Jede(r) kennt sie: Das Binnen-I (wie in KinderInnen), den/die Schaffner_in, und seit einiger Zeit auch jenes Sternchen, das den Genderabgrund überbrückt, uns Bürokrat*innen beschert.
Nun ist Herr Sathom wirklich der Letzte, der leugnen würde, daß unsere Sprache patriarchalisch und phallisch geprägt ist, jedenfalls das männliche Geschlecht bevorzugt, es nämlich als Normalfall setzt; Frauen als irgendwie auch gemeint subsumiert, und von ihnen erwartet, das hinzunehmen.
Insofern findet er die Aufregung um jene Uni, die vor einiger Zeit den Spieß umdrehte und für den eigenen Hausgebrauch die feminine Form zur primären erklärte, entlarvend: Plötzlich finden Männer „lächerlich“, was sie von Frauen widerspruchslos zu akzeptieren verlangen. Dabei wird ihnen ihre Pirouette nicht einmal bewußt – stören sich Frauen an der sprachlichen Bevorzugung des Maskulinums, regen sie sich über eine bedeutungslose, keineswegs diskriminierende Kleinigkeit auf, doch kaum ändert sich der Artikel, brüllt Er „Frechheit!“; und findet selbige so unnötig, wie die eigene nicht anstößig.
Daß die oben erwähnten, sicherlich gutgemeinten Schreibregelungen aber Herrn Sathom auch in Schriftstücken, die er inhaltlich bejaht (zu Genderfragen, Frauenrechten usw.), nicht so recht behagen, hat also andere Gründe als den, daß er das Problem nicht sähe oder zu jenen zählte, die finden, es gäbe keins, und es sei doch „normal“, daß man Frauen in die maskuline Allgemeinvokabel einschließt.
Die Gründe, aus denen er das Binnen-I, das Gendersternchen und ihre Geschwister dennoch nicht mag, sind diese:
1.) Keiner dieser Ansätze erfüllt seinen vorgeblichen Zweck, da die Varianten nicht gesprochen werden können (das Binnen-I noch eher als das *). Gerade wenn Sprache unser Denken und Fühlen, unser „Bewußtsein“ prägt, kann eine „Lösung“, die den alltäglichen Sprachgebrauch nicht einschließt, und die gewöhnliche, alltägliche Umgangssprache behandelt, als existiere sie gar nicht, nichts bewirken. Eine Veränderung unseres Denkens erforderte eben auch, daß sich ein anderer Sprachgebrauch, ein anderes sprachliches Verhältnis der Geschlechter, einschleift durch häufigen, regelmäßigen Gebrauch – eine Praxis also, die kaum dadurch hergestellt wird, daß nicht auszusprechende Unlaute einen neuen Abgrund zwischen Schriftsprache und Rede aufreißen.
2.) Daß der Umstand, daß Menschen miteinander nicht nur texten, sondern auch reden, ignoriert wird, zeugt von einem kulturellen Bias, der nur die Schriftsprache als eigentliche gelten läßt. Was Pöbels auf der Straße radebrechen, den „restringierten Code“, halten eingefleischte Schriftsprachler auf den Höhen ihrer intellektuellen Zenithe für minderwertig, Ausdruck der Blödheit jener da unten – und was tun sie?
Erfinden Sprachregelungen, die von den Blöden intuitiv als unsinnig („nicht zielführend“) erkannt und abgelehnt werden – und bestätigen sich damit flugs das Vorurteil, daß die Massen eben rückständig und doof sind.
Ich empfinde das als furchtbare Sprachverhunzung.
Die ganze Problematik entsteht doch nur daraus dass in dieser
Diskussion Geschlecht mit Grammatik verwechselt wird bzw Sexus mit Genus.
Bevor diese Diskussion irgendwann hochkochte war für mich immer klar dass „der Doktor“ auch durchaus eine Frau sein kann. Eben Frau Doktor. Noch krasser wird es beim Militär, da heißt es ja tatsächlich Frau Hauptmann, nicht Frau Hauptfrau oder so. Der Hauptmann wie der Doktor ist eine rein sachliche Berufsbezeichnung mit männlichem Artikel wie z.B. eben auch der Tisch, der Stuhl etc.
Das war für mich irgendwie immer klar. Die Diskussionen hierüber bereiten mir regelmäßig Haarausfall weil es mMn den deutschen Bildungsstandard sehr schön wiederspiegelt.
Meiner Meinung nach sitzen die FrauenrechtlerInnen [sic!] da einem furchtbaren Irrtum bzw Missverständnis auf.
