:: UN-Flugverbotszone in Libyen

Herr Sathom hat sich an dieser Stelle bereits einmal zum Verhalten der deutschen Politik zu einer militärischen Unterstützung der libyschen Rebellen geäußert; inzwischen hat sich der Stand der Dinge verändert.

Der UN-Sicherheitsrat hat mittlerweile eine Flugverbotszone beschlossen, und die militärischen Einsätze zur Unterstützung der Aufständischen haben begonnen.

Nicht beteiligen an diesen Einsätzen wird sich, wie zu erwarten war, Deutschland; und nach wie vor hält Herrn Sathom die zur Begründung vorgebrachten Argumente (so man sie so heißen will) für irritierend und ärgerlich.

Um es noch einmal zu betonen: Herr Sathom wäre, wie bereits an o.a. Stelle gesagt, der Letzte, der leichtfertig Militäraktionen fordern, und dabei den Tod von Soldaten (wie auch Zivilisten) billigend in Kauf nehmen würde, um so mehr, wenn er dies risikolos aus dem Wohnzimmer heraus tun kann, darin er sich derweil den Arsch wärmt; doch auf die Gründe kommt es an.

Und nach wie vor muß Herr Sathom feststellen: was man aus dem Munde deutscher Politiker(innen) hört, klingt verdächtig nach Heuchelei. Daß Herr Westerwelle fürchtete, die muslimische Welt könnte einen Kreuzzug des Westens ahnen, und kassandragleich orakelte, es könne dem „zarten Pflänzchen der Demokratie“ schaden, wenn Maßnahmen nicht im Einvernehmen und auf Augenhöhe mit den umliegenden Staaten erfolgten, und dabei fröhlich ignorierte, daß die Rebellen selbst und auch die Arabische Liga ja ein Eingreifen wünschten, hat Herr Sathom ja bereits erörtert; wie auch, daß da dasselbe Personal – allen voran Frau Merkel – vor einem Militäreinsatz warnte, das zu früheren Zeiten stets bereit war, dem Herrn George W. Bush auf jedweden Kreuzzug zu folgen, ganz gleich wie dämlich die Begründung, ganz gleich wie hoch der zu erwartende Preis.

Aktuell bleibt Herrn Sathom nur festzustellen, daß sich diese Qualität deutscher Argumentation nicht verändert hat.

Herr de Maizière etwa führte zum Ende der Woche an, daß man das Risiko sähe, daß es bei Luftschlägen nicht bleiben und der Einsatz von Bodentruppen notwendig werden könnte; zudem liest Herr Sathom den neuen Verteidigungsminister fabulieren, man müsse solche Einsätze behutsam und verantwortungsvoll abwägen, und dergleichen mehr (siehe hier). Das Argument an sich ist nicht falsch – es ist sogar selbst bezüglich einer wünschenswerten Unterstützung der Libyschen Rebellen ebenso richtig wie das Bedenken, in einen Bürgerkrieg hineingezogen zu werden (siehe hier); was sich Herr Sathom fragt, ist jedoch, wieso man es jetzt hört und nicht bereits früher, wenn es um Militäreinsätze im Ausland ging. Gleiches gilt für den richtigen Einwand, daß ungeklärt sei, wie es nach einem Militäreinsatz weitergehen, und wie man Gaddafi überhaupt entmachten wolle (siehe hier) – nichts dergleichen hielt die hiesige konservative Politik ab, wenn es früher darum ging, Halali zu blasen.

Herr Sathom muß einmal mehr konstatieren: konservative deutsche Politiker haben derlei Bedenken nie umgetrieben, wenn es galt, einer zu diesem Zeitpunkt ultrakonservativen US-Regierung in idiotische Kriege zu folgen; sie waren für den Irakeinsatz, als die Schröder-Regierung dagegen war, und auch zum Engagement in Afghanistan bereit. Ihre plötzliche Sorge um Bodentruppen, das Betonen von Verantwortung u.v.m., das er jetzt vernimmt, scheint ihm ganz neu, und als wäre dies damals weitaus eher am Platze gewesen. Mehr noch: es muß auffallen, bei wie schlechten Anlässen man bisher auf solche Vorbehalte gepfiffen hat, während sie diesmal, da es darum geht, einer Befreiungsbewegung wider einen Diktator zu helfen, plötzlich ein so immense Rolle spielen sollen.

