:: TV-Tipp: Infiniti

TV-Tipps schreiben sich recht fix, daher trotz der kürzlich angesprochenen Situation schnell das: Die franko-belgische SF-Serie Infiniti verbindet Elemente harter, technisch realistischer Science-Fiction, des Polit-Thrillers und einer faszinierenden Mystery-Story, in der kausale bzw. temporale Paradoxa eine Rolle zu spielen scheinen – und ihr gelingt, keines dieser Elemente zu kurz kommen zu lassen. Im Gegenteil verbinden sich politische Machtspiele konkurrierender Groß- und Supermächte, die vorgeben, friedlich kooperieren zu wollen, eine dramatische Thriller-Handlung, und seltsame Ereignisse zu einem Ergebnis, das in sich stimmig, atmosphärisch dicht und spannend ist.

Da die Story auf mehreren Zeitebenen erzählt wird, bleibt sie in der ersten Folge, die insgesamt etwas sperrig wirkt, noch schwer zugänglich. Je mehr man mit den Charakteren und ihren Motivationen vertraut wird, während die Handlungselemente sich zu rätselhaften, zugleich spannenden Fäden verknüpfen, entwickelt die Geschichte ab der zweiten Folge einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann.

Zur Handlung kurz so viel: Eine russische Raumkapsel kollidiert beim Andockmanöver mit der Raumstation ISS, die daraufhin schwer beschädigt um die Erde kreist. Doch warum findet man Leichen der Besatzungsmitglieder, die anscheinend schon vor ihrem Start zur Raumstation auf der Erde starben – möglicherweise ermordet wurden? Wieso kommen zugleich eindeutige Lebenszeichen von der ISS? Und was bewirkte den Zustand der Körper auf der Erde, die ohne Kopf und in einem bizarren Zustand aufgefunden werden?

Die französische Astronautin Anna Zarathi und der kasachische Polizist Isaak Turgun versuchen, das Rätsel zu lösen – und dabei nicht in die Schußlinie professioneller Söldner zu geraten, die auch vor Folter und Mord nicht zurückschrecken. Irgendwer hat irgend etwas zu verbergen, und keinerlei Skrupel – auch sympathische, handlungstragende Figuren sind nicht davor sicher, ihm zum Opfer zu fallen. Mit jeder Folge steigert sich die Spannung, da die Protagonistïnnen um ihr Leben kämpfen (bzw. rennen); Mystery-Aspekte, politische Spannungen und Thriller-Elemente unterlegen die Story mit einem satten, ebenso spannungsreichen Hintergrund.

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:: Kurze Erklärung für lange Abwesenheit

Eine kurze Erklärung dafür, daß ich nun schon längere Zeit nur sehr selten etwas veröffentlicht habe: Es liegt, wie immer, an der Arbeit. Nur daß die Situation durch den immer extremeren Personalmangel langsam absurde Züge annimmt. Ich kann auch nicht versprechen, daß sich das in absehbarer Zeit stark maßgeblich ändert. Doch nach Wochen eines regelrechten Dienstplan-Chaos habe ich nun wenigstens eine regelmäßige Struktur – Überstunden bleiben, sind jedoch planbar, die Arbeitszeiten ändern sich z.B. nicht mehr schlagartig von einem Tag auf den nächsten.

Ich finde diese Situation selbst höchst unbefriedigend; in den letzten Wochen und Monaten ist einiges an m.E. notwendiger politischer Analyse und Meinungsäußerung angefallen, das ich gerne behandeln bzw. abarbeiten würde – das sogar, meiner Ansicht nach, dringend bearbeitet werden müßte. Da gerade solche Artikel ein Mindestmaß an Recherche und Muße erfordern, liegt damit manches auf Eis, das mir unter den Nägeln brennt. Einfacher zu schreibende Stücke über Populärkultur würde ich gerne verfassen, einfach, weil es Spaß macht, mich zu meinen Hobbies zu äußern. Kurz, ich würde gerne mehr und häufiger bloggen, doch zur Zeit geht es einfach nicht.