Hervorragender Artikel dazu:
http://www.schriftdeutsch.de/orth-fem.htm
Ja, naja, Absurditäten mal beiseite, die im Überschwang solcher „Kulturkämpfe“ eben stattfinden, dito Profilierungsversuche wie die oben kritisierten, bin ich da schon anderer Meinung. Ich habe z.B. Deinen diesbezüglichen Blog-Artikel mit großem Interesse gelesen, meine aber, daß die dort zitierten Autoren unzulässig die Betrachtungsebene wechseln – sie tun so, als existierten grammatikalische Geschlechter in einem wertneutralen Raum, um dann denen, die Sprache verändern wollen, einfach vorzuwerfen, daß sie die Trennung von Genus und Sexus nicht begreifen. D.h. sie weigern sich, die grammatikalische Ordnung von außen zu reflektieren, was aber gerade die Perspektive der Feminist*innen*außen (he, he) ist. Der angebliche „Irrtum“ der Frauenrechtlerinnen ist konstruiert, basierend auf der Fiktion, daß es nichts bedeute, wenn das generische Maskulinum sprachlich bevorzugt wird (mehr in meiner geschwätzigen Antwort dort 😉 ).
Die Diskussion über unterdrückende Sprachgewohnheiten ist – auch wenn ich mich damit zum sturen Mann mache – tatsächlich nicht zielführend. Ich mache mir, seit im Studium erstmals diese Thematik aufkam – immer mal wieder Gedanken über die Bestrebungen, die Sprache gleichberechtigter zu gestalten. Ab einem bestimmten Punkt stößt jeder umwälzende Versuch (der umgedrehte Spieß) an eine mit bewusster Veränderung unüberwindbare Grenze:
Der Wirbel um ein abstraktes Ungleichgewicht wird vermehrt in akademischen Kreisen gemacht, was zunächst wertfrei zu betrachten ist. Problematisch ist daran, dass die vermeintlichen Missstände eine Interpretation ist, die längst nicht alle Partizipierenden unterschreiben würden. Damit wirkt es für viele – auch für mich, der die Argumentation zumindest und immerhin nachvollziehen kann – kleinlich.
Damit aber nicht genug. Die sprachlichen Unterschiede werden durch eine bewusst eingesetzte Sprachrevolution nur noch vergrößert. Jedes weitere Sprechen darüber markiert genau den Missstand, den man doch eigentlich beheben wollte.
Wenn ich jemanden speziell behandele, führt das nur zu noch stärkeren Differenzen. Ob es nun die Geschlechterthematik ist oder der Klassiker, wenn man seinem Kind verbietet, den Menschen im Rollstuhl wegen seiner Behinderung anzuschauen. Das ist das Gegenteil von Inklusion und faktisch geht es im Geschlechterkampf um nichts anderes.
Würde ich weitgehend unterschreiben, aber zwei Dinge einwenden:
Erstens, daß der „umgedrehte Spieß“ als Provokation auch augenöffnend wirken kann.
Zweitens: Ob alle Partizipierenden die Interpretation eines Zustands als Mißstand unterschreiben würden, ist selbst ein der Veränderung unterworfenes Phänomen. Gesellschaften können Wertungen und Gewichtungen ändern, oft ein langwieriger Prozeß, der jedoch dazu führen kann, daß die Wahrnehmung bestimmter Sachverhalte als Mißstände mehrheitsfähig wird. Beispiel: Um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert dürfte Frauenwahlrecht noch für viele Menschen – auch Frauen – den Untergang des Abendlandes bedeutet haben; sie „vermißten“ dieses Recht nicht, sahen also auch keinen Mißstand. Heute betrachten wir die Veränderung, wie viele andere (Abschaffung der Leibeigenschaft usw.) als positiv. Ob derzeit viele Diskursteilnehmer den Umstand XY für einen Mißstand halten oder nicht, sagt also nicht viel aus.
Was übrigens den Rollstuhlfahrer angeht: diese und andere „Spezialbehandlungen“ kenne ich noch aus meiner Kindheit in den 60ern/70ern. Es ist also nicht alles in dieser Richtung eine Erfindung der „politisch Korrekten“.
Ich kopiere meine Antwort aus meinem Beitrag einfach nochmal hier rein der Vollständigkeit halber:
Du sagtest
“Nun fällt das generische Maskulinum ja nicht vom Himmel; eine Gesellschaft hat willkürlich entschieden, daß Funktionsträger und Berufe bevorzugt, oder sogar ausschließlich, mit dem Maskulinum belegt werden.”
Das wird wohl sogar stimmen. Nichtsdestotrotz wird die Debatte nicht ehrlich geführt. Die Argumentation ist einfach nicht schlüssig.