Was da von diversen Regierungsvertretern – allerdings auch dem Liberalen Guido Westerwelle, also nicht nur von „Konservativen“ im christdemokratischen Sinne – mit treuherzigem Gesichtsausdruck vorgetragen wird, klingt Herrn Sathom daher in höchstem Maße nach Ausrede; dies gilt auch und gerade für das, was die Kanzlerin in den letzten Tagen zum Thema vortrug, und das Herrn Sathom an pausbäckiger Scheinheiligkeit kaum zu übertreffen dünkt: so angestrengt Ehrlichkeit und Verantwortungsbewußtsein mimend wie der derzeitige sonntagsrednerische Spagat (Herr Christoph Süß sprach am Donnerstag bei „quer“ von einer „Blutgrätsche“), den die Regierung derzeit auch zum Thema Atomkraft hinlegt, wenn mit überraschtem Augenaufschlag plötzlich Risiken zur Kenntnis genommen werden, als habe man um diese nicht seit Jahren gewußt, und zugleich eine Fortsetzung der bisherigen Atompolitik nach dem Moratorium bereits rhetorisch vorbereitet wird. In beiden Fällen spürt man die Hilflosigkeit, mit der da manövriert wird, mühsam mit Begründungen arbeitend, an die man selbst nicht recht zu glauben scheint.

Hieße es: wir wollen keinen Einsatz, weil wir prinzipiell militärische, kriegerische Aktionen ablehnen, wäre dies nachvollziehbar; allein dies kann man von betreffender Seite nicht vorbringen, weil man damit frühere Begeisterung für Bomben und Granaten in Frage stellen, und sich zukünftige verbauen müßte.

Sagte man: sorry, folks, wir haben genug um die Ohren in Afghanistan, wir können einfach nicht, ginge das für Herrn Sathom auch hin; doch dies hieße, offen einzugestehen, daß man sich aus einem wirklichen Kampf für Freiheit und gegen Diktatur heraushält, weil man zuvor einen falschen Zweck mit viel Hurra unterstützt hat. Anderenfalls hätte man die Ressourcen ja frei. Dumme Zwickmühle.

Oder kann man derzeit nicht, weil die Guttenbergsche Bundeswehrreform doch etwas überstürzt, schlecht vorbereitet und unprofessionell in Angriff genommen wurde, und man daher chaosbedingt aktuell nicht auch noch zusätzliche Auslandseinsätze bestreiten kann? Könnte man ebenfalls nicht laut sagen, ohne sich innenpolitisch bei einer Klientel, die den so schmählich behandelten Messias heißer denn je liebt, des Guttenberg-Bonus zu berauben. Auch verzwickt.

Daß andere Parteien die Zurückhaltung der Regierung begrüßen, läßt sie in Herrn Sathoms Augen nicht besser dastehen. Wir erinnern uns: auch die Grünen waren mal für „gerechtfertigte“ Einsätze. Es gibt schon zu denken, welche Art Einsatz man offenbar hierzulande allenthalben nicht für gerechtfertigt hält: den gegen einen Tyrannen und für nach Freiheit strebende Menschen. Klingt das auch ein wenig nach Prioritäten, die sich deutscher Tradition verdanken, oder liegt’s nur am Herrn Sathom?

Zugegeben, die Gründe anderer, einen Einsatz zu befürworten, sind auch nicht unbedingt von hochherzigen Motiven getragen: in Frankreich etwa muß man innenpolitisch davon ablenken, daß man etwas zu offenherzig mit Monsieur Gaddafi gekungelt hat in der guten alten Zeit, da sein Volk (jedenfalls ein Teil davon, doch dies gilt für jede Revolution – alle sind nie dabei) noch nicht nach Liberté, Egalité et Fraternité strebte. Andererseits: hätte man sich allenthalben entschlossener gezeigt und Herrn Gaddafi schon vor Wochen gesagt, paß mal auf, so und so, hätte es vielleicht bisher schon eine Menge weniger Leichen gegeben.

Angesichts dessen, wie mühselig zusammengeschustert jedenfalls die hiesigen Verlautbarungen klingen, könnte man fragen, ob die Gründe deutscher Zurückhaltung auf ganz anderer Ebene liegen, als man offen sagen will. Immerhin lobte Herr Westerwelle den Herrn Mubarak vor dessen Sturz einst noch als „Weisen“, und auch mit dem Herrn Gaddafi war man seitens mancher europäischer Staaten bisher wohl gar nicht so unzufrieden. Ob die derzeit noch hypothetischen Sieger einer Revolution ebenso interessante Partner wären wie das bisherige Regime, wenn’s um Waffengeschäfte oder Flüchtlingsproblematik geht, wer mag das schließlich wissen: Money talks, aber welche Reden es nach einem erfolgreichen Aufstand schwingen wird, ist weniger gut absehbar als bei dem wohlbekannten alten Halunken, mit dem man seit Jahrzehnten schon gemeinsam in so manches Loch geschifft hat.