Es geht hier nicht um ein paar Überstunden, auf die ein gewisser Herr Lindner (FDP) doch wieder „Freude machen“ will, nötigenfalls per „Mentalitätsreform“. (Das allein ist eine Sache, zu der einiges zu sagen wäre – d.h. zur momentanen Propagandaoffensive neoliberaler und konservativer Politiker, die eine gesellschaftliche Spaltung zwischen „Fleißigen“ und „Faulen“ (sprich Armen) herbeireden wollen. Und dazu, wie solche Offensiven organisiert und strukturiert werden.) Es geht um eine Überlastung, die deutlich alle intellektuellen, emotionalen und körperlichen Reserven aufzehrt. Aber immerhin ist das Chaos (vorläufig) beendet. Neben diesem Versuch, eine neue Diffamierungskampagne gegen notleidende Menschen zu starten (der bisher anscheinend seltsam erfolglos zu bleiben scheint, verglichen mit ähnlichen Kampagnen um die Jahrtausendwende, die u.a. die Haretz-IV-Politik begleiteten) wären der weiter stattfindende Rechtsruck im Land, die jüngste Abtreibungsdebatte, und das immer häufigere, vorauseilenede Zurückrudern der Regierung vor den antizipierten Wutattacken aus dem (rechts)konservativen Lager Themen, die ich nur mit Bauchschmerzen unkommentiert lassen würde.

Ich hoffe, in den folgenden Wochen wenigstens einige davon aufgreifen zu können, da wie gesagt zwar immer noch die Arbeit alles dominiert, aber wenigstens etwas Ruhe und Planbarkeit eingekehrt sind. Ich denke aber nicht, daß ich es auf mehr als einen Artikel pro Woche bringen werde, wenn überhaupt. Vielleiiiicht läßt sich auch mal wieder was zum Thema Comics unterbringen. Also sehr vielleicht. Ich werde es versuchen – also, keine Versprechungen, aber Herr Sathom tut sein bestes.

Na ja. Soviel dazu; Over and Out.

:: TV-Tipp: UFOs, deuxième partie

Vor einiger Zeit hatte ich ja bereits die französische Comedy-Serie UFOs (Originaltitel OVNIs) empfohlen, die ich allerdings zu diesem Zeitpunkt für eine abgeschlossene Miniserie hielt. Aktuell strahlt ARD one nun eine zweite Staffel aus. Einige Folgen liefen bereits (was ich zunächst nicht bemerkt hatte), sind jedoch weiterhin in der Mediathek abrufbar (die erste Folge noch bis 27.04.24). Im Free-TV werden Donnerstags jeweils zwei Folgen, meist ab 22:15 bzw. 22:45 Uhr, ausgestrahlt (Termine hier).

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:: Comic-Tipp: Henrietta Achilles macht Feierabend

Wir gehen in die Zielgerade: Nachdem die ersten zwei Bände der Serie A House Divided von Haiko Hörnig und Marius Pawlitza hier, und der dritte Band hier besprochen wurden, kommen wir zum abschließenden Band 4: The Lost Daughter.

Wieder gilt: Da es wegen des deutschen Urheberrechts schwierig ist, Bildzitate zu zeigen (aussagekräftige jedenfalls), hier noch einmal die offiziellen Leseproben zu Band 1, Band 2, Band 3 und Band 4. Und erneut die Warnung: Die Proben zeigen jeweils den Beginn jedes Bandes; das erzeugt natürlich Spoiler, wenn man die vorherigen Bände nicht kennt. Besonders die Probe von Band 4 kann dazu führen, daß man – ungefähr – weiß, womit Band 3 endet (minus einer weiteren Entwicklung ganz zum Schluß).

Wie auch immer – die Bewertung war bisher positiv, für den dritten Band mit der leichten Einschränkung, daß Charaktermomente zu kurz kommen; bisher jedenfalls hatte ich A House Divided mit großer Freude gelesen. Wird der Abschluß der Saga dem gerecht?

