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:: TV-Tipp: Sie waren in der AfD

Daß eine solche Dokumentation ausgerechnet vom MDR ausgestrahlt wird (der Sender steht ja – ob zu Recht oder Unrecht – im Ruf, manchmal „auf dem rechten Auge blind“ zu sein), verwundert zunächst; oder beweist einfach, daß man aus deutlichen journalistischen Fehltritten, die immer mal wieder vorkamen (siehe z.B. hier und hier), nicht ganz so einfach verallgemeinernde Schlüsse ziehen kann. Aber einerlei.

Kürzlich lief jedenfalls im MDR-Fernsehen die Doku Wir waren in der AfD – Aussteiger berichten; die Sendung ist in der ARD-Mediathek noch bis zum 18.01.2025 verfügbar. Der Titel verrät schon, worum es geht: Eine Reihe von Menschen, die in der Gründungsphase in die AfD eintraten und dabei z.T. auch in höhere Ämter aufstiegen, berichten davon, wie die Partei sich immer offener zu einer rassistischen, rechtsextremen Organisation entwickelte. Davon, wann und wieso für sie der Augenblick kam, aus der Partei auszutreten – und von ihren Erfahrungen bis zu diesem Zeitpunkt.

Man verstehe nicht falsch: Man muß die Leute, die sich hier äußern, nicht mögen; einige, davon ausgenommen u.a. ein junger Sozialarbeiter, vertreten neoliberale und ultrakonservative Positionen, die Herr Sathom auch dann kritisieren bzw. ablehnen würde, wenn diese Leute nie in der AfD gewesen wären. Aber darum geht es nicht.

Es geht nicht um politische oder menschliche Sympathien; vielmehr muß die Frage lauten, welchen allgemeinen Erkenntnisgewinn eine solche Dokumentation vermittelt. Kann sie, über das Schicksal dieser Einzelpersonen hinausgehend, zum Verständnis des Phänomens AfD beitragen?

Und das liefert die Sendung durchaus – in dem Rahmen, den solche Selbstzeugnisse ermöglichen. Sie erklärt nicht, woher der zunehmende Rechtsextremismus in der Gesellschaft kommt, was sie weder kann noch soll; doch sie liefert Einblicke, was Menschen, die unbeabsichtigt in eine immer offener rechts werdende Partei geraten sind, vielleicht zunächst davon abhält, wieder auszutreten.

In dieser Hinsicht ist die Dokumentation allerdings erhellend.

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:: Erster Mai: Videos glotzen

Herr Sathom hat sich in diesen Coronawochen der Bingewatcherei ergeben, daß ihm die Augen bluten – kein Video von Lindsay Ellis (hervorragende Film- und Kulturkritikerin), coldmirror (muß ich sie vorstellen?) oder Red Letter Media (lustige Filmrezensionen, viel Horror), die er inzwischen nicht kennt (Hasan Minhaj und maiLab, ihr kommt auch noch dran). Aber jetzt mal zwei Guckempfehlungen zum 1. Mai, immerhin ja ein Arbeiterfeiertag.

In diesem Blog wurde ja bereits der Frage nachgegangen, ob sich Politik vielleicht vornehmlich den Interessen der Wohlhabenden bis Reichen widmet, die Ärmeren hingegen vernachlässigt, oder sogar zu deren Schaden handelt, wenn dies der bessergestellten Klientel nützt; mit diesem Thema befaßt sich auch die ARD-Dokumentation „Ungleichland – Macht“. Sie zeigt auf, wie Reichtum zu Macht wird und ermöglicht, Politik zu beeinflussen (wobei die Politiker teils weniger wie Komplizen, sondern eher wie Geiseln wirken), wie Reiche Vernetzungsvorteile nutzen können, die Ärmeren fehlen, kurz, wie sie hinter den Kulissen die Welt nach ihrem Gusto gestalten können. Auch die Selbstreproduktion einer Geldelite wird thematisiert (bessere Schulbildung an teuren Privatschulen, schwindende Aufstiegschancen für Kinder weniger begüterter Eltern, Zementierung der gesellschaftlichen Trennung in Arm und Reich). Aufschlußreich auch die Darstellung des Monopoly-Experiments, das die Eigenwahrnehmung reicher Erfolgsmenschen psychologisch untersucht. Teilt man Monopoly-Spieler in zwei Gruppen, und gibt einer doppelt so viel Startkapital und zwei Würfel, führen diese „reichen“ Teilnehmer ihre Erfolge nachträglich auf ihr größeres Können, ihre Entschlußfreudigkeit, ihre Intelligenz etc. zurück, jedoch kaum auf ihren Anfangsvorteil. Zugleich verhalten sie sich auch während des Spiels „großspuriger“, verwenden raumgreifende Körpersprache, bedienen sich häufiger bei den Snacks, setzen ihre Figuren geräuschvoll knallend. Man könnte sagen, das Experiment entlarve die Selbststilisierungsmythen der (erfolg)reicheren Gewinner des Finanzkapitalismus pointierter als jede lange Analyse.