“Grammatik ist kein Selbstzweck, existiert nicht in einem Kosmos jenseits der Bedeutungen; sie bestimmt die Semantik. Man kann die grammatikalische Form darum eben nicht als irgendwie „neutral“ oder „harmlos“ abtun – die klare Scheidung zwischen Sexus und Genus, wie sie die hier angeführten Autoren anführen, trügt.”
Also mir ist vollkommen schleierhaft wie man überhaupt auf die Idee kommen kann Sexus und Genus zu verwechseln. Folgendes Zitat beschreibt es meiner Meinung nach unmissverständlich:
“Es ist nicht schwer zu verstehen, daß das natürliche Geschlecht (Sexus) nicht mit dem grammatischen (Genus) gleichsetzbar ist: Zwar ist der Mann männlich und die Frau weiblich, aber die Waise, die Geisel und die Person sind nicht unbedingt weiblich, die Drohne ist eine männliche Biene, der Tisch, Stuhl, Computer, Garten etc. sind nicht wirklich männlich, und das Mädchen und das Pferd, Schaf etc. sind keineswegs geschlechtslos bzw. sächlich. Sexus und Genus stimmen also nicht überein.”
Was nie ein Problem war und jedem eigentlich sofort einleuchten muss ist jetzt aber bei Bezeichnungen von Personengruppen plötzlich ein Problem. Das finde ich jedenfalls nicht sonderlich logisch.
” Wenn das in Ordnung so ist, weshalb die Panik, daß es umgekehrt würde? Es wären dann eben alle Lehrer mitgemeint, wenn von Lehrerinnen die Rede ist. Daß sich angesichts einer solchen Möglichkeit gerade die aufregen, die finden, es sollte für Frauen doch okay sein, ist entlarvend.”
Nein man regt sich auf weil es einfach falsch, unlogisch und unehrlich ist:
“Die geschlechtsneutrale bzw. übergeschlechtliche Bedeutung der Personenbezeichnungen wird gestützt durch die Art ihrer Wortbildung: Der (männliche oder weibliche) Betreiber einer Farm ist bekanntlich ein Farmer und ein Gitarrenspieler ein Gitarrist etc. Würden die Endungen er und ist männliche Personen bezeichnen, dann sollte man annehmen, daß die eine Frau meinende Endung in nicht an eine vermeintlich männliche Endung angehängt wird (was gleichzeitig beide Geschlechter bezeichnen würde), sondern statt dieser direkt an Bau, Farm, Gitarre, Jura, Kunst etc.; das ergäbe dann: *Bäuin, Farmin, Gitarrin, Jurin, Künstlin etc. Natürlich nennt man solche Frauen Bäuerin, Farmerin, Gitarristin, Juristin, Künstlerin etc. – eben weil die Endung in an ein geschlechtsneutrales Nomen agentis angehängt wird.”
und
“Die Professorin bzw. Dozentin, Rektorin etc. ist durch das Suffix in als biologisch weiblich markiert. Diese Wortbildung (bzw. Movierung”) bewirkt dasselbe wie eigene Wörter für die Geschlechter von Haustierarten: die Sau, die Färse, die Kuh, die Stute sind ausschließlich weibliche Tiere, umgekehrt sind der Bulle bzw. der Stier, die Drohne, der Hengst, der Eber bzw. der Keiler etc. männliche Tiere. Niemand (oder etwa doch in Leipzig?) käme auf die Idee, diese Bezeichnungen generisch für beide Geschlechter zu verwenden: Eine Stute ist immer ein weibliches Pferd, so wie eine Frau immer ein weiblicher Mensch ist. Ebenso unsinnig wäre es folglich, mit Professorin beide Geschlechter bezeichnen zu wollen. Im Vergleich zu einer generischen Stute wäre eine generische Professorin allerdings doppelt widersinnig: Zunächst wird diese durch die Endung in biologisch weiblich markiert, anschließend soll diese Geschlechtsmarkierung in einem zweiten Schritt wieder rückgängig gemacht werden, um beide Geschlechter zu bezeichnen.”
Hätte man sich nicht so in den Endungen verbissen und sich mehr auf das Problem der anscheinend willkürlichen Vergabe von Artikeln konzentriert und auf die Professor, die Dozent und die Rektor bestanden wäre die Debatte meiner Meinung nach viel ehrlicher und nachvollziehbarer. Aber an den Grundfesten der deutschen Grammatik möchte man wohl doch nicht rütteln.
(Zitiert aus http://www.schriftdeutsch.de/orth-fem.htm und http://www.bruehlmeier.info/sprachfeminismus.htm )
Zunächst mal denke ich, daß Dein Vorschlag im letzten Absatz eine Überlegung wert ist (dazu mehr am Ende der Antwort).