Das Ende ist das Ende ist das Ende

Leider muß Herr Sathom sagen, daß er von diesem Band – zumindest von dessen zweiter Hälfte und dem Schluß – doch ein wenig enttäuscht ist. Das kann teilweise auch an ihm liegen. Denn er – also ich – hat in seinem Leben schon Tonnen von Fantasy, Science-Fiction und anderer Genreliteratur gelesen und auch zahllose Filme aus diesen Bereichen konsumiert; und ihm fällt immer häufiger auf, daß er finale, „überraschende“ Wendungen, sogar ganze Handlungsverläufe, fast immer voraussehen kann. Nicht, weil ich so schlau wäre; sondern weil ich so viele Erzählungen kenne, und mit den handwerksüblichen Erzähltechniken so vertraut bin, daß mein Gehirn fast automatisch (beinahe) jeden Schluß errät. Im vorliegenden Fall war mir die wahre Identität der „Verräterin“ – quasi der vermeintlichen Oberschurkin – bereits in Band 2 klar, und nach der Lektüre von Band 3 hatte ich eine ziemlich klare Vorstellung davon, wer der „Mystery Character“ ist, der sich bis dahin für eine andere Person ausgegeben hatte. Ich freue mich ja immer, wenn man mich mit etwas Originellem überrascht, hoffe sogar jedes Mal, daß ich mich irre, doch diesmal war es nicht so – die, vielleicht überraschend gemeinten, Enthüllungen am Ende der Story überraschten keineswegs. Wie gesagt – leider ist das ein Problem, das offenbar von zu langer Fanlaufbahn herrührt und nicht zwingend einen Mangel der vorliegenden Geschichte darstellt, aber … Manchmal langweile ich mich dieser Tage halt. Andererseits richtet sich A House Divided ja an jüngere Leserïnnen mit weniger verstopften Köpfen, weshalb dieser Kritikpunkt vernachlässigbar ist.

Daß ich Enden à la „Alle sehen ihre Fehler ein und versöhnen sich“ etwas klischeehaft finde, ist ein rein subjektiver Einwand; wieder gilt: Die Bücher richten sich an Kinder und Jugendliche, und da paßt das wieder.

Einige Mäkeleien

Aber kommen wir zu den echten Kritikpunkten.

Eine kleine Bemerkung vorab: da ich Spoiler vermeiden will, bleiben einige hier geäußerte Kritikpunkte vielleicht schwer nachvollziehbar; ich hoffe, die richtige Balance gefunden zu haben und weder zuviel zu verraten, noch zuviel unklar zu lassen. Falls etwas unklar bleibt: Mea Culpa.

Also: Die Action ist in der ersten Hälfte des vierten Bandes weiterhin furios und serviert einige Höhepunkte, sowohl spannungstechnisch als auch visuell; alle bisher etablierten Figuren haben beim Kampf zwischen den Belagerten und den Steinmonstren etwas zu tun, so daß das gesamte Figurenensemble zu seinem Recht kommt. Leider führt das auch zum wiederholten Einsatz einer Technik, die man als squeecore bezeichnet – Spannungsmomente, die fast sofort entschärft werden, von Charakteren, die noch in höchster Not einen kessen Spruch auf der Lippe haben. Das scheint seit einigen Jahren in Mode zu sein, ersetzt vielleicht das früher auch oft überstrapazierte Mittel des comic relief, kommt hier aber etwas zu oft vor. Die Figuren wirken dann manchmal weniger wie fühlende, denkende Charaktere denn wie Sprechpuppen für coole One-Liner. Dennoch ist dieser Teil, der etwa die Hälfte des ersten Bandes einnimmt, nicht „schlecht“; er ist ausgesprochen spannend, witzig und gruselig.

:: TV-Tipp: Sie waren in der AfD

Daß eine solche Dokumentation ausgerechnet vom MDR ausgestrahlt wird (der Sender steht ja – ob zu Recht oder Unrecht – im Ruf, manchmal „auf dem rechten Auge blind“ zu sein), verwundert zunächst; oder beweist einfach, daß man aus deutlichen journalistischen Fehltritten, die immer mal wieder vorkamen (siehe z.B. hier und hier), nicht ganz so einfach verallgemeinernde Schlüsse ziehen kann. Aber einerlei.

Kürzlich lief jedenfalls im MDR-Fernsehen die Doku Wir waren in der AfD – Aussteiger berichten; die Sendung ist in der ARD-Mediathek noch bis zum 18.01.2025 verfügbar. Der Titel verrät schon, worum es geht: Eine Reihe von Menschen, die in der Gründungsphase in die AfD eintraten und dabei z.T. auch in höhere Ämter aufstiegen, berichten davon, wie die Partei sich immer offener zu einer rassistischen, rechtsextremen Organisation entwickelte. Davon, wann und wieso für sie der Augenblick kam, aus der Partei auszutreten – und von ihren Erfahrungen bis zu diesem Zeitpunkt.

Man verstehe nicht falsch: Man muß die Leute, die sich hier äußern, nicht mögen; einige, davon ausgenommen u.a. ein junger Sozialarbeiter, vertreten neoliberale und ultrakonservative Positionen, die Herr Sathom auch dann kritisieren bzw. ablehnen würde, wenn diese Leute nie in der AfD gewesen wären. Aber darum geht es nicht.