Die Dokumentation ist Teil einer Serie (die anderen Folgen heißen „Ungleichland – Reichtum“ und „Ungleichland – Chancen“) und Bestandteil eines umfangreicheren Projekts namens „Docupy“ (dort auch noch einmal das Monopoly-Experiment als Filmschnipsel, allerdings ohne deutsche Synchronisation); „Ungleichland – Macht“ scheint allerdings der konzentrierteste Teil der Serie, der auch auf das Chancenthema genügend Schlaglicht wirft.

Die zweite Empfehlung gilt der arte-Dokumentation „Nicht länger Nichts“ zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Mit vier jeweils einstündigen Folgen ein ordentlicher Brocken, den man kaum an einem Stück verdauen kann, ist sie dafür ungeheuer interessant. Herr Sathom würde sie unbedingt empfehlen; obwohl er eigentlich meint, über das Thema einigermaßen bescheid zu wissen, hat sie ihm einige Kenntnislücken geschlossen. Daß heutige Vorstellungen über das Elend der arbeitenden Bevölkerung während der ersten und zweiten industriellen Revolution beinahe romantisierend harmlos sind, ist eine Erkenntnis, die man aus der Reihe mitnehmen kann (was positive Relativierungen, etwa die, daß das Ganze ja zum Entstehen von Gewerkschaften etc. geführt habe, leicht zynisch erscheinen läßt); der eine oder andere Aha-Effekt kommt noch hinzu. Mister S. grübelt jz.B.a schon lange, wie eine „Arbeiterpartei“ wie die SPD nicht erst mit Schaffung der Agenda 2010, sondern schon während der Weimarer Zeit oft gegen die Interessen der Arbeitenden handeln, und das stets als „Pragmatismus“ bzw. „Realismus“ rechtfertigen konnte; dazu hat er einige Ideen, über die er zu gegebener Zeit mal was bloggen könnte. Er hat ja’n Blog, ne, manchmal fällt ihm das wieder ein. „Nicht länger Nichts“ liefert eine weitere, zumindest partielle Erklärung: Eine Art „Gründungsirrtum“ der Partei, die aus dem marxistischen Geschichtsbild folgerte, daß das Ende des Kapitalismus quasi „von selbst“ kommen würde – ohne, daß man etwas dazu tun müßte; und sich deshalb von Anbeginn wenigstens teilweise eher damit befaßte, die Arbeiter vorbereitend zu Kleinbürgern zu erziehen – gewissermaßen einer künftigen Bourgeoisie im Wartestand –, statt sich konsequent um deren Anliegen zu kümmern. Immerhin eine interessante These, die Einiges am Liebäugeln der Partei mit der Bürgerlichkeit erklären würde.

Die vier Teil der Serie – „Fabrik“, „Barrikade“, „Fließband“, und „Auflösung“ – sind wie die „Ungleichland“-Reihe auf YouTube verfügbar.

Ja nee guckt das mal, wenn’s Euch interessiert. Oder macht was anderes, ich kann’s ja auch nicht ändern.