Herr Oliver Welke lästerte ja noch jüngst in der „heute-show“ angesichts eines Interviews mit Herrn Gaddafi, darin dieser die deutsche Haltung löblich fand, daß man sich seine Freunde nicht aussuchen könne; aber wer weiß, ob Herr Gaddafi bisher nicht gar ein guter, wohlausgesuchter und handverlesener Freund war? Zumindest aber einer, mit dem sich’s bequem leben ließ, was man wiederum von neuen Regierungen vorab noch nicht so recht weiß?

Es ist allerdings eitel, über solche Motive zu spekulieren; ob dies oder anderes die Regierung zu ihrem plötzlichen Pazifismus treibt, und was erst der Opposition ins Hirn geschissen hat die Opposition bewegen mag, muß dahingestellt bleiben.

Es bleibt der üble Beigeschmack, daß deutsche Politiker sich verweigern, wenn es gilt, eine Befreiungsbewegung zu unterstützen, während sie in der Vergangenheit allzuoft bereit waren, an paranoid und wirtschaftlich bedingten Kriegshandlungen teilzunehmen, und daß sie sich aktuell mit Begründungen entziehen, die damals angebrachter gewesen wären und für eine jedoch nicht erfolgte Ablehnung gesprochen hätten.

Und daß dieser Beigeschmack durchaus wahrgenommen wird, erschließt sich für Herrn Sathom beispielsweise aus einem gerade heute gesehenen Bericht eines ZDF-Korrespondenten; dieser, der kürzlich noch Rebellenführer interviewt haben will, weiß mitzuteilen, daß man auf Seiten der Regimegegner im Vorfeld sehr genau beobachtet habe, wer für oder gegen eine Flugverbotszone und militärisches Eingreifen sprach, und daß die deutsche Haltung für Unverständnis und Enttäuschung gesorgt habe – wohl auch gerade, soweit Herr Sathom das verstanden hat, weil man dort weiß, welchen Bohei man deutscherseits gern um Demokratie und Konsorten veranstaltet (von Deutschland als einem „Leuchtfeuer“ der Demokratie war da die Rede, allein erschloß sich Herrn Sathom nicht, ob dies eine Metapher der Rebellen oder des Korrespondenten war).

Soviel also zu Herrn Westerwelles Befürchtungen, das Ganze könne als „Kreuzzug“ wahrgenommen werden, einer dämlichen und leicht durchschaubaren Ausrede, die allzu offensichtlich die Aufständischen selbst gar nicht betreffen kann. Im Gegenteil ist eingetreten, was Herr Sathom neulich schon vermutete: ein ausgesprochener Verlust an Glaubwürdigkeit. Da hilft es vermutlich auch nichts, wenn der Außenminister – der sich wie seine Kollegen ständig zu versichern beeilt, die deutsche Haltung stoße bei den Verbündeten auf Verständnis, was ja sein kann, aber nicht das Wesentliche ist – in einer heute auf Phoenix ausgestrahlten Rede verspricht, humanistische Hilfe zu leisten, und von Herrn Gaddafi fordert – ja, wirklich, fordert, auf welcher Grundlage auch immer – doch bitte aufzustecken, um seines Volkes Leiden zu beenden. Er guckt auch ganz streng, wie er das sagt, und wie von tiefem Ernst erfüllt, der Herr Westerwelle; das wird dem Herrn Gaddafi nun aber sicher dermaßen zu Herzen gehen, daß er still abdankt und freiwillig eine Woche auf seinen Nachtisch verzichtet. Da haben wir’s dem Despoten aber noch mal so richtig gezeigt, und siehste, ganz ohne Knarre.

Das alles wirkt so glaubwürdig wie des Außenministers Versicherung, man fiebere „mit den Menschen“ Libyens (siehe hier); die kolportierte Äußerung von Frau Merkel, man wünsche den Bündnispartnern viel Erfolg, weil man deren politische Ziele teile (siehe hier; dort weiterblättern zu Seite 2 oder direkt hier), klingt ähnlich nach bloßer Rhetorik des Heraushaltens.