Es geht nicht um politische oder menschliche Sympathien; vielmehr muß die Frage lauten, welchen allgemeinen Erkenntnisgewinn eine solche Dokumentation vermittelt. Kann sie, über das Schicksal dieser Einzelpersonen hinausgehend, zum Verständnis des Phänomens AfD beitragen?

Und das liefert die Sendung durchaus – in dem Rahmen, den solche Selbstzeugnisse ermöglichen. Sie erklärt nicht, woher der zunehmende Rechtsextremismus in der Gesellschaft kommt, was sie weder kann noch soll; doch sie liefert Einblicke, was Menschen, die unbeabsichtigt in eine immer offener rechts werdende Partei geraten sind, vielleicht zunächst davon abhält, wieder auszutreten.

In dieser Hinsicht ist die Dokumentation allerdings erhellend.

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:: Comic-Tipp: Henrietta Achilles hat (noch mehr) Ärger

Gut. Kommen wir zu etwas Schönem zurück.

Nach der Überblicks-Rezension zur Serie A House Divided von Haiko Hörnig und Marius Pawlitza und deren erste zwei Bände geht es hier um Band 3, The Winter of Walking Stone; der abschließende Band 4 wird in Kürze besprochen.

Vorweg noch einmal ganz kurz: Die ersten zwei Bände, Ein gefährliches Erbe und Ein Licht in der Dunkelheit, erschienen bei Carlsen; dann verschwand die Serie aus unerfindlichen Gründen plötzlich, um beim US-Verlag Lerner Publishing wieder aufgelegt, und mit zwei weiteren Bänden zuende geführt zu werden. Über einen Zeitraum von ca. fünf Jahren war also hierzulande nichts mehr zu hören. Inzwischen haben Hörnig und Pawlitza allerdings per Kickstarter-Kampagne Geld gesammelt, um eine neue, deutsche Gesamtausgabe herauszubringen – wann und wie diese erscheinen wird, ist allerdings noch unklar (siehe dazu mehr in der vorangegangenen Rezension).

Da es wegen des deutschen Urheberrechts schwierig ist, Bildzitate zu zeigen (aussagekräftige jedenfalls), hier noch einmal die offiziellen Leseproben zu Band 1, Band 2, Band 3 und Band 4. Faire Warnung: Die Proben zeigen jeweils den Beginn jedes Bandes; die für Band 2-4 enthalten natürlich Spoiler, wenn man die vorherigen Bände nicht kennt. Besonders die Probe von Band 4 kann dazu führen, daß man – ungefähr – weiß, womit Band 3 endet (minus einer weiteren Entwicklung ganz zum Schluß).

Soviel dazu; Herr Sathom hatte ursprünglich die Carlsen-Ausgabe gekauft und sich inzwischen Band 3 und 4 der englischsprachigen Lerner-Ausgabe (The Winter of Walking Stone und The Lost Daughter) besorgt. Halten diese, was seine begeisterte Erinnerung an die ersten beiden Bände hoffen ließ?

Back in Style

Wie schon erwähnt hatte ich sofort begonnen, mit fliegenden Fingern sozusagen, im dritten Band zu lesen – und das, obwohl ich mir ja eigentlich vorgenommen hatte, zuvor die ersten beiden Bände noch einmal zu lesen, um meine Erinnerung aufzufrischen.

Und wie ebenfalls erwähnt, war ich dennoch sofort wieder „drin“ – in der Handlung, bei den Hauptfiguren, von Handlung und Charakteren in Beschlag genommen. Was zunächst für die Qualität der ersten beiden Bände spricht, denn dazu müssen einem die Hauptfiguren sehr ans Herz gewachsen sein, die wesentlichen Handlungsereignisse nach so langer Zeit noch lebendig vor Augen stehen – und das Leseerlebnis selbst in positiver Erinnerung sein, und sich eben deshalb in der Erinnerung festgesetzt haben.