:: TV-Tipp: Roger Corman

Wenn jemand den exploitativen Trash-Film der 70er Jahre prägte, dann Roger Corman; weniger bekannt ist, daß er neben Jack Nicholson auch anderen späteren Größen wie James Cameron oder Martin Scorsese Starthilfe gab, und dem US-Publikum als Verleiher Filme von Frederico Fellini und Ingmar Bergman zugänglich machte. Dies und mehr erzählt die faszinierende Dokumentation Ufos, Sex und Monster – Das wilde Kino des Roger Corman, die Tele 5 am Montag, dem 11.04., von 02:58 bis 04:23 Uhr noch einmal wiederholt; für Freunde des trashigen Genrekinos wie auch der Schlaghosen-Epoche sicher ein Grund, den Recorder anzuwerfen.

:: „Pif Gadget“ – Frankreichs Vorbild für „Yps“

Ob man’s mochte oder nicht (Herr Sathom war anfangs hingerissen, zog aber bald wieder „Zack“ vor): „Yps“ ist für Viele ein nicht wegzudenkender Bestandteil ihrer Kindheit.

Daß das Magazin aus dem französischen Vorbild „Pif Gadget“ hervorging, einem von der Kommunistischen Partei Frankreichs finanzierten Magazin, wußte Herr Sathom zwar schon; die arte-Dokumentation „Yps – Eine kommunistische Erfindung?“ hält dennoch Überraschungen bereit.

Was Herr Sathom z.B. nicht ahnte: Daß einige der Lieblingscomics seiner Kindheit (Rahan – Sohn der Vorzeit, Joker contra Tröpfe, Arthur, das Gespenst) ursprünglich aus „Pif Gadget“ stammen. In „Yps“ erschienen sie (ausgenommen Arthur) nie, sondern waren schon vor dem ersten Auftritt des Kängurus in anderen deutschsprachigen Comic-Magazinen, etwa in „Felix“, vertreten; für Herrn Sathom ein wohliges Wiedersehen, bei dem ihm richtig warm ums Herz wurde. Überhaupt wirkt das Comic-Programm von „Pif“ im Rückblick weitaus ambitionierter als das des deutschen Ablegers – zugegeben, bei den Funnies kann man streiten, doch Serien wie Rahan transportierten humanistische Ideen, und damalige Größen wie Gotlib und Hugo Pratt veröffentlichten in „Pif Gadget“, letzterer etwa seine Serie Corto Maltese. Nicht der Doku, aber Wikipedia kann man noch mehr Erstaunliches entnehmen – wer hätte z.B. gedacht, daß eine Kinder- und Jugendzeitschrift auch eine Serie wie Mandrykas Maskierte Gurke, die Herr Sathom noch aus „U-Comix“ in lustiger Erinnerung hat, abdruckte?

Von den Originalcomics in „Pif Gadget“ übernahm der deutsche Ableger nur wenige, etwa Pif und Herkules, Piffi, und Arthur. Ob die, na ja, sagen wir, etwas bescheidenere Qualität der Comics in „Yps“ (Hans Kresses Die Indianer mal ausgenommen) auf Lizenzierungsproblemen beruhte, da die Rechte bereits bei anderen Herausgebern lagen, oder andere Gründe hatte, gibt die Dokumentation leider nicht her; aber was soll’s. Wobei: dermaßen grottenschlecht, wie viele nachträglich behaupten, war das Comic-Angebot in „Yps“ vielleicht gar nicht – wenigstens anfänglich. Daß Herr Sathom und andere Comic-Liebhaber das Gimmickheft verschmähten, lag wohl eher daran, daß man die veröffentlichten französischen Qualitätscomics seinerzeit bereits in deutscher Sprache erstehen konnte, ohne sich deswegen „Yps“ kaufen zu müssen, wo sie zudem noch gekürzt wurden; währende andere Produktionen wie Hans Kresses Die Indianer nicht lang überlebten.

„Yps“ hatte von vornherein eine kommerziellere Ausrichtung als das nicht verbiestert ideologische, aber durchaus humanistisch-pädagogisch gedachte „Pif Gadget“ – bis auch dort die Marketingprofis das Regiment übernahmen. Ob das den Niedergang der Zeitschrift beschleunigte oder bloß nicht aufhielt, läßt sich im Nachhinein schwer beurteilen.