Mit den anderen Ausführungen – d.h. den von Dir zitierten – habe ich so meine Probleme. Sie scheinen mir doch das schon genannte Kriterium zu erfüllen, daß hier die Betrachtungsebene gewechselt wird, d.h. daß die zitierten Autoren ignorieren, worum es bei den angeregten Sprachänderungen überhaupt geht, um auf der Ebene grammatikalischer Regelfuchserei Nebenschauplätze zu eröffnen, also vom eigentlichen Thema abzulenken. Soll heißen: In sich betrachtet sind ihre Ausführungen gut und richtig, haben nur mit der Sache nichts zu tun.
Du schreibst:
Es ist logisch, *weil* es um Personengruppen geht. Nämlich um deren gleichwertige Behandlung. Ob der Stuhl, der Computer oder der Baumstumpf ein Geschlecht haben, ist dabei irrelevant. Dito, ob „das Mädchen“ eigentlich keine Sache ist. Schließlich verlangt niemand, daß es ab jetzt „die Mann“ statt „der Mann“ heißen soll. Man könnte ja, wenn man wollte, z.B. Sachen und Personen fortan getrennt behandeln, und bei Sachen konsequent z.B. „das Tisch“, oder – unter Weglassung der weiblichen Endung „e“ – „das Gitarr“ sagen usw. Dagegen kann man einwenden, daß man das nicht will; und ich wäre vermutlich der erste, der die resultierenden Wortbildungen als unschön ablehnt. Man soll sich aber doch nicht wie die Autoren der zitierten Texte so aufspielen, als verteidige man eine naturgegebene, und per se nicht anfechtbare Ordnung.
Ferner:
Der folgende, von Dir zitierte Abschnitt über „die Bäuin“ usw. ignoriert einfach, daß die Art der Wortbildung so vorgeschrieben ist, daß die angeblich geschlechtsneutrale/übergeschlechtliche Form mit der Form für den einzelnen, biologischen Mann identisch ist.
Das stellt m.E. eine falsche Argumentation dar. Denn leider bezeichnen die Endungen -er und -ist sehr wohl männliche Personen, und zwar wenn diese als Einzelne gemeint sind. Gleichzeitig wird dieselbe Form aber geschlechterübergreifend gebraucht. Ist das, wie oben behauptet, „natürlich“ so? Wohl kaum. Welche Naturgewalt hat das verursacht? Daß „der Bauer“ ein geschlechtsneutrales Nomen agentis sei, ist willkürlich verfügt; es ließe sich auch ändern. Hier geht es nur darum, auf einer willkürlich verhängten Form zu beharren, weil man eine andere nicht wünscht. Wohlgemerkt kann man das ja (sie nicht wünschen); man sollte das dann aber auch zugeben, anstatt die Verfügung als eine Art unveränderlicher, objektiver Naturgesetzlichkeit auszugeben.
Es geht letztlich darum, daß die grammatikalisch geschlechtsneutrale Form „zufällig“ mit der biologisch männlichen gleichlautet, was so bleiben soll. Dies auch zum nächsten Absatz, den Du zitierst – wenn es dort heißt, daß es unsinnig sei, mit „Professorin“ beide Geschlechter zu bezeichnen, da diese ja per Suffix als weiblich markiert sei, müßte man erklären, weshalb man es als selbstverständlich empfindet, den von der Sprachbedeutung eindeutig männlichen, einzelnen Professor zugleich für die geschlechtsneutrale Form zu verwenden. Das ist nämlich m.E. der Punkt, über den sich diese Grammatikexperten hinwegschummeln: Daß „rein zufällig“ die grammatikalisch nicht geschlechtsneutrale Bezeichnung des einzelnen, biologisch männlichen Bauern, Lehrers usw. mit der geschlechtsneutralen Form der Gruppenbezeichnung identisch ist, während Frauen als Sonderfall per Zusatzendung aussortiert werden (müssen).
Darüber, daß das Gefummel an den Endungen letztlich nichts bringt, brauchen wir uns nicht lange zu unterhalten; da gebe ich Dir völlig recht. Ich meine aber, daß die Grammatikhüter selbst einigermaßen unehrlich sind. Sonst würden sie den Zusammenhang zwischen bloßer Form und subtextueller Bedeutung nicht so beharrlich leugnen. Man könnte sich ja, statt zu fordern, daß alles beim Alten bleiben soll, auch über ganz andere Lösungen Gedanken machen (wie wär’s mit „die Bauernschaft als solche“ statt „der Bauer als solcher“ in Sätzen, die bisher um „den Bauern“ herum formuliert wurden?).
Insofern stimme ich Dir zu, das Verbeißen in die Endungen bringt nichts; nur meine ich, daß die Gegenrede der zitierten Autoren selbst an der Sache vorbeigeht, oder dies sogar beabsichtigt.