Jedenfalls gelingt es dem dritten Band, einen sofort wieder in den Lauf der Ereignisse hineinzuziehen. Auf einen witzigen und dialogtechnisch gelungenen Anfang, der sofort wieder für die Charaktere einnimmt, folgt eine traurig-melancholische Abschiedsszene: Henriettas neue Freundïnnen, die einst verfeindeten Markgrafen-Soldaten und die Räuberbande, müssen Lebwohl sagen. Henrietta hat kaum Zeit, sich ihrer plötzlichen Einsamkeit bewußt zu werden, denn eine sich rasch aufbauende Bedrohung gefährdet das Haus, seine Bewohner, und das Dorf. Die Handlung wird unvermittelt spannend, sogar unheimlich; bedrohlich. Solche – manchmal schnell wechselnden – Stimmungen zu erzeugen und, bei mir jedenfalls, sofort die entsprechenden Gefühle wachzurufen, gehört zu den großen Kunststücken, die dem Kreativteam immer wieder gelingen.

:: Die Deutschen und ihr Streikrecht

Die Bahn streikt. Die Lokführergewerkschaft GDL, genau gesagt. Und die Deutschen sind sauer. Also alle. Angeblich.

Dabei ist laut einer neuen YouGov-Umfrage lediglich jede fünfte Person in Deutschland überhaupt vom Streik betroffen; d.h. 75% der Bevölkerung spüren die Auswirkungen – nach eigener Aussage – überhaupt nicht. Das wundert auch nicht – schließlich entfällt derzeit nur ein Fünftel der gesamten Verkehrsleistung hierzulande auf den sogenannten Umweltverbund, öffentliche Verkehrsmittel also.

Dennoch lehnen 60% der Bevölkerung den Streik ab.

Auch das verwundert kaum; denn wie schon in der Vergangenheit wird der Streik von einer massiven Medienkampagne begleitet, die Wut und Ablehnung erzeugen soll. Allen voran engagiert sich dabei natürlich die Springer-Presse; aber auch die sonstige journalistische Aufbereitung – nun, sie ist seltsam. Aber dazu gleich mehr. Einstweilen springen wie gewohnt manche Politikerïnnen auf den medialen Stimmungszug und fordern Einschränkungen des Streikrechts bei kritischen Infrastrukturen, z.B. das zwingende Vorausgehen eines Schlichtungsversuchs, ehe gestreikt werden darf. (Diese Idee birgt ihre eigenen Probleme; Schlichtungen setzen nämlich voraus, daß ein „schlichtungsfähiger“ Vorschlag auf dem Tisch liegt. Stellt sich z.B. die Arbeitgeberïnnenseite stur, kann gar nicht geschlichtet werden – wenn ein vorheriger Schlichtungsversuch aber die Voraussetzung dafür ist, streiken zu dürfen, könnten Arbeitgeberïnnen Streiks einfach verhindern, indem sie eine Schlichtung verunmöglichen. Was vielleicht die Absicht hinter dieser Forderung ist.)

Aber woran liegt das? Wir haben ein verfassungsrechtlich verbrieftes Streikrecht – doch jedes Mal, wenn Arbeitnehmerïnnen es nutzen, kommt es zu einer merkwürdigen Diskussion.

Dürfen die das?

Niemand würde sich hinstellen und offen fordern, das Streikrecht abzuschaffen – gar deswegen das Grundgesetz zu ändern. Stattdessen wird immer, wenn es genutzt wird, ein merkwürdiges Ritual zelebriert. Es dient dazu, die moralische Legitimität des Streiks zu leugnen. Der Ablauf folgt stets demselben Muster. Zuerst werden beliebige Leute auf der Straße befragt, was sie vom Streik halten – ob diese nun mittelbar, unmittelbar oder gar nicht von den Auswirkungen betroffen sind. Die Befragten, aber auch die fragenden Reporterïnnen beklagen dann stets, welche negativen Auswirkungen der Streik doch für Dritte hätte. Und ja, die gibt es. Nur werden diese stets höher bewertet als die Anliegen der Streikenden. Da können Leute bei Amazon lausig bezahlt werden, wie Strafgefangene elektronisch überwacht werden und gezwungen sein, und in Flaschen zu pinkeln – Protest dagegen wird als unrechtmäßig oder übertrieben dargestellt, darauf verwiesen, daß diese Leute ja z.B. das Weihnachtsgeschäft gefährden, und daß da Kinder ganz doll traurig sein werden, wenn der Coca-Cola-Opa Weihnachtsmann die X-Box nicht bringt.

Man scheint der Auffassung: Ganz gleich wie miserabel und zermürbend die Arbeitsbedingungen; ganz gleich, wie erbärmlich das Gehalt, und ob die Beschäftigten davon leben können; die Bequemlichkeit Dritter wiegt schwerer, und die Streikenden hätten eigentlich die Pflicht, tapfer die Zähne zusammenzubeißen und alle Qualen zu erdulden.