So oder so: Wer einst mit Rahan durch steinzeitliche Dschungel streifte, oder diese verdammten Zauberkristalle einfach nicht zum Wachsen kriegte – dem bietet die Dokumentation eine nostalgische Reise zu den Ufern seiner Kindheit, samt staubig-schöner 70er-Jahre-Atmosphäre, daß es einen kribbelt.

:: World Wildlife Fund – Das Imperium schlägt zurück

Angesichts der kürzlich in der ARD-Dokumentation „Der Pakt mit dem Panda: Was uns der WWF verschweigt“ (Herr Sathom berichtete) gegen den  World Wildlife Fund erhobenen Vorwürfe hat der WWF mittlerweile eine „Faktencheck“-Seite online gestellt, welche die erhobenen Anschuldigungen (der WWF ermögliche Greenwashing, zertifiziere umweltzerstörende Projekte als nachhaltig, sei an Zwangsumsiedlungen indigener Bevölkerung beteiligt u.v.m.) widerlegen soll.

Eine Reaktion auf diesen „Faktencheck“ stellt wiederum der von Greenpeace als „Fakten-Faktencheck“ bezeichnete Blog-Artikel „WWF wehrt sich – mit Lügen“ der Journalistin Kathrin Hartmann dar, welcher seinerseits Teile der Darstellung des WWF kritisch unter die Lupe nimmt. Frau Hartmanns Blog „Ende der Märchenstunde“ befaßt sich generell mit Themenkomplexen wie Greenwashing, Lifestyle-Öko-Einstellung und Methoden der Industrie, die von dieser Lebensphilosophie befallenen über den Löffel zu balbieren (ja, das heißt so, und nicht barbieren, Herr Sathom hat nachgeschaut); inwieweit sich die Autorin auch weiterer Rechtfertigungsargumente des WWF als der an o.a. Stelle behandelten annehmen wird, bleibt abzuwarten, ebenso, was der WWF noch nachlegt.

Kritische Töne zum „Faktencheck“ des WWF findet man auch auf der Greenpeace-Website, wo auf Frau Hartmanns Artikel verwiesen wird; ebenfalls dort findet sich das Link zum „Pakt mit dem Panda-Wiki“, das sich anheischig macht, in der Art des Guttenplag-Wiki und ähnlicher Seiten die vom WWF vorgelegten „Fakten“ jeweils einzeln zu widerlegen. Wie viele andere NGOs (BUND etc.) steht Greenpeace dem WWF extrem kritisch gegenüber, anders als die Neue Züricher Zeitung, die dem Schweizer WWF-Chef hier Gelegenheit gibt, gegenüber einem ausgesprochen entgegenkommenden Interviewer seine Sicht des Ganzen darzulegen, aber immerhin am Fuß des Interviews auch ein Video-Link zu einem Interview mit Wilfried Huismann anbietet, was immerhin für etwas Ausgewogenheit sorgt. Zumindest der Interviewende – dessen Meinung ja nicht die des Blattes wiedergeben muß – jedoch verwendet so häufig die Formulierung, daß die Dokumentation etwas „suggeriere“, daß schon peinlich deutlich wird, wie Leserin und Leser den Beitrag doch bitte auffassen mögen. Neutral berichtet die Online-Ausgabe des „Spiegel“ und äußert Zweifel, ob die erhobenen Vorwürfe an der Popularität des WWF bei seinen Anhängern allzuviel ändern werden, Zweifel, die Herr Sathom angesichts der professionellen PR des Funds allerdings teilt.

Herrn Sathoms derzeitiger persönlicher Eindruck ist, daß der „Faktencheck“ und andere WWF-Verlautbarungen den immerhin durch – teilweise schockierende – Interviews mit Betroffenen vor Ort und andere Recherchen extrem plausibel gemachten Vorwürfen lediglich Behauptungen entgegensetzen, den Nachweis für deren Charakter als „Fakten“ jedoch schuldig bleiben.

