshelden mit Lob und Dankbarkeit überhäuft; manchen C- oder D-Promis oder Influencer/innen hat vielleicht die PR-Firma geraten, sich durch Lobgesänge auf das hart arbeitende Fußvolk in Szene zu setzen; irgendein Atemmasken-Hersteller gibt auf YouTube damit an, Masken an China verschenkt zu haben, weil sie sind ja so großzügig (= sie werden’s sich leisten können); und so weiter, und so weiter. Jeder Großkonzern entdeckt plötzlich seine solidarische Ader.

Nun sind Werbe- und PR-Leute ja ohnehin die Schande der Kreativberufe; vom Lügen, Weißwaschen, Verdrehen lebende Menschen mit entsprechendem Charakter. Ohne Scham, ohne Skrupel. Aber daß Konzerne und ihre Advertising-Lakaien sich nicht einmal entblöden, die derzeitige Lage zur Selbstdarstellung zu benutzen, um von der Krise noch zu profitieren, stellt schon eine neue Qualität dar.

Herr Sathom wundert sich nur, daß ihm noch niemand weismachen wollte, er könne durch den Kauf eines Kastens Krummkracher einen Corona-Kranken retten. Kommt vielleicht noch.

:: Gedanken zur aktuellen „Bild“-Werbekampagne

Herr Sathom hatte sich ja bereits zu deren Beginn einmal ereifert über die immer noch laufende Werbekampagne einer gewissen Postille, darin schamlose Gestalten, Prominente genannt, ihre Meinung zu dem Blatte äußern und dies dazu sogar noch kritischerweise tun dürfen sollen (wie „kritisch“ diese Meinungen dann noch sein können, zeigte bisher unter Anderem der reichlich lauwarme Versuch des Herrn Kerner, nicht zu reden von ähnlichem Scheitern Gregor Gysis oder Thomas Gottschalks); damals fragte Herr Sathom, moralinsauer altmodisch wie er ist, wie sie nur können, und sann über mögliche Erklärungen nach.

Gründe für solch schändliche Zusammenarbeit, bei welcher eine Hand die andere wäscht und sich darob erst recht beschmutzt, zeigte ja bereits dereinst der Herr Wallraff in seinem „Aufmacher“ auf, und auch hier findet man Antworten auf diese Frage, noch ergänzt um den Hinweis, daß manche auch aus purer Not mit den Wölfen der Regenbogenpresse heulen müssen (oder zu müssen meinen), so sie nicht das Rückgrat haben, sich gegen an Erpressung grenzende Methoden oder eigenen Interessendruck, gerichtet auf das Bedürfnis nach wohlgesonnener Presse, zu verwahren (was ironischerweise genau das ist, womit die „Bild“ in der aktuellen Werbekampagne auch noch arrogant prahlt, wenn manche ihrer prominenten Propagandisten davon schwadronieren, daß man an dem Blatt eben nicht vorbei käme; denn so sicher ist man sich der eigenen, verhängnisvollen Medienmacht, daß man sie so burschikos wie skrupellos auch noch demonstrativ als Vorzug herauskehrt). Da kann’s schnell passieren, daß wie im Falle einer Frau Sibel Kekilli nach verweigertem Interview das Bildungsblatt einem das Familienleben zu zerstören sucht, oder daß einer Frau Charlotte Roche mit schlechter Presse gedroht wird, so sie nicht Einzelheiten über tragische innerfamiliäre Ereignisse ausplaudert, wie insgesamt hier nachzulesen ist.

Jedoch, nachdem Zeit ins Land gegangen und eine Promimeinung der nächsten gefolgt ist, drängt sich Herrn Sathom eine ganz andere Frage auf. Neulich im Bus (wie Don Martin gesagt hätte), wie schon seit Tagen und Wochen zum wiederholten Male vorbeifahrend an den allüberall ausgehängten Elaboraten einer Frau Schöneberger, eines Herrn Schweiger, eines Pseudo-Goth, Bill Kaulitz geheißen, und eines Herrn Philipp Lahm (welch ein Name für einen Sportler), drängte sich Herrn Sathom ein ungeheuerlicher Verdacht auf.

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:: Irre! Hut wirbt für „Bild“!!!

Als Herr Sathom neulich von der Arbeit nach Haus fuhr, schmerzend der Kopf, der Nacken, die Augen, glaubte er zunächst, letzteren ob ihrer Anstrengung nicht mehr trauen zu können, doch da war es: unübersehbar, unleugbar, unmißverständlich. Ein Plakat, darauf niemand anderes denn Herr Udo Lindenberg, einst doch immer gegen den Strom, sinnend auf Panik, singend für die Abrüstung, Reklame für die „Bild“-Zeitung zu machen sich nicht zu schade ist. [Weiterlesen]