Kurz: Den Streikenden wird das moralische Recht abgesprochen, zu streiken. Sie werden eines moralischen Verbrechens beschuldigt, wenn sie ein ihnen zustehendes Recht in Anspruch nehmen.

Mediale Schelte

Die Rolle der Medien ist dabei ebenfalls, na, sagen wir: kurios. Daß Springer & Co. Stimmungsmache betreiben, muß niemanden wundern. Doch auch die „seriösen“ bürgerlichen Medienschaffenden, sowohl private wie öffentlich-rechtliche, gebärden sich eigenartig.

Deutsche Journalistïnnen haben es nicht leicht, was Einkommen und Arbeitsbedingungen angeht, besonders die Freien unter ihnen; und sie sind gewerkschaftlich organisiert (bei ver.di). Dennoch wird bei fast jedem Streik – egal ob von Lehrerïnnen, Kinderbetreuerïnnen, Krankenhaus- oder Pflegepersonal – zunächst die völlig legitime Inanspruchnahme des Streikrechts durch Angehörige anderer Branchen infrage gestellt.

Gewerkschaftsvertreterïnnen müssen sich Interviews stellen, in denen sie noch einmal explizit darauf verwiesen werden, welchen „Schaden“ ihr Streik anrichtet; erbarmungslos wird nachgehakt, ob das denn angesichts der Konjunkturlage ratsam sei, ob Lohnerhöhungen nicht Preiserhöhungen für die Kundïnnen zur Folge hätten, wie z.B. die Bahn das denn bezahlen soll, wo sie doch eh gerade soviel am Schienennetz zu reparieren hat, usw. Diese Interviews erinnern an Verhöre.

:: TV-Tipp: UFOs

OVNI, Objet Volant non identifié – so lautet die französische Bezeichnung für die geheimnisvollen Flugkörper, die man bei uns landläufig UFOs nennt. Und OVNIs ist der Originaltitel der französischen Serie UFOs, die derzeit bei ARD one läuft, noch bis 17.02. in der Mediathek verfügbar.

Die Serie wurde bei one bereits einmal am Stück ausgestrahlt (daher kann sich Herr Sathom eine Rezension erlauben), und läuft jeweils donnerstags und mit Wiederholung samstags im Free-TV. Dort ist man diese Woche allerdings schon bei Doppelfolge 5+6, aber wie gesagt – Mediathek.

UFOs ist nicht Akte X. Der Sender weist die Serie als Comedy aus, und, ja, das ist sie auch – aber soweit sie das ist, eben auf eine sehr französische Art. Eine sehr gelungene, die an andere Beispiele französischer Komik wie die Filme von Jean-Pierre Jeunet erinnert: Mit skurrilen Charakteren, die doch sympathisch sind, aber auch ihre Fehler, sogar Abgründe, haben; ein wenig tragikomisch, melancholisch, und gelegentlich auch traurig; aber immer von einem gelegentlich absurden Humor getragen.

Hauptfigur ist Didier Mathure (Melvil Poupaud), Star-Raketenwissenschaftler der französischen Weltraumbehörde – bis seine neueste Rakete eines Tages auf unerklärliche Weise explodiert (die absurden Gründe dafür werden später klar). Mathure, ein Mann mittleren Alters, wird geschaßt und zur Gepan versetzt, einer Behörde, die UFO-Sichtungen aufklären soll.

Dort trifft er auf eine Gruppe überzeugter Alien-Gläubiger, die den rationalistischen, oft auch etwas zynischen Mathure bald in den Wahnsinn treiben: Den idealistischen Rémy (Quentin Dolmaire), den noch relativ bodenständigen, älteren Marcel (Michel Vuillermoz) und die überdrehte, enthusiastische Vera (großartig: Daphné Patakia). Alle haben ihre Eigenarten, und Vera ist möglicherweise verrückter, als es den Anschein hat. Oder doch nicht?

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:: Positiv überrascht

Manchmal bin ich doch – und, gebe ich zu, trotz meines allgemeinen Pessimismus – positiv überrascht.

Wann? Wenn es z.B. eine Reaktion gibt, die ich nicht erwartet hätte.