Sehr schön illustrieren läßt sich die Taktik des WWF nach Herrn Sathoms Auffassung beispielsweise am Fall der Plantage Rimba Harapan Sakti: laut ARD-Doku soll die Plantage vom WWF als nachhaltig zertifiziert werden, weil man lächerliche 80 Hektar Regenwald stehen ließ. Im WWF-„Faktenecheck“ finden sich dazu widersprüchliche Angaben – einmal sollen es tatsächlich 5.000 (Startseite), einmal 4.000 Hektar (siehe hier) sein, die intakt bleiben sollen (zumindest zu dem Zeitpunkt, da Herr Sathom dies liest – eventuell wird der WWF die Angaben noch korrigieren). Interessant ist dabei die hyperbolische Argumentation: daraus, daß die Zertifizierung geplant sei, wird im „Faktencheck“ hier gefolgert, daß die Aussage, es würden nur 80 Hektar bestehen bleiben, falsch sei – die geplante Zertifzierung wird also als Beweis dafür ausgegeben, wie groß die Fläche sei, obwohl es in der Dokumentation ja eben um fälschliche Zertifizierungen geht. Weil man zertifiziere, könne die Fläche gar nicht nur 80 Hektar umfassen, soll der/die geneigte Leser(in) des „Faktenchecks“ verstehen. Was etwa so ist, als sei der Himmel grün, nur weil Herr Sathom das sagt und ein Zertifikat darüber ausstellt.

Die Liste ließe sich fortsetzen: eine WWF-Mitarbeiterin, die in der Dokumentation verräterische Aussagen macht und indirekt zugibt, daß die besagte Fläche tatsächlich nur 80 Hektar groß sei (indem sie diesen Flächenumfang nämlich rechtfertigt), wird im o.g. NZZ-Interview vom Schweizer WWF-Chef als – Zitat – „untere Charge“ abqualifiziert, die keine „repräsentative Sprecherin“ darstelle – und dies, obwohl besagte Dame als WWF-Vertreterin auf einem Kongreß der Bio-Ethanol-Wirtschaft interviewt wurde, was für Herrn Sathom die Frage aufwirft, ob der WWF denn seine unfähigsten Charaktere zu derlei Events entsende. Weitere solche Widersprüche sind nach Herrn Sathoms Meinung so einige in den Reaktionen des WWF zu finden; wenn dessen Vetreter dann in der NZZ davon redet, daß man besser erklären und kommunizieren müsse, dann riecht Herr Sathom zudem den Odem der PR-Profis und ihrer Agenturen – die werden wohl zu tun bekommen, um einmal mehr die Realität zu einer Frage der Perspektive zu machen.

Insgesamt also meint Herr Sathom, daß momentan Glaubwürdigkeit eher den Kritikern des WWF zuzusprechen ist; er hofft aber, daß dank o.a. Quellen alle sich ihre jeweils eigene Meinung zu bilden vermögen.

:: TV-Tipp (sort of): Der WWF mal anders – gegen Regenwälder und Ureinwohner

Der WWF schützt Pandas, Tiger und Orang Utans – so erzählen es aufwendig hergestellte Werbespots in kitschig-emotionaler Manier und heischen Spendengelder. Der gute Ruf der Seriosität eilt der Umweltorganisation dabei voraus, Resultat gelungener Öffentlichkeitsarbeit, erfolgreicher Hochglanz-PR.

Zumindest die ARD-Dokumentation „Der Pakt mit dem Panda: Was uns der WWF verschweigt“ zeichnet nun ein anderes Bild des World Wildlife Fund: die Organisation, heißt es dort, paktiere mit umweltschädigenden Unternehmen (etwa bei der Errichtung von Monokulturen zur Palmölgewinnung, wobei der Boden durch Pflanzenschutzmittel verseucht wird), ermögliche das Greenwashing zerstörerischer Produktionsmethoden, wobei diese als „nachhaltig“ zertifiziert werden, sorge für die Vertreibung von Ureinwohnern – von einer anstehenden solchen, die 1 Million Menschen betreffen soll, ist die Rede – zwecks Errichtung von Tigerreservaten, in denen Ökotouristen täglich auf „Tigersafaris“ mit über 100 Jeeps durch den Busch pflügen und die vormals unabhängigen Einheimischen nun als Dienstpersonal fronen dürfen, u.v.m.

Daß und weshalb derlei – entgegen dem, was man meinen könnte – auch den Tigern grad mal gar nix nützt, behandelt die Doku ebenso wie das Schicksal der betroffenen Menschen, deren Lebensgrundlage – und eigentlich friedliches Zusammenleben mit Pflanzen und Tieren – dabei zerstört wird; doch immerhin verdient, so die Dokumentation, das WWF-Reisebüro 10.000 Dollar pro Wohlstandstourist, das ist ja auch was.