Insgesamt kann dieser Westerwellesche Auftritt den unangenehmen Eindruck nur verstärken, meint Herr Sathom, wirkt das Ganze doch im Lichte des Vorangegangenen wie ein Versuch, sich durch die Hintertür schon wieder an potentielle künftige Machthaber ranzuasseln, obwohl man sie jetzt im Regen stehen läßt. Die vollmundigen Sympathiebekundungen bei gleichzeitiger Tatenlosigkeit müssen in den Ohren der Betroffenen nur noch mehr wie Hohn klingen, als es bisheriges Kreuzzugsgefasel tat.

Und natürlich ist all das auch eine Rede ans eigene Volk, dem man weiszumachen versucht, man sei schon total dafür, wie da welche für Freiheit kämpfen, und fände das auch richtig super und den Gaddafi voll gemein, aber sei der wohlbegründeten Auffassung, mit ein paar ermunternden Zurufen sei da völlig ausreichend geholfen.

Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Herr Sathom ist sicher kein Befürworter militärischer Hau-den-Lukas-Politik. Manche der o.g. Einwände gegen einen Einsatz sind durchaus nachvollziehbar, ebenso wie der weitere aus dem Auswärtigen Amt, man wisse gar nicht, wen unter den Rebellen man unterstützen solle, zumal auch „ehemalige Handlanger Gaddafis“ (siehe hier) „unter den Aufständischen“ seien (mal angenommen, diese Information trifft zu); er muß jedoch festhalten, daß derartige Bedenken bei früheren Anlässen, die durchaus schlechter waren als der jetzige, für die konservative Politik nie einen Hinderungsgrund darstellten. Befürchtungen einer Eskalation, eines Ausuferns, eines Bürgerkriegs u.v.m. müssen stets sorgsam und verantwortungsvoll bedacht werden – die Entscheidung für oder wider Militäreinsätze hängt letztlich daran, ob die Motive der Entscheider für ein Eingreifen schwerer wiegen als die Vorbehalte (mal unabhängig davon, ob diese Motive mit den offiziell genannten Gründen übereinstimmen oder nicht). Und hier, scheint Herrn Sathom, liegt ein seltsames Mißverhältnis vor, bedenkt man, bei welchen Anlässen ebensolche Ablehnungsgründe, wie sie jetzt eine entscheidende Rolle spielen, bisher wurscht waren. Wäre es einem mit den Argumenten für ein Verharren in wohlfeiler passiver Anteilnahme ernst, hätte man auch dazumal ebensolcher Ansicht sein müssen.

Als einst 1986 nach dem Bombenanschlag auf die Berliner Diskothek „La Belle“, bei dem ein amerikanischer Soldat zu Tode kam, flugs Gaddafi als Hintermann geortet wurde und die Reagan-Administration daraufhin massive Angriffe auf Libyen unternahm, die zahllose Zivilisten – darunter Frauen und Kinder – das Leben kosteten, war in Deutschland auch die „seriöse“ Presse eilfertigst zur Hand, das Unternehmen als Heldentat zu preisen, erinnert sich Herr Sathom; ob man vor diesem historischen Hintergrund die aktuelle deutsche Haltung besonnener findet und gutheißt, oder es als besonderen Zynismus betrachtet, daß damals das Sterben Unschuldiger beklatscht ward, während man heute die Hände in den Schoß legt, wenn es gilt, gegen militärische Einrichtungen vorzugehen, um demokratiebewegte Zivilisten zu unterstützen, das mag jede(r) für sich selbst entscheiden.

P.S.: Zivilisten – weil Herr Sathom sie oben erwähnte – sollen nach Berichten des Libyschen Staatsfernsehens bereits zu Schaden gekommen sein; zugesagte Begegnungen westlicher Korrespondenten mit Verwundeten werden jedoch aktuell immer wieder ohne Nennung von Gründen verschoben, vernimmt Herr Sathom aus dem Televisor. Weshalb man sich allerdings nichts vormachen sollte: zivile Opfer, auch wenn sie derzeit noch erfunden sein mögen, wird es sicher geben – zumal regimetreue Horden sich bei Militärstützpunkten sammeln sollen, um dort als menschliche Schutzschilde von Angriffen abzuschrecken (was insofern paradox ist, als man offenbar darauf spekuliert, der böse Westen würde dann eben nicht angreifen).

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