Am 10. Januar 2024 enthüllte die Rechercheplattform Correctiv ein Geheimtreffen nahe Potsdam, bei dem es um nichts Geringeres ging als das, was Rechtsextreme „Remigration“ nennen – also die Massendeportation von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland. Pläne dafür schmiedeten bei diesem Treffen Politikerïnnen von AfD und CDU bzw. Werteunion, Rechtsradikale, und wohlhabende „brave Bürgerïnnen“ – Vertreterïnnen der gehobenen Mittelschicht, denen offenbar die Aufgabe finanzieller Förderung zugedacht war.

Man muß sich das Ausmaß dieser Pläne klarmachen, um die Brisanz zu verstehen. Es geht nicht darum, Asylsuchende abzuschieben, deren Anträge mehr, weniger oder gar nicht begründet sind. Sondern langfristig um die totale Vertreibung aller Menschen, die einen „Migrationshintergrund“ haben – also keine reinweißen „Biodeutschen“ im Sinn der „völkischen“ Ideologie sind. Menschen, die in dritter vierter, oder irgendwann vielleicht in zehnter Generation (siehe unten) Deutsche sind, nämlich die Staatsbürgerschaft besitzen, sollen ebenso vertrieben werden. Es handelt sich um nicht mehr und nicht weniger als den Plan einer völligen „ethnischen Säuberung“.

Langfristige Pläne

Das läßt sich natürlich nicht so eben über Nacht bewerkstelligen. Zuvor sollte – so der Wille der Beteiligten – in Deutschland eine Stimmung erzeugt werden, die dazu führt, daß die Bevölkerung ein solches Vorgehen immer stärker akzeptiert. Und die umgekehrt dazu führt, das Land für zuwanderungswillige Menschen unattraktiv zu machen (hallo Fachkräftemangel). Zum Beispiel, weil sie mit einer feindseligen Stimmung und Benachteiligungen rechnen müssen, sollten sie doch kommen.

Dazu bedarf es sogenannter Metapolitik (wir hatten das Thema hier schon) – etwas, das man früher schlicht Stimmungsmache nannte. Entsprechend langfristig planten die Beteiligten: Es geht um die finanzielle Förderung rechter Influencerïnnen (auch „Hatefluencerïnnen“ genannt), die auf YouTube häufig demonetarisiert, also von Werbeeinnahmen ausgeschlossen werden; um die Gründung einer Agentur und andere Maßnahmen, jüngere Menschen konsequent mit rechter Propaganda zu bespielen. Gut vernetzte Akteurïnnen sollen gezielte Kampagnen fahren, bei denen unterschiedliche Kanäle und Hatefluencerïnnen gemeinsam agieren und die Vertreibungsagenda populär machen. Hätte man erst einmal parlamentarische Macht gewonnen, sollte das Vorhaben durch „maßgeschneiderte Gesetze“ begünstigt werden – laut Teilnehmer Martin Sellner, Ex-Sprecher der österreichischen „Identitären Bewegung“ und rechter Aktivist, ein „Jahrzehnteprojekt“. Weshalb es eben, wie gesagt, alle treffen kann – auch Menschen, die dann eben schon seit Jahrzehnten Staatsbürgerïnnen sind.

Wer da alles mit wem vernetzt ist und wie weit dieses Geflecht reicht, ist ziemlich komplex – es umfaßt bürgerliche Kreise, in der Vergangenheit gut beleumundete Unternehmer, finanzstarke Unterstützerïnnen. Neben dem Originalartikel bei Correctiv kann man Details hier bei netzpolitik.org (Verbindungen zur IT-Branche, Aufbau von Online-Einfluß) und hier bei Belltower (Thema Social Media) finden. Zumindest die Beiträge von Correctiv und netzpolitik.org sind ziemlich leseintensiv und ich verlinke sie lieber, als dieses Spinnennetz hier noch einmal zu entknäueln. Denn es geht hier um etwas Anderes – etwas Positives.

Die Überraschung

Ich hatte eigentlich erwartet, daß die deutsche Öffentlichkeit diesem Anschlag auf die eigenen Mitbürgerïnnen mit Gleichgültigkeit begegnen würde. Daß das Thema Rassismus ignoriert, verharmlost, die Betroffenen im Stich gelassen würden, wäre ja nicht ohne Beispiel. Stattdessen das.