In Borneo wiederum verseuchen Palmölplantagen eines Konzerns, mit dem der WWF kooperiert, das Trinkwasser der Einheimischen; Bauern, die ihr Land nicht für die Plantagennutzung freigeben, müssen auch schon mal mit Besuch von der Armee rechnen, und im Beisein des Kamerateams erhält ein Öko-Aktivist, der die Ortsansässigen unterstützt, eine Morddrohung per SMS. Daß der WWF von solch extremen Machenschaften überhaupt weiß, kann nun keineswegs unterstellt werden (die oben erwähnte Vertreibung von Ureinwohnern wird hingegen von der Organisation gezielt betrieben) – der Besuch des Filmteams im WWF-Büro in Djakarta ließ allerdings bei Herrn Sathom Zweifel aufkommen, was zumindest die Mitarbeiter vor Ort überhaupt wissen, oder ob es irgendwen interessiert, was die Kooperationspartner nun im Detail so treiben. Ein Interview mit einer deutschen WWF-Abgesandten auf einem Kongreß der Bio-Ethanol-Wirtschaft läßt Herrn Sathom hingegen, was die finanzielle Seite der WWF-Partnerschaften angeht, einen gewissen Zynismus auf den höheren Ebenen vermuten.

Wenn er dann noch erfährt, daß „dank“ WWF die kooperierende Palmöl-Firma von ca. 14.000 Hektar Wald eines Orang Utan-Habitats 80 Hektar stehen ließ, dann bleibt Herrn Sathom schon die Spucke weg (laut Kritikern vor Ort dringen die Tiere, die in diesem Restwald keine Nahrung finden, daraufhin in die Plantagen ein, wo sie erschossen werden); und als sei dies nicht genug, zeigen auch noch weitere unschöne Enthüllungen eine düstere Seite des WWF, darunter weitreichende Verflechtungen mit der Wirtschaft, in Einzelfällen sogar mit Diktaturen. Das zynische Argument des WWF dort, wo er riesige Flächenrodungen unterstützt (etwa auch in Südamerika, wo der Konzern Monsanto sein Gensoja und das dazugehörige, für Menschen erbgutschädigende Pflanzenschutzmittel Roundup – laut Doku eine Weiterentwicklung von Agent Orange – verbreitet): der gerodete Wald sei „minderwertig“ gewesen. Und auch die nächsten Angehörigen eines „Naturvolks“ und ihre Wälder sind, wie das Ende der Dokumentation zeigt, dank WWF-Mitwirkung längst fällig – das Ergebnis der Zerstörung wird sicher als nachhaltig zertifiziert.

Natürlich ist bei solchen Dokumentationen immer zu fragen, inwieweit sie einseitig sind, und der WWF selbst wird das Ganze sicher anders darstellen (wobei wiederum anzumerken wäre: von PR verstehen sie ja was) – immerhin jedoch wartet der Film mit Interviews betroffener Einheimischer, Bauern, Stammesangehöriger und lokaler Öko-Aktivisten auf, die durchaus glaubwürdig wirken.

Die bereits im Fernsehen gelaufene Sendung ist hier in der ARD-Mediathek einsehbar. Herr Sathom meint, man sollte sie ansehen und sich sein eigenes Bild machen.

:: An seinen Socken klebte Schweiß (der TV-Tipp, der blaue Bohnen zum Dessert reicht)

Herr Sathom hat, hierin anders als der zahm gewordene Lucky Luke, eine Fluppe zwischen den Zähnen hin- und herrollend wie weiland Clint Eastwood, am Sonntag abend mal wieder arte geguckt; Thema waren Western europäischer Produktion, und wiewohl Herr Sathom die betreffenden Dokumentationen bereits kannte, genoß er sie auf’s Neue und empfiehlt dem oder der Interessierten, so sie’s verpaßten, deren Wiederholungstermine: [Weiterlesen]