:: Comic-Rückblende: Henrietta Achilles hat Ärger

Und was für welchen. Eben noch eine Waise und vernarrt in die Abenteuerbücher über eine Heldin namens Virginia Sly, entpuppt sie sich plötzlich als Erbin eines geheimnisvollen Onkels, von dessen Existenz sie bisher nichts wußte; eine Kutsche holt sie vom Waisenhaus ab und bringt sie in ein Dorf, dessen Bewohner nicht alle von ihrer Ankunft begeistert scheinen (aber sehr bemüht so tun). Es stellt sich heraus, daß ihr Onkel ein berühmter und zugleich bei Vielen unbeliebter Zauberer war, dessen Anwesen sie geerbt hat – und gewisse, damit verbundene Schwierigkeiten … große Schwierigkeiten.

So begann 2016 bei Carlsen die Serie A House Divided von Haiko Hörnig (Text) und Marius Pawlitza (Illustration). Die erste Ausgabe fiel mir zufällig in die Hände, denn eine Freundin und Lehrerin hatte sie im Rahmen eines Buchprojekts ihrer Schule bei sich zuhause. Nach einigem Herumblättern beschloß ich, das Buch zu kaufen, und setzte den Entschluß gleich in den nächsten Tagen um. Die Geschichte begeisterte mich so, daß ich die Fortsetzung kaufte, die 2018 erschien. Und dann, nachdem dieser ebenso großartige Band mit gleich zwei, so unheilvollen wie und spannenden, Cliffhangern endete, war plötzlich – Schluß.

Trotz Ankündigung für 2020 kein dritter Band. Nach starkem Start war A House Divided plötzlich, so spur- wie geräuschlos, verschwunden.

So was kommt vor

Eine brüchige Publikationshistorie von Comics ist nicht selten. Und nicht immer kennt man die Hintergründe: Trotz Recherche ist mir nicht gelungen, herauszufinden, was da los war. Lag das Problem beim Carlsen-Verlag, oder bei Verfasser und Zeichner, bekamen die beiden vielleicht ein besseres Angebot, oder war Carlsen mit den Verkaufszahlen unzufrieden, obwohl A House Divided bei Erscheinen recht positive Kritiken erntete? Ich erfuhr nur beim Comichändler meines Vertrauens, daß weitere Bände wohl bei einem amerikanischen Verlag erscheinen sollten. Zeitgleich verschwand die bis dahin online verfügbare Webcomic-Version. Ich harrte und hoffte (und nervte die Leute beim Groben Unfug) also noch eine Weile, aber A House Divided, das mit einigem Zuspruch begonnen hatte, blieb verschwunden.

Bis mir das Ganze kürzlich wieder einfiel und ich mal online nachsah, was nun ist. Und siehe da: Die zwei nächsten, abschließenden Bände sind in den USA bei Lerner Publishing erschienen. Und lassen sich über den Buchhandel zum Glück auch hierzulande bestellen (Lerner selbst liefert nicht direkt nach D). Übrigens liegen bei Lerner alle Folgen, auch die erste und zweite, in englischer Übersetzung vor – und in den USA bekam die Serie glühend positive Kritiken, z.T. von prominenten Comic-Künstlerïnnen, deren Strips auch hierzulande erscheinen. Nur mal so nebenbei bemerkt, Carlsen.

Leseproben gefällig?

Comic-Rezensionen ohne Bilder sind ein Schmerz im A…, aber das Urheberrecht hierzulande ist auch eins. Zum Glück gibt es auf der Website von Autor und Zeichner, pengboom.de, Leseproben für jeden Band (allerdings englischsprachig), die einen Eindruck von Illustrationen und Storytelling vermitteln. Hier sind die Links zu Band 1, Band 2, Band 3 und Band 4. Faire Warnung: Die Proben für Band 2-4 enthalten natürlich Spoiler, wenn man die vorherigen Bände nicht kennt; tatsächlich würde ich empfehlen, die Probe von Band 4 nicht zu lesen, weil man dann – ungefähr – weiß, womit Band 3 endet (minus einer weiteren Entwicklung ganz zum Schluß).

Ein erster Eindruck

Aber wie ging es mir nun mit der Fortsetzung, die ich endlich in Händen hielt?

Nun – eigentlich wollte ich noch einmal in aller Ruhe die ersten zwei Bände lesen, ehe ich die neuen in Angriff nehme; immerhin waren Jahre vergangen, und ich wollte mich zuerst wieder auf den Stand der Dinge bringen. Aber irgendwie komme ich anscheinend in ein Alter, in dem ich mich wieder wie ein Kind an Weihnachten fühle, wenn ein bestellter Nerd-Artikel eintrifft, und blätterte stattdessen sofort los.

Des Herrn Sathom Meckerecke