:: TV-Tipp: The Reel Injun

Am 14.06. wiederholt arte um 10:55 Uhr die Dokumentation „Hollywood-Indianer“, in die Herr Sathom, eitel faulenzend vor der Glotze festgefroren, neulich abend zufällig hineinzappte und gebannt daran hängenblieb; Cree-Filmemacher Neil Diamond (der wirklich so heißt, ohne etwas mit dem gleichnamigen Sangesbruder zu tun zu haben) beleuchtet darin nicht nur die historische Entstehung der Indianer-Klischees im Hollywood-Film und deren Abweichen von der Realität indigenen Lebens und Selbstverständnisses damals wie heute, sondern auch die propagandistisch verleumderischen Aspekte des dort gezeichneten „Indianer“-Bildes bis hin zu den vereinnahmenden, in gewisser Weise ebenfalls kolonialistischen Positivklischees der „Indianer“-Fans, namentlich derjenigen, die der Hippiebewegung zuzurechnen waren und, „Indianer“ sein wollend, selbigen auf den Pelz rückten (Zitat eines älteren indigenen Zeitzeugen: „Wir duldeten sie, weil sie immer das beste Gras hatten“). Damit nicht genug, befaßt sich Diamond ebenfalls mit der Wirkung, welche die Darstellung der „Indianer“ eigentlich auf diese selbst, insbesondere auf ihre Kinder hatte bzw. hat: so berichtet ein älterer Mann davon, wie es für ihn und seinen Bruder war, als Kind im Kino mit anzusehen, wie als Happy End manches Westerns die bösen Rothäute von der guten US-Kavallerie wie Karnickel massenhaft abgeschossen wurden, und eine Sequenz der Dokumentation, die Herrn Sathom alles andere als ungerührt ließ, zeigt die Reaktion von Kindern einer Crow-Grundschule auf ein ihnen vorgeführtes Massaker an Indianern aus dem Film „Little Big Man“ – alles in allem sehr verstörende Einsichten in das, was man sich manchmal ohne Nachzudenken so anguckt, die Herrn Sathom wohl solche Szenen nicht mehr betrachten lassen werden, ohne sich dabei bewußt zu sein, wie sie auf die – wenn auch nachträglich – Betroffenen wirken, und was da eigentlich gezeigt wird: Genozid als Unterhaltung. Zu guter Letzt erfährt man auch noch Einiges über die indigene Filmkultur und deren cineastisches Schaffen, das Schicksal einiger schauspielerischer „Hollywood-Indianer“, echter wie ganz und gar unechter, sowie das politische Erwachen der indigenen Gemeinschaft während der 1960er, 70er und folgender Jahre.

Insgesamt meint Herr Sathom, daß „Hollywood-Indianer“ nicht nur erkenntnisträchtig ist, sondern durchaus auch unterhaltsam (nicht nur, aber auch, was einige Auftritte indigener Comedians anbetrifft), und für einige Aha-Erlebnisse sorgen kann. Oder wußten Sie,

  • Daß die Ureinwohner (zumeist) gar keine Stirnbänder trugen, sondern diese erfunden wurden, um die Indianerperücken der Darsteller am Kopf zu befestigen, auf daß sie diese auch in actionreichen Szenen nicht verlieren mögen?
  • Daß es mitten im 20. Jahrhundert eine zweite Schlacht am Wounded Knee gab, und was Marlon Brando, die „Oscar“-Verleihung und ein sturzbesoffener John Wayne damit zu tun hatten?
  • Wie es aussieht, wenn ein Haufen weißer Kids unter Anleitung von Betreuern, die von den Ureinwohnern grad mal wissen, was ihnen im Suff ein kleiner Kobold erzählt hat, sich in US-Feriencamps mit Farbe vollschmiert und wie eine Horde vom Affen gebissener Idioten aufführt in dem Glauben, so machten es die „Indianer“?
  • Daß indigene Darsteller im Film ihre weißen Auftraggeber gern verarschten, indem sie in ihrer Sprache Dinge sagten, die weder dem Drehbuch noch den im Film dann eingeblendeten Untertiteln entsprachen (sondern bei denen es sich gern um Beleidigungen der weißen Schauspieler handelte, mit denen sie gerade sprachen)?

Sehnse. Dann wird’s aber Zeit.